Interview 10.3

    „Wir wollen den Zugang zu Business Intelligence so einfach wie möglich halten“
    Peter Fischer, Microsoft Deutschland GmbH

    Enterprise Content Management, Business Intelligence, Excel, SharePoint, Performance Point Server, SQL Server, Visio, „Wissensarbeiter“, Collaboration

    ECM & BI werden noch nicht wirklich in einem Atemzug genannt – zu Recht?
    Unserer Meinung nach gehören die beiden Disziplinen zusammen. Microsoft hatte immer den Anspruch, den Wissensarbeiter in seiner täglichen Arbeit zu unterstützen, allein deshalb ist die Integration von Business Intelligence notwendig. Wenn ich heute beispielsweise als Mitarbeiter im Marketing ein Event mit 2.000 Teilnehmern organisiere, dann muss ich nicht nur wissen, wer daran teilnimmt. Viel interessanter sind die Informationen, die Aufschluss darüber geben, ob die Einnahmen und Ausgaben im Verhältnis stehen, die richtigen Kunden eingeladen werden oder ob die Vertriebsmöglichkeiten nach ein paar Monaten zum Vertriebserfolg geführt haben. Unser Anspruch ist es, mit BI dieses Wissen nicht nur für Controlling-Spezialisten zu erschließen, sondern einer breiten Anwenderschicht.

    … „BI for the masses“ …
    Genau. Da wollen wir einen ähnlichen Weg gehen wie bei dem Thema Enterprise Content Management, also Komplexität reduzieren und einen einfachen Zugang für eine breite Anzahl von Lösungen schaffen, die wirklich alle Mitarbeiter bedienen können. Ist die eigentliche Voraussetzung dafür nicht tieferes Wissen um BI? Wir wollen den Zugang so einfach wie möglich halten, siehe Excel und SharePoint, beide mit hoher Akzeptanz bei den Anwendern. Jeder soll in der Lage sein, über Excel ein Dashboard zu bauen, das ihm und dem Team bei der täglichen Arbeit hilft. Das Team greift über SharePoint auf die Auswertung zu, dabei muss nicht das Excel-File heruntergeladen werden, sondern die Analyse kann direkt in der Web-Oberfläche des SharePoint passieren. Das funktioniert nicht nur für ein paar wenige Datenzeilen, sondern auch für hohe Volumina mit mehreren 100 Millionen Datenzeilen, die beispielsweise aus externen Systemen kommen können.

    Ist solch eine Ad-hoc-Umsetzung für den normalen Anwender denn überhaupt möglich?
    Ja. Wer Excel kennt, kann das und weiß, dass sich damit schnell Grafiken beispielsweise über Pivotdaten erstellen lassen. Mit den neuen „Slicers“ in Excel 2010 können die Datengrafiken sehr einfach interaktiv gestaltet werden. Diese Interaktivität funktioniert nicht nur in Excel, sondern auch direkt auf einer SharePoint-Site. Der Clou ist, dass diese Auswertungen nicht nur mit statischen Daten funktionieren, sondern auch mit externen Datenquellen. Und damit der IT-Administrator nicht ins Schwitzen kommt und um die Performanz und Integrität dieser Datenquellen fürchtet, gibt es im SharePoint „Leitplanken“ für die Anwender. Dort werden von der IT definierte Datenquellen als Verknüpfungen in einer Bibliothek eingestellt, womit beispielsweise Daten aus den CRM- oder ERP-Systemen in das Excel Dashboard integriert werden. Der Anwender kann innerhalb dieses Datenpools seine Auswertungen fahren, beispielsweise für die Kontrolle seiner Quartals-Budgets: Wie viel Budget habe ich noch? Wie viel ist bisher an wen beauftragt bzw. in Rechnung gestellt worden? Wie verteilt sich mein Budget über die einzelnen Quartale und Monate? Wie viele Rückstellungen müssen gebildet werden? Ein typischer alltäglicher Anwendungsfall.

    Sind diese Ideen denn schon bei den Anwendern „gelandet“?
    SharePoint 2010, im Mai auf den Markt gekommen, führt die bereits vorhandenen Technologien in stark erweiterter Form fort. Die Anwender entdecken diese Möglichkeiten nach und nach, weil SharePoint bisher in erster Linie als Collaboration-Plattform genutzt wurde.

    BI war im Strategie-Portfolio von Microsoft bisher nicht sonderlich sichtbar …
    SQL-Server-Spezialisten sehen das anders. Microsoft bot auch in der Vergangenheit BI-Produkte an, entweder innerhalb des SQL Server mit Reporting Services oder mit dem Produkt Performance Point Server oder eben Excel. Neu ist, dass wir BI allen Anwendern zur Verfügung stellen wollen – über Excel, Visio und SharePoint. Microsoft hat dazu den Performance Point Server in den SharePoint Server integriert. Damit lassen sich Daten aus den verschiedensten Systemen im SQL Server nach dem Cube-Modell konfektionieren. Die neuen Versionen von Excel und Visio 2010 verbessern erheblich die Anwendungsmöglichkeiten von BI. In Visio können Daten aus externen Quellen jetzt einfach visualisiert werden und diese Visualisierungen stehen wiederum als Websites im SharePoint. Genutzt wird so etwas beispielsweise für die Überwachung von Server- Farmen, Maschinenparks, der Lieferantenkette oder um in einem Krankenhaus mit RFID-Technologie Patienten zu lokalisieren.

    Sind das schon echte Anwendungsfälle?
    Ja, unter www.microsoft.de/kundenreferenzen finden Sie über 50 Kundenreferenzen aus Deutschland, wenn Sie nach „Business Intelligence“ suchen.

    Wäre BI der „Schlüssel“, mit dem sich die Dokumentenwelt der unstrukturierten Informationen erschließen lässt?
    Auch das geht, denken Sie nur an die Enterprise Search. Wenn beispielsweise die Auswertungen und Daten in den Suchmaschinen berücksichtigt werden, können Dokumente auf eine viel einfachere und cleverere Art gefunden werden als bisher. Wenn ich also bei Microsoft nach einem Kunden suche, erhalte ich mit der Eingabe des Kundennamens nicht nur die Dokumente, sondern zusätzlich Informationen aus den CRM-Systemen und kann gleichzeitig über BI aus den ERP-Systemen die Umsatzzahlen mit den entsprechenden Ansprechpartnern ausgeben lassen. Aus meiner Sicht gehören BI und ECM zusammen. Die meisten ECM-Anwendungen finden Sie heute im Bereich Bestell- & Rechnungsabwicklungsworkflow, wo die Prozesse nach verschiedensten organisatorischen und finanziellen Aspekten ausgewertet und von den Mitarbeitern geteilt werden.

    Da wäre er wieder, der Knowledge Worker …
    Im Englischen bezeichnen wir den als „Information Worker“, im Deutschen als „Wissensarbeiter“. Wenn man sich die Historie des Microsoft-Office-Portfolios ansieht, ging es eigentlich immer darum, die Produktivität von Wissensarbeitern zu erhöhen. Mit den Office Clients erhöhen wir die persönliche Produktivität, mit SharePoint, Exchange, OCS und Project Server die Produktivität von Teams und Unternehmen. „Enterprise Content Management“ trifft meiner Ansicht nach dieses Szenario immer weniger. Ich sehe ECM eher als eine Sammlung von Funktionen, um Kernprozesse im Unternehmen nachvollziehbar und auditierbar zu gestalten. Wissensarbeiter werden damit weniger bedient, den weitaus größten Teil seiner Arbeit bringt man mit Dokumenten zu, die nicht aus der ECM-Welt stammen. Und es sind nicht wenige, die zu diesen Wissensarbeitern zählen. Eine Studie des Bureau of Labor Statistics, der World Bank und McKinsey hat die Art der Tätigkeiten bezogen auf Deutschland so erhoben: 25 Prozent der Mitarbeiter arbeiten in rohstoffverarbeitenden/produzierenden Tätigkeiten, 38 Prozent in Routine- und Verwaltungstätigkeiten und 37 Prozent gelten als Wissensarbeiter.

    Im Grunde ist Ihr beschriebenes Szenario wieder Desktop-getrieben …
    Nicht unbedingt, im Thema BI ist es ein wenig anders. Wir verknüpfen die Desktop-Welt mit den IT-Administratoren. Die Endanwender brauchen Möglichkeiten, selbst Analysen machen zu können, ohne jedes Mal die IT fragen zu müssen. Und umgekehrt sollen die Admins entlastet werden von den Anforderungen der Endanwender und nur die „Leitplanken“ vorgeben.

    Das plus Collaboration.
    SharePoint bildet da nicht allein das Collaboration-Szenario ab, sondern ist quasi der Klebstoff zwischen der IT und dem Desktop, der Ort, wo die Bibliotheken vorgehalten werden, damit die Daten für den Endanwender handhabbar werden.

    Brauche ich dafür als Anwender nicht einen ganz speziellen Blick von der Metaebene auf meine Informationen?
    Natürlich muss ich mich in der Geschäftslogik meines Unternehmens auskennen, keine Frage. Daten geben je nach Interpretation viel Spielraum.

    Wo wäre dann das Wissen darüber im Unternehmen angesiedelt?
    Das sollte schon in der Fachabteilung sein, die IT stellt die Datenwürfel zur Verfügung. Hier sind die Fachbereiche gefragt, die selbst am besten wissen, welche Analysen sie brauchen.

    Was haben wir vergessen zu fragen?
    Was habe ich vergessen zu sagen?! Vielleicht noch, wie der Nutzen für die Unternehmen aussieht. Erstens werden die Entscheider in die Lage versetzt, fundierte Entscheidungen zu treffen. Das geht sogar auf der Ebene der Self Services, denn die IT ist kein Engpass mehr. Zweitens wird die operationale Effizienz des Unternehmens verbessert: Durch mehr Transparenz entsteht ein höheres Verantwortungsgefühl der Mitarbeiter. Gleichzeitig sind alle Mitarbeiter in der Lage, Daten tatsächlich zu nutzen. Und drittens bekommt die IT mit diesem Modell eine unternehmensweite Plattform, die sich skalieren lässt. Eine robuste Infrastruktur aus einem technologischen Guss, die es den Entwicklern erleichtert, eigene Applikationen zu entwickeln.

    Peter Fischer ist Product Manager SharePoint bei der Microsoft Deutschland GmbH. Der weltweit größte Softwarehersteller ist in 85 Ländern mit Niederlassungen vertreten und beschäftigt insgesamt rund 70.000 Mitarbeiter. Microsoft Deutschland mit Hauptsitz in Unterschleißheim bei München beschäftigt ca. 1.900 Mitarbeiter.
    www.microsoft.de