Interview mit Daniel Fallmann, Gründer und Geschäftsführer von Mindbreeze
Anfang Februar 2016 informierte Google seine Partner, dass die Google Search Appliance ab sofort nicht mehr verkauft wird und Bestandskunden nur noch bis 2017 Ein-Jahres-Lizenzen erwerben können. De facto stoppt Google damit den Vertrieb seiner Enterprise Search Appliances spätestens Ende 2018. Auch die Versorgung mit Sicherheitsupdates wird voraussichtlich im März 2019 enden. Welche Auswirkungen, aber auch Chancen die Entscheidung von Google für den Markt und für Anwender von Enterprise Search hat, erklärt Daniel Fallmann, Gründer und Geschäftsführer des Enterprise Search-Anbieters Mindbreeze, im Gespräch mit dem DOK.magazin.
Herr Fallmann, es hatte sich abgezeichnet und jetzt ist es Fakt: Google wird den Vertrieb und Support seiner Appliances zugunsten reiner Cloud-Lösungen vollständig einstellen. Stehen On-Premise beziehungsweise On-Site Enterprise Search-Lösungen generell vor dem Aus?
Dieser Meinung bin ich nicht. Das Thema Cloud Computing wird zwar mit Blick auf die voranschreitenden Digitalisierung immer heißer diskutiert, doch gerade Enterprise Search in der Cloud kommt heute bislang nur für einen recht kleinen Anteil an Anwendern und bei effektiv wenigen Datenquellen tatsächlich in Frage.
Für Unternehmen, die heute einen Großteil der Informationen in maßgeschneiderten Anwendungen im eigenen Unternehmen haben, kommt dieser Ansatz einfach zu früh. Meine Erfahrungen aus Kundengesprächen gerade in Europa bestätigen das: Betriebe legen großen Wert darauf, dass sensible Daten möglichst In-House verbleiben.
Das ist durchaus verständlich: Denken Sie beispielsweise an hochsensible Daten, wie sie etwa in der Pharmazie-Branche, im Gesundheitswesen oder allgemein in der Forschung und Entwicklung entstehen. Gerade für innovationsgetriebene Unternehmen sind solche Informationen geschäftskritisch und müssen vor fremdem Zugriff geschützt werden. Sobald die Cloud-Anbieter dies tatsächlich garantieren können, wird auch Enterprise Search aus der Cloud eine größere Rolle spielen. Für die kommenden Jahre denke ich daher, dass beide Varianten parallel existieren werden.
Inwiefern bietet der von Google favorisierte Cloud-Ansatz gerade deutschen Anwendern einen Nachteil?
Das ist eine gute Frage. Es gibt diesen oft zitierten Cloud-basierten Google Service, der Enterprise Search von unternehmensinternen Daten ermöglichen soll, ja heute noch nicht. Insofern lässt sich das neue Google Modell noch nicht wirklich bewerten. Doch die eigentliche Frage ist, wie effizient man heute mit rein Cloud-basierten Enterprise Search Lösungen die heterogene Informationslandschaft im Unternehmen und in der Cloud erfassen kann. Wir sehen dabei eher einen Trend in Richtung hybrider Lösungen. Ziel solcher hybriden Ansätze ist es kritische unternehmensinterne Daten innerhalb des Unternehmens zu analysieren und zu verarbeiten. Zusätzlich sollen dabei auch Informationen, die bereits in einem Cloud Service gespeichert sind, durchaus mit einem Cloud-basierten Enterprise Search System abgebildet und berücksichtigt werden. Das ist aber nicht neu. Unsere Kunden können das mit Mindbreeze schon seit vielen Jahren so machen. Wir waren in diesem Bereich auch klar einer der Vorreiter.
Welche konkrete Auswirkung hat die Einstellung der Google Search Appliance?
Die Google Search Appliance war sehr einfach zu betreiben, zu konfigurieren und zu warten. Das wussten Unternehmen jeglicher Größe zu schätzen. Die Appliance war eben kein Projekt, sondern ein Produkt. Kunden die sich für eine Appliance entscheiden, wollen typischerweise kein Projekt und keine langwierige Evaluierung. Sie wollen das Produkt ausprobieren, kaufen und anschließend direkt für effizientes Wissensmanagement nutzen. Besonders getroffen hat die Entscheidung natürlich den Fachhandel und insbesondere die Google Partner. Die meisten befinden sich schließlich mitten im laufenden Geschäftsjahr mit wartenden Interessenten, die sie nun beliefern wollen. Für sie ist Eile geboten, schnell einen adäquaten Ersatz zu finden. Alle großen Google Partner wie Onix, questio, TWT, NRX und viele weitere haben sich daher bereits jetzt für den Vertrieb unserer Appliance entschieden.
Und welche Unternehmen und Branchen profitieren besonders vom Einsatz einer Enterprise Search-Lösung? Wie sehen konkrete Anwendungsszenarien aus?
Im Grunde können alle Unternehmen und Branchen Nutzen aus Enterprise Search ziehen. Leichtgewichtiges und praxistaugliches Wissensmanagement ist heute eigentlich ein Muss für jeden Betrieb. Das zeigt sich schon an unserem Kundenstamm. Wir bedienen beispielsweise Unternehmen aus der Industrie wie der Luftfahrt- und Telekommunikationsbranche. Aber auch Banken, Versicherungen, Krankenhäuser und öffentliche Auftraggeber gehören zu unseren Kunden. Grenzen gibt es also nicht, denn die Einsatzmöglichkeiten von Enterprise Search sind sehr vielfältig.
Natürlich gestaltet sich das jeweils konkrete Anwendungsszenario immer ganz individuell. So ist mit Enterprise Search eine 360-Grad-Sicht auf Bauteile oder Patientenakten genauso einfach realisierbar wie eine Unterstützung und Automatisierung von Customer Service-Prozessen. Auch der Einsatz als Klassifizierungstool ist möglich. Wichtig ist es also, dass sich die Lösungen spezifisch auf die Bedürfnisse und Anforderungen der Anwender zuschneiden lassen.
Sehen Sie für Anwender auch Vorteile durch die Abkündigung der Google Search Appliance? Bieten moderne Appliances eventuell einen Mehrwert?
Ich sehe zumindest nicht nur Nachteile für die Anwender. Denn man muss eines bedenken: Die Google Search Appliance ist seit über ein Jahrzehnt am Markt und wurde vor allem in den letzten Jahren kaum entscheidend weiterentwickelt. So ist beispielsweise die klassische Suche à la Suchfeld und Ergebnisliste eigentlich nicht mehr zeitgemäß. Heutige Premiumprodukte bringen dagegen standardmäßig Features wie Semantik Pipeline, Unternehmensvokabulare (Thesauri), Sprachverständnis für alle europäischen und asiatischen Sprachen sowie die Möglichkeit der semantischen Erkennung von Zusammenhängen zwischen Informationen aus unterschiedlichsten Datenquellen mit.
Woran erkennen Anwender eine gute Enterprise Search-Lösung und auf was sollten sie bei der Auswahl einer Alternativlösung auf jeden Fall achten?
Es gibt einige Kriterien, die Unternehmen bei der Evaluierung einer neuen Anwendung auf jeden Fall berücksichtigen sollten. Wichtig ist beispielsweise, dass die Ersatzlösung ebenso einfach betrieben werden kann, aber über offene Schnittstellen und Anpassungsmöglichkeiten etwa für die Relevanzanpassung und die Kontextualisierung verfügt. Nur auf diese Weise lassen sich die Suchfunktion und Suchanwendungen auf individuelle Unternehmensanforderungen und die Bedarfe einzelner Fachbereiche zuschneiden.
Für die fortlaufende Optimierung der Anwendung sind des Weiteren umfassende Monitoring und Reporting Tools entscheidend. Diese helfen, mangelhafte Suchergebnisse und Wissenslücken zu identifizieren und anschließend zu eliminieren.
Das sind natürlich nur ein paar generelle Punkte. Letztlich kann ich Kunden nach elf Jahren in diesem Geschäft nur raten: Probieren geht über Studieren. Wir und unsere Partner empfehlen Anwendern dringend, in Frage kommende Lösungen im Praxiseinsatz und nicht nur auf dem Papier zu vergleichen und vor Ort im eigenen Geschäftsumfeld zu testen. Die Unterschiede in der Qualität und Leistungsfähigkeit sind enorm.
Wie sieht es mit der Integration einer neuen Appliance aus? Lassen sich neue Lösungen verlustfrei in bestehende Infrastrukturen implementieren?
Das hängt natürlich in erster Linie vom jeweiligen Anbieter und von seinem Produkt ab. Soll eine neue Lösung möglichst schnell und nahtlos eine bestehende Anwendung ersetzen, muss diese einige Voraussetzungen erfüllen: So ist es beispielsweise wichtig, dass die Anwendung bereits einen umfassenden Pool an Konnektoren mitbringt und über alle relevanten Programmierschnittstellen verfügt. So lässt sich der Aufwand bei der Anbindung der oft sehr unterschiedlichen Datenquellen in den Unternehmen stark reduzieren.
Zudem können sich die Unternehmen viel Zeit und Kosten bei der Migration sparen, wenn die Lösung die Übernahme bereits vorhandener Konfigurationen ermöglicht. Gefordert sind hier also leistungsfähige Migrations-Tools, mit denen man in kürzester Zeit beispielsweise von einer Google Search Appliance auf eine andere Appliance umziehen kann. Die individuellen Einstellungen für fachspezifische Suchen bleiben dabei erhalten. Auf diese Weise müssen die Unternehmen nicht wieder bei Null anfangen, sondern können nahtlos auf bestehenden Erkenntnissen aufbauen.
Herr Fallmann, vielen Dank für diese detailreichen und aktuellen Hinweise zum Thema Enterprise Search.
Mindbreeze ist ein führender Anbieter von Appliances für Enterprise Search, Big Data und Wissensmanagement.