Sascha Martini, CEO, Razorfish Deutschland.
Im Rahmen der dmexco 2015, Europas größter Fachmesse für die digitale Branche, konnten die Besucher in Köln eine Vorschau auf die nahe Zukunft des Einzelhandels erleben. Auf ihrem Messestand präsentierte die internationale Digitalagentur Razorfish die Deutschlandpremiere des Razorshops – eine digitale Store-Umgebung, die das Shopping-Erlebnis im Laden vor Ort um die Annehmlichkeiten aus der digitalen Welt ergänzt. Sascha Martini, CEO von Razorfish Deutschland, erklärt im Interview, wie der Einzelhandel mit diesem Brückenschlag zwischen Online und Offline den digitalen Wandel für sich nutzen kann.
Herr Martini, können Sie erklären, was ‚digitale Transformation‘ für die Retail-Branche bedeutet?
Digitale Technologien gehören mittlerweile zum Alltag und üben auf diesem Wege auch einen umfassenden Einfluss auf das Einkaufsverhalten der Konsumenten aus. Dabei ist es völlig unerheblich, ob es sich um Güter oder Dienstleistungen handelt. Wichtig ist für den Konsumenten vor allem, dass sein ‚Always on‘-Bedürfnis während des Shopping-Prozesses kontinuierlich abgedeckt wird. Dies bringt vor allem für die traditionellen ‚Offline-Stores‘ eine große Herausforderung mit sich. Damit sie auch in Zukunft für den Verbraucher relevant bleiben, müssen sie sich vom reinen Transaktionsort zum Erlebnisraum wandeln. Für Retail-Unternehmen gilt es, sich diesen Entwicklungen intelligent anzupassen. Digitale Transformation ist die Basis, auf der sie ihren Geschäftserfolg nachhaltig absichern.
Wie würden Sie die Chancen beschreiben, die der digitale Wandel für den stationären Einzelhandel mit sich bringt?
Durch die digitalen Technologien gerät der stationäre Einzelhandel unter Druck. Ihre Nutzung bietet ihm jedoch zeitgleich die Chance, sich neu zu erfinden und dadurch den Offline-Einkauf zu einem begeisternden Erlebnis zu machen.
Eine grundlegende Voraussetzung dafür ist, dass man die tatsächliche Bedeutung des Begriffs ‚digitale Transformation‘ erfasst. Denn wer denkt, dass es sich hierbei nur um eine Digitalisierung des Verkaufsprozesses handelt, ist vollkommen auf dem Holzweg. Bei der digitalen Transformation stehen – in direktem Gegensatz zur traditionellen Unterbrecherwerbung – die Bedürfnisse des Kunden im Mittelpunkt. Das heißt als Marke: Ich sende meinem Kunden keine Werbebotschaften, sondern versorge ihn mit Services, die für ihn tatsächlich relevant sind. Das Ziel ist, Mehrwerte zu schaffen, über die sich die Marke mit positiven Erlebnissen auflädt. Digitale Technologien sind der Weg, über den diese Annehmlichkeiten zur Verfügung gestellt werden.
Welche digitalen Technologien bieten sich dafür besonders an?
Ein gutes Beispiel hierfür ist die Kombination von Beacons und BLE (Bluetooth Low Energy). Mit dieser auf Bluetooth basierenden Funktechnik ist es möglich, einen Kunden anhand seines Smartphones zu erkennen und ihm gezielt Informationen zukommen zu lassen. Zum Beispiel eine Begrüßungsnachricht, wenn er den Shop betritt oder Hinweise zu einem Produkt, sobald er vor ihm steht. So kann die Marke mit dieser Technologie auf die individuellen Vorlieben des Kunden eingehen, statt ihn mit Werbung zu stören.
Wie können sich Einzelhandelsunternehmen digitale Technologien am besten zunutze machen?
Die digitale Toolbox, aus der man schöpfen kann, ist äußerst vielfältig. Um hieraus eine funktionierende und begeisternde Retail Experience zu machen, kommt es jedoch in ganz entscheidendem Maße darauf an, sie auf smarte Weise mit dem physischen Store zu verbinden. Zum Beispiel mithilfe moderner Display-Technologie: Anstelle von Ständern und Regalen übernehmen hierbei großformatige Bildschirme die Produktpräsentation. Kunden können Gegenstände so ganz unabhängig vom tatsächlichen Warenbestand sehen, erleben und kaufen. Dass das funktionieren kann, beweist das erste voll digitalisierte Autohaus ‚Audi City‘.
Wie ist Razorfish darauf gekommen, eine eigene Lösung für die digitale Transformation des Retails zu entwickeln?
Wir beschäftigen uns täglich mit allen Spielarten der digitalen Transformation und haben eine recht konkrete Vorstellung davon, wohin die Reise gehen wird. Auch im Bereich Einzelhandel. Das gilt jedoch aktuell noch für die wenigsten Unternehmen. Der Razorshop ist ein Vorzeigemodell dafür, wie die digitale Transformation im Retail konkret aussehen kann. Denn es geht bei dieser Lösung nicht darum, das gelernte Einkaufsverhalten der Menschen zu verändern. Vielmehr ergänzt der Razorshop das Shopping-Erlebnis im physischen Store um die Annehmlichkeiten aus der digitalen Welt und schafft echte Mehrwerte. Der Konsument profitiert so von dem Besten aus Offline und Online.
Auf welchen Technologien basiert Ihre Lösung?
Zentral für uns ist die Retail Experience – oder besser gesagt: das ‚Erlebnis Einkaufen‘. Dafür wurden insgesamt drei innovative Technologien zu einer einheitlichen Demoumgebung verknüpft. Hierzu zählen BLEEP (auf Basis des Bluetooth Low Energy Standards) für Indoor-Tracking von Gegenständen und Standorten, 5D für die nahtlose Verbindung der diversen, in den Razorshop eingebundenen digitalen Endgeräte wie Smartphone, Tablet und Digital Signage Screens sowie Nexus Engine für die zentrale Übersicht über Kundeninformationen und -interaktionen über alle Touchpoints und Kanäle hinweg.
Was ist das Besondere an dieser Lösung?
Zum einen wurde der Großteil der verwendeten Komponenten, die als technische Basis dienen, im Hause Razorfish entwickelt. Zum anderen kann der Razorshop an jedes bestehende CMS-System angeschlossen werden. Auf diese Weise wird das Handling der im Store präsentierten Inhalte extrem komfortabel. Denn es ist möglich, den Razorshop über die gleiche Plattform wie beispielsweise die Unternehmenswebsite zu pflegen – Inhalte können damit gleichzeitig für Website und Store verwendet werden. Für die Marke entfallen dadurch die Anschaffung eines zusätzlichen Content Management Systems sowie Kosten und Aufwand für die Pflege einer weiteren Plattform.
Welche Vorteile sehen Sie für die Kunden?
Der Kunde wird hier auf einer äußerst individuellen Ebene angesprochen. Das heißt, er bekommt Angebote, die genau auf seine Vorlieben zugeschnitten sind. Auch von Seiten des Verkäufers: Dieser wird auf seinem Tablet über die Ankunft des Kunden im Store benachrichtigt, kann seine Shopping-Historie aufrufen und so im Beratungsgespräch mit gezielten Empfehlungen auf ihn eingehen. Zudem ist der Razorshop darauf ausgelegt, dem Kunden die Selbstbedienung zu erleichtern. So gibt es einen digitalen Screen, über den sich der Kunde darüber informieren kann, ob ein Produkt noch in der gewünschten Größe vorrätig ist. Oder es leuchten Regalfächer auf, um dem Kunden das gesuchte Produkt im Store anzuzeigen.
In welcher Form profitiert der Store-Betreiber davon?
Dank der vernetzten Technologien kann der Betreiber in Echtzeit verfolgen, was in seinem Store passiert. Das heißt, in welchem Bereich werden Produkte angefasst, anprobiert und gekauft. Oder auch nicht. Auf dieser Basis ist es ihm möglich, die Gestaltung der Einkaufsumgebung fortlaufend zu optimieren. Gerade im Hinblick auf das Innenarchitekturkonzept eines Stores zeichnet sich der Razorshop durch eine besonders hohe Flexibilität aus. Diese Lösung funktioniert unabhängig von der Menge und dem Format der verwendeten Hardware und kann so für jede Form von Verkaufsraum verwendet werden. Zudem eignet sich der Razorshop für alle Orte, an denen eine erweiterte Experience den Nutzer weiterbringt wie z.B. Messen, Bushaltestellen oder Bürgerbüros.
Lassen Sie uns ein kurzes Fazit formulieren …
Um den Kunden von heute zu begeistern und an eine Marke zu binden, ist die digitale Transformation des ‚Point of Sale‘ unerlässlich. Es gibt eine Fülle digitaler Technologien, die Einzelhandelsunternehmen dabei helfen können, ihren Verkaufsraum in eine innovative Retail Experience zu verwandeln. Entscheidend ist dabei jedoch, dass dabei der Mehrwert für den Kunden im Vordergrund steht. Eine Lösung, diese Herausforderung, in die Praxis umzusetzen, ist der Razorshop.
Sascha Martini, CEO Razorfish Deutschland. Razorfish ist die international führende Agentur für Digitale Transformation und ein Pionier für Marketing im digitalen Zeitalter. Wir helfen unseren Kunden dabei, neue Möglichkeiten zu erkennen, Veränderungen voranzutreiben und ihr Business zu transformieren.