Dokumentenlogistik für smarte Serviceprozesse

 


Autor – Dr. Dietmar Weiß ist Experte ECM und Eingangsrechnungsverarbeitung

Bei Industrie 4.0-Ansätzen wird die Prozessbearbeitung mit Hilfe moderner IT und Sensorik automatisiert und der Prozess für unternehmensübergreifende Produktionsketten geöffnet. Ein oft genanntes Beispiel in diesem Zusammenhang ist das intelligente Werkstück, das Maschinen oder Personal ‚mitteilt‘, wie es bearbeitet werden soll. Dieser semi-automatisierte Prozess der maschinellen Teilebearbeitung von Werkstücken mittels Maschinen ist auch bei kleinen Losgrößen zumindest partiell vorgegeben und lässt gleichzeitig Varianten zu, die drahtlos mittels „RFID“-Kommunikation an die Maschine übermittelt werden.

Bei unplanbaren Serviceprozessen dagegen übernimmt der Mensch nach wie vor eine koordinierende und kommunizierende zentrale Rolle. Bei diesen Prozessen mit hohem Humanfaktoranteil erfolgt die Kommunikation eher selten über technische Austausch-Codes (wie bei RFID) als vielmehr über Softwaredialoge, verbale Kommunikation, Bilder und Dokumente. Die Prozesslogistik, also auch die Dokumentenlogistik, hat Bearbeiter dabei mit Arbeitsmitteln zu versorgen und den Informationsaustausch entsprechend zu gestalten.

Digitale und personalisierte Arbeitsanleitungen als Basis

Im Kontext dieser Serviceprozesse sind Papierdokumente (Wareneingangspapiere, Messprotokolle, Fehlerberichte etc.) mittlerweile kontraproduktiv. Um hier Abhilfe zu schaffen, wurde beispielsweise die Industrie 4.0-Idee mit Mitarbeiterintegration von ELABO als Vorbild genommen und in seinen Customer-Care-Ansatz integriert. Dieser umfasst den Kundenservice, begonnen bei der Beratung, über Konzeption und Start-Up bis hin zum Lifecycle-Service.

Zentraler Punkt und Ergebnis dieses Ansatzes ist, dass den Mitarbeitern bei Bearbeitung des Servicefalls alle relevanten Informationen zur Verfügung stehen und passgenau zugeliefert werden. Der Bearbeiter wird dabei – abhängig von den eigenen Fähigkeiten – Schritt für Schritt angeleitet. Diese adaptive Anleitung erfolgt mittels digitaler Werkerführung (siehe Kasten).

Integration in Prozess- und Dokumentenlogistik

Die Kernidee intelligenter Werkteile und einer auf den Bearbeiter optimal angepasste Arbeitsumgebung wurde bei dem vorgestellten Lösungsansatz um ein entscheidendes Detail erweitert: Der Informationsfluss wird digitalisiert und auf die flexibel kombinierbaren Arbeitsschritte angepasst. Diese Konstellation ergab die zentrale Aufgabenstellung: Es sollen alle eingehenden Servicefälle rasch aufgenommen und effizient von jedem Mitarbeiter bearbeitet werden.

Das weitere Vorgehen ergab sich unmittelbar: Neben einer flexiblen Material- und Prozesslogistik musste auch eine flexible und schnelle Informations- und Dokumentenlogistik aufgesetzt werden. Dieser hochmodern ausgeprägte Prozess ist gekennzeichnet durch teilweise autonom fahrende Transsportmittel, automatisch registrierte Materialverbräuche und einer bedarfsorientierten Befüllung von Vorratsbehälter nebst eines vollständig digitalisierten Informationsmanagements.

Bausteine für eine flexible Servicestruktur

Als Ergebnis wurde eine flexible Struktur erarbeitet: Der entworfene Prozess besteht dabei – abstrakt betrachtet – aus fünf Schritten. Kennzeichnend dabei ist, dass viele Einzeltätigkeiten flexibel angeordnet sind und sich teilweise auch wiederholen können.

Der Servicefall wird vor Geräteversand vom Kunden auf der hierfür eingerichteten Service-Site erfasst. Dadurch werden die Zustandsbeschreibungen, Geräteverhalten und Bearbeitungswünsche des Gerätes elektronisch aufgegeben und mit der Gerätenummer verknüpft. Zudem wird das Gerät bereits erwartet und zur Bearbeitung eingeplant, bevor es überhaupt vom Kunden versendet wurde.

Die Vorteile sind offensichtlich: Die aktuellen und zu erwartenden Servicefälle erlauben eine bessere Einsatzplanung der Bearbeiter. Die erfassten Angaben sind bereits in einer elektronischen Service-Akte abgelegt und es gibt eine Servicefallnummer, auf die sich alle Beteiligte beziehen können.

Eingangsregistrierung

Bei ELABO gehen die zu prüfenden und zu wartenden Geräte anschließend mit ihrer Statusmeldung ein. Das Gerät kann darüber hinaus beim Eintreffen im Wareneingang und Abscannen des Barcodes seine Fehlermeldung und seinen Status „selbst“ an die Bearbeiter mitteilen. Zwischenzeitlich ergänzte Informationen werden dem Bearbeiter über die Eingangsregistrierung ebenso angezeigt.

Der gesamte Gerätezustand wird darüber hinaus strukturiert in einem Eingangsprotokoll als auch bildlich festgehalten. Die Fotos und etwaige Begleitdokumente werden direkt im ECM-System „lobodms“ in der Service-Akte abgelegt. Nach dieser Eingangsregistrierung ist das Gerät mit allen Begleitdokumenten und erhaltenen „losen“ Teilen erfasst und kann untersucht und gewartet werden.

Softwaregestützter Reparaturprozess mit Materialbeschaffung

Im weiteren Verlauf beginnt die Fehleranalyse, Korrektur, Teilebedarfsermittlung und Reparatur. Hierbei werden die benötigten Materialien durch „smarte Messung und Kommunikation“ automatisch zur Verfügung gestellt, aufgefüllt oder bei Bedarf bestellt. Eine klassische ABC-Teile-Klassifizierung sorgt für die Bestandskontrolle und -befüllung der C-Teile durch Dienstleister, A- und B-Teile werden bedarfsorientiert bestellt.

Je nach Bedarf und Arbeitsschritt wird das Gerät flexibel auf einem Rollwagen zwischen den Arbeitsstationen gefahren, bearbeitet und zwischengeparkt. Die Lokation des benötigten Wagens zwischen den anderen Rollwagen im „Abstellbahnhof“ erfolgt via RFID. Die Verwendung selbständig fahrender Wagen, die die Arbeitsstation selbst ansteuern, ist bereits in Konzeption.

Die jeweilige Arbeitssteuerung erfolgt mit dem Shopfloor Exection System (SES) von ELABO. Es besteht im Wesentlichen aus Arbeitsplatz-Handling und Arbeitsschritt-Handling, das auch bei kleinen Losgrößen angewendet werden kann und im Serviceprozess bei unterschiedlichen Aufgaben die Mitarbeiter unterstützt:

  • Jeder Schritt wird vom System automatisch dokumentiert und kann im Rahmen der Qualitätskontrolle nachvollzogen werden.
  • Das SES passt alle Arbeitsplatzkonfigurationen wie Tischhöhe oder Beleuchtung an den jeweils nächsten Arbeitsschritt an.
  • Mess- und Prüfsysteme werden automatisch parametrisiert.
  • Werkzeuge werden reserviert.
  • Werkteile werden zur Verfügung gestellt und automatisch nachbestellt.

Hierbei werden den jeweiligen Bearbeitern die notwendigen Informationen bzw. Dokumente aus dem ECM-System elektronisch zugestellt und neue Dokumente aus den Arbeitsschritten abgelegt.

Abgleich, Kalibrierung und Versand

Die Prozessbearbeitung endet mit der Gerätekalibrierung, der elektronischen Ablage dieser Protokolle in die lobodms-Akte und dem Versand des gewarteten Gerätes an den Kunden.

Fazit

Dieses Digitalisierungsbeispiel im Industrie 4.0-Umfeld zeigt, wie viele einzelne Komponenten als Bausteine zusammen agieren, um einen smarten Prozess zu bilden: Werkerführung, ECM-System, RFID-Etiketten, automatisch einstellende Arbeitsplätze, selbstfahrende Wagen usw. bilden eine gesamte Lösung.

So ist dieser neue Serviceprozess eine wesentliche Fortentwicklung, da die klassischen papiergestützten Arbeitspläne, Materialanforderungen und Ressourcenplanungen vollständig entfallen. Damit ist eine flexible und schnelle Prozess-Schrittfolge möglich. Das Gerät und der Mitarbeiter stehen im Mittelpunkt. Der Bearbeiter bekommt die Teile und Arbeits-Informationen geliefert, die er benötigt und muss sich nicht um deren Verbleib und Ablage kümmern.

Werkerführung und SES

Die Werkerführung ist Teil eines „Shopfloor Execution System“ (SES), das unter dem Leitbegriff „Reducing complexity“ ein modernes Instrumentarium zur Prozesssteuerung darstellt. Es optimiert sowohl das Handling von Industriearbeitsplätzen als auch die Durchführung aller einzelnen Arbeitsschritte und vereinfacht diese. Dies gewährleistet letztendlich eine hohe Arbeitseffizienz und ein optimal gestaltetes Arbeitsumfeld und sichert somit auch die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens

www.weiss-buch.com

Dr. Dietmar Weiß ist ECM-Experte und ist spezialisiert auf Analyse, Konzeption und Auswahl geeigneter Verfahren, Lösungen oder Systemen für elektronische Dokumentenbearbeitung sowie elektronische Eingangsrechnungsbearbeitung. Er ist Autor des Weiß-Buch Eingangsrechnungsbearbeitung („Invoicing“) und weiterer Publikationen. Beim Branchenverband VOI leitet Dr. Dietmar Weiß das Competence Center Industrie 4.0.

www.elabo.de

ELABO mit Sitz in Crailsheim, ist ein Unternehmen der euromicron Gruppe. Die Unternehmensgruppe entwickelt und produziert Netzwerk-Systemkomponenten (inklusive Lichtwellenleiter-Technologie) sowie Sicherheitstechnik und realisiert für die Kunden Komplett-Lösungen in diesen Bereichen.
Demonstriert werden die intelligenten Lösungen von ELABO in der eigens eingerichteten Lernfabrik. Der dort präsentierte Smart Industry Ansatz wurde bereits mit dem Innovationspreis „100 Orte Industrie 4.0 in Baden-Württemberg“ ausgezeichnet.