Autor – Gino Brunetti, Cluster-Manager des Software-Clusters
„Open Innovation“ findet immer größeren Anklang in der freien Wirtschaft – und bedeutet, Innovationsprozesse nicht ausschließlich hinter verschlossenen Türen nur mit eigenen Forschern umzusetzen, sondern sich für Kooperationen mit anderen komplementären Unternehmen und sogar Wettbewerbern zu öffnen. Verschiedene Unternehmen arbeiten demnach intensiv zusammen, um neue, bis dahin externe Ressourcen zu gemeinsam erschließen, interdisziplinäre Probleme zu lösen oder im eigenen Unternehmen nicht verwendbare Innovationsergebnisse zu teilen.
Dieses neue Innovationsmanagement stellt Unternehmen vor beträchtliche Herausforderungen – und zwar nicht nur in Bezug auf ihre eigene Firmenkultur. Eine zentrale Aufgabe besteht vor allem darin, einen verlässlichen Kooperationspartner zu finden, der die gleiche Innovationsstrategie verfolgt.
Organisationsform: Vernetzung in regionalen Clustern
Die systematische Suche nach den richtigen Kooperationspartnern wird organisiert in regionalen Clustern, in denen sich Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus einem Technologiebereich entlang einer Wertschöpfungskette vernetzen. Allein in Deutschland existieren mehrere Dutzend bedeutende Cluster verschiedenster Technologiebereiche.
Bild 1: Software-Cluster – Vernetzung von Business-Partnern (© intelligent views)
Ein wichtiger Cluster ist der Software-Cluster im Südwesten Deutschlands, Europas „Silicon Valley für Unternehmenssoftware“ (www.software-cluster.org). In der Region rund um Darmstadt, Kaiserslautern, Karlsruhe und Saarbücken arbeiten mehr als 100.000 Beschäftigte in über 11.000 Software-Unternehmen. Darunter sind die großen deutschen Hersteller von Unternehmenssoftware, SAP AG und Software AG, sowie zahlreiche innovative Mittelständler und renommierte Forschungseinrichtungen. Seit 2007 wird der Cluster durch eine gemeinsame Strategie und Struktur verstärkt koordiniert, seit 2010 ist er ausgezeichnet im Spitzencluster-Wettbewerb der Bundesregierung.
Ziele: Partner finden – Lösungen erarbeiten
Wie dienen Cluster nun dazu, Open Innovation-Prozesse zu befördern? In Clustern kommen Unternehmen zusammen, die in der Regel hochinnovativ sind und von gemeinsamen Zielen geleitet werden. Manche Kontakte ergeben sich automatisch, bedingt durch die große räumliche Nähe der Unternehmen zueinander. Viele weitere werden durch vom Clustermanagement aus organisierte Dienstleistungen wie etwa Netzwerk- und „Matchmaking“-Veranstaltungen befördert. Darüber hinaus entstehen jedoch auch zunehmend eigene softwarebasierte Lösungen, die das Wissensmanagement und die Identifikation geeigneter komplementärer Partner für Open Innovation Management-Lösungen im Cluster unterstützen. Beispiele sind etwa der ExpertFinder B2B der Firma C³ enterprise solutions (www.c3-networking.de) oder die Lösung „clu“ der think to innovate GmbH (www.clu.de).
Auch im Software-Cluster wurde eine eigenständige Lösung entwickelt, die dem softwareunterstützten Matching von Cluster-Firmen dient, um so Open Innovation zu unterstützen. Die Lösung baut auf K-Infinity auf, einem Produkt der Darmstädter Firma intelligent views gmbh (www.i-views.de), die semantisches Wissensmanagement ermöglicht. Das Produkt wurde in einem Pilotprojekt an die Bedürfnisse des Cluster Managements angepasst und steht als Software-Cluster-Business-Portal den registrierten Clusterfirmen im Netz zur freien Verfügung (www.software-cluster.org/mein-cluster).
Vorgehen: Relationen bilden über semantische Netze
In klassischen Firmendatenbanken können sich Firmen nur mit ihren jeweiligen Profilen eintragen und Kompetenzfelder und Branchen auswählen. Danach wird selektiert. Typischerweise sind diese Angebote statisch und bieten keine auswertbaren Vernetzungen an, da die üblichen Datenbankeintragungen in der Regel nur das einfache Suchen und Filtern von anderen Unternehmen unterstützen. Auf diese Weise bleiben aber beispielsweise Abhängigkeiten oder Berührungen von Kompetenzfeldern meist unberücksichtigt, da diese untereinander nicht vernetzt sind. Gleiches gilt für Anforderungen, die branchenunabhängig zu betrachten sind. So bleiben viele Potenziale, z.B. im Bereich eines innovativen Business Matching oder Kooperationsmöglichkeiten über thematische Übereinstimmungen, ungenutzt.
Bild 2: Networking im Business-Portal
Im Software-Cluster-Business-Portal wird diesem Problem mit der Einführung eines semantischen Netzes begegnet. Ein semantisches Netz besteht aus Knoten, die Konzepte repräsentieren und Kanten als Verbindungen, die Beziehungen (Relationen) zwischen den Knoten herstellen. So können von Unternehmen aus Relationen zu vielen verschiedenen Feldern gebildet werden, aber auch die einzelnen Felder können miteinander in Beziehung stehen.
Das Ziel des Business-Portals ist es, allen registrierten Nutzern die Vernetzung der Unternehmen über deren Themen, Angebotsportfolios, Branchen ihrer Kunden und bereits vorhandene Kooperationen und Mitgliedschaften zu ermöglichen, um beispielsweise Projektpartner (sowohl für Business Development als auch R&D) zu finden oder Bietergemeinschaften bei Ausschreibungen zu bilden.
Ergebnis: Business Matching mittels Suchalgorithmen
Als Grundlage für die Entwicklung und Umsetzung des semantischen Mehrwertdienstes wurde ein Bewertungsmodell evaluiert und realisiert. Dieses Bewertungsmodell stellt sicher, dass es für alle Beteiligten den sinnvollsten semantischen Dienst prototypisch umsetzen kann. Die Recherche- und Evaluationsphase zu dem Bewertungsmodell wurde insbesondere in Kooperation mit den Indikatoren- und Evaluationsexperten des Fraunhofer IESE durchgeführt.
Die Suchalgorithmen wurden so entwickelt, dass sie als semantischer Dienst Nutzern des Business-Portals über die dort vorgehaltenen Themen Unternehmen vorschlagen, und so ein Business-Matching möglich machen. Grundlage hierfür waren zwei relevante Parameter:
• Granularität und Veränderung der Themenvernetzung sowie
• die technische Möglichkeit der Kombination verschiedener semantischer Suchen
Der Vorteil der semantischen Repräsentation im Vergleich zu den bisherigen Ansätzen liegt darin, dass ein Kontext dargestellt und verschiedene Sichtweisen auf Daten unterstützt werden. Fehlinterpretationen durch unterschiedliche Erfahrungs- bzw. Informationshintergründe korrespondierender Akteure werden verringert. Daraus resultiert ein gemeinsames Verständnis. Ferner tragen semantische Modelle dazu bei, neben explizitem Wissen auch implizites Wissen abzubilden. Durch Schlussfolgerungen abgeleitetes Wissen („Information-Push“) bildet eine zusätzliche Wissensressource im Open Innovation-Prozess, die keine bisherige Cluster-Management-Lösung leistet.
Fazit
Das Business-Portal des Software-Clusters ist damit selber ein innovativer Dienst, der auf einem semantischen System aufbaut und bislang so in keinem anderen Cluster existiert.
www.software-cluster.org
Gino Brunetti, Cluster-Manager des Software-Clusters. Der Software-Cluster im Südwesten Deutschlands gilt als Europas Silicon Valley. Rund um die Zentren der Softwareentwicklung Darmstadt, Karlsruhe, Kaiserslautern, Saarbrücken und Walldorf arbeiten Universitäten, Unternehmen und Forschungseinrichtungen eng zusammen. Sie entwickeln gemeinsam die Unternehmenssoftware der Zukunft. Dafür wurde der Software-Cluster u.a. im Spitzenclusterwettbewerb der Bundesregierung ausgezeichnet.
Auf der CeBIT zeigt der Software-Cluster in Halle 9, Stand D44 zahlreiche Ergebnisse der Projekte zu Themen wie Smart City, Smart Production und Smart Energy.
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