Autorin – Heike Bathe, Geschäftsleitung, people text
Das Erstellen von Technischen Dokumentationen mit dokumentbasierten Werkzeugen ist mit so vielen Nachteilen behaftet, dass sich seit vielen Jahren der Einsatz professioneller XML-basierter Redaktionssysteme – auch für kleinere Unternehmen – bewährt hat. Professionell eingesetzt, tragen Redaktionssysteme dazu bei, dass Dokumentationen, besonders mit Übersetzungen in viele Sprachen, effizient und in time realisiert werden können. Außerdem bieten sie spezielle Funktionen an, die den reibungslosen Ablauf im Dokumentationsprozess unterstützen und sowohl Zeit sparen als auch Kosten reduzieren: Modularisierung von Inhalten, deren Wiederverwendung und ein Übersetzungsmanagement sind nur einige Beispiele.
Bei einer Umstellung muss beachtet werden, dass sich für Mitarbeiter nicht nur das Redaktionswerkzeug, sondern auch die Redaktionsprozesse von Grund auf ändern. Vor einer Einführung sollte daher eine genaue Betrachtung der Risiken stehen, die entstehen können. Die Ausgangsfrage lautet: Ist die Arbeitsweise in der Redaktion so routiniert, dass die Mitarbeiter rasch neue Prozesse annehmen und bereit sind, die neuen Funktionalitäten des Redaktionssystems anzuwenden, um die Vorteile auch auszuschöpfen? Wenn dies nicht der Fall ist, ist das Investitionsrisiko sehr hoch bzw. es sollten zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden.
Workflows und Redaktionsprozesse analysieren
Bei der Einführung eines Redaktionssystems sind verschiedene Szenarien zu unterscheiden. Szenario Eins beschreibt den Idealzustand: Die Redakteure sind bereits mit einer XML-Umgebung vertraut und an die Arbeitsweisen im Redaktionssystem gewöhnt. Modularisierung und Wiederverwendung beispielsweise werden bereits konsequent umgesetzt. Es bestehen keine Berührungsängste mit einem XML-Editor. Workflow-orientierte Arbeitsweisen sind im Unternehmen etabliert. Neue Workflows und Standards werden sofort angewandt und alle Beteiligten zeigen großen, konsequenten Einsatz für deren Einhaltung. Es gibt durchdachte Verfahren für die Einschätzung und Erfüllung von Kundenbedürfnissen. Bei diesem Szenario fällt meist sehr wenig Zusatzaufwand an.
Szenario Zwei beschreibt den noch als vorteilhaft anzusehenden Fall, dass einheitliche Prozesse und Standards im Unternehmen etabliert sind, jedoch nicht ganz konsequent umgesetzt und nicht mit großer Selbstverständlichkeit gelebt werden. Eine Analyse führt hier zu Schulungen oder Workshops, die über die Bedienung des Redaktionssystems hinaus notwendig sind. Die Redaktionen müssen lernen, dass die Einhaltung festgelegter Prozesse von großer Wichtigkeit ist, um das Investment in das Redaktionssystem auch zu rechtfertige
Im Szenario Drei gibt es keine Ansätze zur Vereinheitlichung im Workflow oder eine beständige Qualitätssicherung. Zeitdruck und sich ständig ändernde Anforderungen führen dazu, dass Bestrebungen in diese Richtung meist im Sande verlaufen. Aus diesem Grund ist dies das arbeitsintensivste Szenario. Mitarbeiter müssen nicht nur die Bedienung des Redaktionssystems erlernen, sondern sich auch sowohl an die XML-basierte Arbeitsweise mit Elementen gewöhnen als auch die neuen erlernten Funktionen umsetzen und verinnerlichen.
In dieser Arbeitsumgebung müssen auch die Vorgesetzten die Notwendigkeit für die Fortbildung der Mitarbeiter sehen und zulassen. Wenn in diesem Szenario aus Kostengründen an Fortbildungsmaßnahmen gespart werden soll, bietet sich als Konsequenz auch die grundsätzliche Überlegung an, auf den Einsatz eines XML-basierten Redaktionssystems zu verzichten und stattdessen mit einem einfacheren Werkzeug zu arbeiten.
Qualifizierungsbedarf ermitteln
Ausgehend von der Worst-Case-Annahme, dass die Redakteure ihre Arbeitsweise nicht umstellen können, somit auch die Funktionalitäten möglicherweise nicht komplett nutzen können oder wollen, erfolgt die Ermittlung des konkreten Qualifizierungsbedarfs unter der folgenden Fragestellung:
• Welche Kompetenzen fehlen den Redakteuren?
• Welche dieser fehlenden Qualifikationen stellen ein Risiko für die Einführung eines Redaktionssystems dar?
Im nächsten Schritt ist zu prüfen, welche Schulungen und Weiterbildungsmaßnahmen durchgeführt werden müssen. Wenn es in der Redaktion keine Wissensträger gibt, müssen andere Maßnahmen ergriffen werden, um das Defizit auszuräumen. Am Ende sollte mit entsprechenden Vorbereitungen das Ziel erreicht werden, dass die Mitarbeiter bei der Umstellung auf die neue Arbeitsweise mit einem Redaktionssystem vorbereitet sind.
XML-Workflows als neue Arbeitsroutine
Die wesentliche Veränderung in der Arbeitsweise der Redakteure besteht im Nutzen von XML-Elementen, im Arbeiten in Modulen und nicht in Kapiteln sowie in der Wiederverwendung nach dem Single-Source Prinzip. Die einzelnen Lernziele können wir folgt definiert werden:
XML-Struktur verwenden
Die Anpassung an den XML-Editor ist kein schwieriger Schritt, wenn es auch am Anfang ungewohnt erscheint, den Text in ein Element zu schreiben. Darüber hinaus bieten aber auch einige Redaktionssysteme einen Editor an, der vom Look and Feel wie MS Word wirkt, in Wahrheit aber komplett XML-basiert arbeitet.
Module anlegen
Im Redaktionssystem ist es üblich, kleinteilige Module möglichst durchdacht anzulegen. Verschiedene Modulvarianten beispielsweise reichen von einer einfachen Aufteilung der Inhalte in beschreibende Modultypen und Handlungsanweisungen bis hin zu einer tiefen Integration von Metadaten. Redakteure müssen diese Arbeitsweise lernen, um von den Funktionalitäten eines Redaktionssystems zu profitieren. Weiter müssen sie die Vorteile dieser Arbeitsweise verstehen, damit sie auch zukünftig Informationen und Inhalte in Module aufteilen. Der Einsatz kleinteiliger Module senkt die Übersetzungskosten, was für viele Unternehmen ein Grund ist, ein Redaktionssystem einzuführen.
Module wiederverwenden
Die Wiederverwendung der Module ist für die Redakteure die nächste neu zu lernende Funktion. Ein Modul liegt in der Datenbank und kann unverändert in vielen Produktinformationen oder Bedienungsanleitungen eingesetzt werden. Hier den Überblick zu behalten und tatsächlich bereits vorhandene Module wiederzuverwenden, das ist zunächst eine Herausforderung. Ziel muss es sein, die Arbeitsorganisation umzustellen und die Dokumentationserstellung vom Modul her zu organisieren, nicht vom Kapitel.
Fazit
Bei der Einführung eines professionellen XML-basierten Redaktionssystems ist vorab eine genaue Risikobetrachtung erforderlich, bei der die bisherigen Workflows und die Kompetenzen der Mitarbeiter eingehend analysiert werden. Der Aufwand für die Umstellung und die flankierenden Schulungsmaßnahmen kann anschließend anhand der ermittelten Qualifikationen festgelegt werden.
Handlungsbedarf besteht vor allem bei einer Redaktion mit wenig Wissen über die Arbeitsschritte in einem Redaktionssystem, gekoppelt mit dem Unwillen der Vorgesetzten, sich selbst und die Redakteure auf den notwendigen Wissensstand zu bringen. Wird in diesem Fall auf die erforderlichen begleitenden Maßnahmen verzichtet, besteht die Gefahr, dass die Projekteinführung versandet oder das Redaktionssystem nicht vollumfänglich eingesetzt wird, weil die Anforderungen an die Redakteure, die spezifischen Funktionen umzusetzen, zu hoch sind.
www.people-text.de
Heike Bathe, Geschäftsleitung von people text. people text ist ein Dienstleister für Technische Dokumentation mit Sitz in Frankfurt/Main und München. Zum Kerngeschäft des Unternehmens gehört die Dokumentationserstellung: Wir konzipieren, optimieren und schreiben Technische Dokumentation. Wir beraten unsere Kunden herstellerunabhängig bei der Auswahl und Umstellung auf ein Redaktionssystem sowie bei allen Themen der Dokumentationserstellung.