Interview mit Holger Stelz, Director Marketing & Business Development, Uniserv.
Kunden sind im Zuge der Digitalisierung des Alltags und dem Siegeszug des Mobile und Social Web von passiven Konsumenten zum aktiven Sprachrohr geworden – für sie sind Informationen zu jeder Zeit und an jedem Ort mittlerweile Standard. Das hat die Machtverhältnisse in den Märkten verschoben. Kunden wählen nicht nur bewusster und aufgeklärter zwischen alternativen Produkte und Dienstleistungen, sie bewerten und kritisieren diese auch. Zugleich wechseln sie heute schneller als früher Dienstleister und Produkte.
Die Herausforderung, insbesondere für kundenzentrierte Unternehmen, besteht primär darin, sich täglich aufs Neue die Loyalität ihrer Kunden zu verdienen – denn der Erfolg hängt mehr denn je von einer sorgfältig gepflegten Kundenbeziehung ab. Die gezielte Kundenansprache und -bindung sind deshalb Erfolgsfaktoren erster Güte. Damit diese gelingen, müssen Kundenstammdaten systematisch gemanagt werden.
Kundenzufriedenheit sichern mit Hilfe von CIM
Um die Affinität zu Unternehmen und Marke zu steigern, ist es wichtig, jeden Kontakt zum Kunden so zu gestalten, dass er positiv in Erinnerung bleibt – ein schwieriges Unterfangen. Denn Kunden erwarten, dass man umfassend über sie und ihre bisherigen Erfahrungen mit Produkten und Dienstleistungen informiert ist. Und um diese Ansprüche zu erfüllen, müssen Unternehmen demzufolge genau wissen, wer ihre Kunden sind. Experten sprechen hier von Customer Information Management (CIM). CIM bedeutet die Verwaltung aller Informationen und Daten von Kunden im Unternehmen und besteht aus den drei Kernbereichen Kundenstammdatenmanagement, Datenintegration und Datenqualitätsmanagement. Relevant sind nicht nur strukturierte, sondern insbesondere unstrukturierte Daten wie Formulare, Vereinbarungen, Verträge und Kommunikation via E-Mails und sozialen Netzwerken, die mittlerweile einen Anteil von über 80 Prozent ausmachen.
Unternehmen scheitern häufig daran, ihre Kundenstammdaten in allen Prozessen und in technisch sehr unterschiedlichen Gegebenheiten wie beispielsweise dezentralen Stammdatensystemen und heterogenen Systemlandschaften zentral zu verwalten. Dabei wirken sich Mängel im Datenbestand und beim Datenmanagement auf sämtliche Bereiche aus: Die Sales-Abteilung verpasst Gelegenheiten zum Cross- und Upselling, im Marketing wird unnötig Budget wegen falscher Zielgruppenansprache verbrannt und die Buchhaltung läuft Gefahr, Kunden falsch adressierte Rechnungen zu schicken.
„Golden Record“ – Kundenstammdaten zentral speichern und verwalten
Diese Situationen lassen sich durch einen einheitlichen und vollständigen Informationsstand vermeiden. In der Praxis sind daher ganzheitliche Lösungen gefordert, die Unternehmen einerseits technisch, andererseits prozessorientiert bei dieser Herausforderung unterstützen. Die Grundlage dafür liefert der sogenannte „Golden Record“, der einzig gültige, „allwissende“ Datensatz, der alle relevanten Informationen zu dem Kunden beinhaltet und zentriert abbildet. Der Golden Record umfasst zuverlässige, korrekte, qualitätsgesicherte und verfügbare Kundenstammdaten – und er speichert und kombiniert diese quasi als zentrales Register über alle Kanäle, Organisationsbereiche und Applikationen hinweg.
Bild: Datenquellen für den „Golden Record“
Technisch kann dieses Kundenstammdatenmanagement beispielsweise mit Smart Customer MDM gelöst werden. Diese Lösung verwaltet den Golden Record in einem zentralen Datenspeicher. Der übergeordnete Datensatz enthält dabei Links zu allen Stammdatensätzen aus verschiedenen Datenquellen, in denen Attribute aus dem Golden Record verwendet werden. So kann sichergestellt werden, dass Änderungen von Attributen in einer beliebigen Datenquelle in allen anderen verbundenen Quellen ebenfalls berücksichtigt werden. Die Daten bleiben dabei konsistent und brauchen weder physikalisch bewegt noch redundant gespeichert werden. Das Ergebnis ist eine Synchronisierung der Datensilos im Unternehmen. Über individuelle Regelwerke kann der Umgang mit dem Golden Record zudem automatisiert und der Datensatz bei Bedarf auch manuell bearbeitet und ergänzt werden.
Daten aus verschiedenen Quellen integrieren
Kundendaten bestehen aus vier unterschiedlichen Datentypen, die den Kunden beschreiben: Interaktionsdaten, beschreibende Daten, Verhaltensdaten und Kundencharakteristika. Dabei liegen diese relevanten Kundeninformationen oft in unterschiedlichen Datenquellen, Systemen und an verschiedenen Orten über das gesamte Unternehmen und alle Kundenkanäle hinweg verteilt vor. Auch bieten die sozialen Netzwerke neue Quellen, um insbesondere die beschreibenden Kundendaten und die Kundencharakteristika weiter anzureichern.
Um die Daten, die sich in unterschiedlichen Systemen befinden, überhaupt für den Golden Record nutzbar zu machen, müssen sie zunächst integriert werden. Bisher beschränkte sich die Kundendatenintegration dabei darauf, im Unternehmen vorhandene Daten zusammenzuführen und Adressdaten hinzuzukaufen und mit Attributen aus im Markt angebotenen demo-, sozio- und mikrogeographischen Daten anzureichern. Heute gilt es, Daten egal aus welcher Quelle aus ihren Silos herauszulösen und in ein einheitliches System, eine Art Master-System zu integrieren. Für diesen Zweck kommt in der Regel das ETL-Verfahren zum Einsatz. ETL steht für Extract (aus dem Quellsystem), Transform (in das Format des Zielsystems), Load (in das Zielsystem hinein).
„Soziale Profile“ mit internen Kundendaten abgleichen
Darüber hinaus können mithilfe von Customer Identity Resolution auch Kundendaten integriert werden, die über die unternehmensinternen Quellen hinausgehen. Dabei werden Datensätze, etwa aus sozialen Netzwerken, sicher und zuverlässig einem Kunden zugeordnet. Die Zuordnung der „Identitäten“ ist allerdings mehr als eine triviale Angelegenheit: Viele Nutzer ersetzen ihren Namen in Profilen mit einem Alias, sind anonym oder mit falschen Angaben im Netz unterwegs. Eine Kundin, die in der Kundendatenbank mit dem Namen Ruth-Hanna Friese eingetragen ist, könnte beispielsweise in einem sozialen Netz Ruth Anne Friese heißen oder als Friesen-Ruth aktiv sein. Ursachen für diese unterschiedlichen Profile – in der Praxis eher die Regel als eine Ausnahme – sind eine natürliche Variabilität wie im Beispiel von Frau Friese, aber auch unerwartete Schreib- oder Transkriptionsfehler sowie Spitznamen, Abkürzungen und Schreibweisen in unterschiedlichen Schriftsätzen (wie Arabisch, Chinesisch, Griechisch, Kyrillisch, Lateinisch etc.) oder sogar professionell erzeugte Lügen, die eine falsche Identität vortäuschen sollen. Noch schwieriger wird die Identifizierung, wenn der Kunde anonym auftritt.
Die Herausforderung besteht also darin, mit den Methoden und Technologien der Customer Identity Resolution ein „soziales Profil“ des Kunden aufzustellen und mit dem „Unternehmensprofil“ des Kunden abzugleichen. Auf dieser Basis erhalten Unternehmen dann ein präziseres Multikanal-Erscheinungsbild und können dadurch bessere Kundenmodelle zum Beispiel für Predictive Analytics aufbauen und die Geschäftsergebnisse optimieren.
Datenqualität über den gesamten Lebenszyklus sichern
Kundendaten unterliegen fortlaufend Veränderungen – und Unternehmen müssen dafür Sorge tragen, dass sie stets einheitlich, vollständig und aktuell sind. Die Datenqualität muss also von Anfang an und über den gesamten Lebenszyklus hinweg sichergestellt werden. Das Datenqualitätsmanagement beginnt dabei bei der Erfassung der Daten und endet erst mit deren Löschung – ein konsequentes Konzept, wie es Anbieter wie Uniserv im Rahmen des Data Managements speziell für die Domäne von Kundendaten anbieten.
Hier kommt der Regelkreisansatz („closed loop“) aus dem Total Quality Management zum Einsatz. Die Kundendaten werden bereits während der Datenerfassung mittels Datenqualitätsservices geprüft. Treten Fehler auf, die nicht automatisch beseitigt werden können, werden sie in einer Zwischenablage gespeichert und ein Bericht an die Eingabestelle geschickt, die sie dann korrigieren kann. Auf diese Weise werden Kundendaten ständig auf ihre Richtigkeit überprüft. Werden – über diese Prozesse hinaus – mit Hilfe eines Data Quality Dashboards in regelmäßigen Abständen Berichte verfasst, lässt sich die Performance dieses geschlossenen Regelkreises für das Datenqualitätsmanagement messen. Dadurch kann der Prozess ständig optimiert werden. Das Ergebnis ist eine nahezu konstante hohe Datenqualität.
„CIM – an der Umsetzung hapert es noch“
Customer Information Management ist eine zentrale „Schaltstelle“ bei der Generierung und Optimierung von Kundendaten. Holger Stelz, Director Marketing & Business Development, Uniserv GmbH, gibt in diesem Interview mit dem DOK.magazin eine Einschätzung zum Einsatz von CIM in deutschen Unternehmen.
Herr Stelz, wie weit ist CIM im Unternehmen?
Customer Information Management hat sich bei Unternehmen im deutschsprachigen Markt eine recht hohe Bedeutung verschafft. Allerdings erreicht CIM bisher nicht den Stellenwert, den das Thema Kundenorientierung in Unternehmen einnimmt. Kundenstammdaten effizient in allen Prozessen und Szenarien zu managen, kommt einem Bekenntnis gleich und erfordert entsprechend Budget und Ressourcen. Für ein erfolgreiches CIM brauchen Unternehmen Software-Unterstützung, viele haben jedoch noch keinen etablierten Prozess und betreiben CIM manuell. Das ist selten erfolgreich. Der Bedeutung von CIM sind sich viele Unternehmen bewusst, an der Umsetzung hapert es aber noch.
Warum ist CIM für Marketing und Vertrieb so bedeutend?
Ohne einheitliche, vollständige und aktuelle Kundendaten sind „Data-driven Marketing“-Initiativen zum Scheitern verurteilt bzw. verbrennen unnötig Geld. Auch bleibt der Vertrieb hinter seinen Möglichkeiten zurück. Im Bereich Neugeschäft kann er weder effektiv noch effizient arbeiten, denn es mangelt an qualifizierten Leads, für das Cross- und Up-Selling fehlt es ihm an Wissen über Bedürfnisse und andere aktuelle Informationen über den Kunden, auch wenn diese vielleicht an anderer Stelle im Unternehmen vorliegen.
Was sind die größten Treiber von CIM?
Die drei Top-Treiber von Customer Information Management sind die Steigerung der Kundenbindung und des Kundenwertes sowie das Schaffen einer 360°-Kundensicht.
Wer ist zuständig für das CIM?
Für das Informationsmanagement der Unternehmensdaten und/oder Daten aus Fachabteilungen gibt es bisher überwiegend unterschiedliche Verantwortliche, die meist in Fachabteilungen wie IT, Vertrieb & Marketing sitzen. Wir sehen hier einen neuen Trend, da Unternehmen anfangen, unter den Rahmenbedingungen der Information Governance sogenannte Data Stewards zu beschäftigen. Ihr Ziel ist es, den Fachabteilungen qualitative Daten, die leicht zugänglich sind, in der notwendigen Konsistenz zur Verfügung zu stellen. Sie sind auch dafür verantwortlich, die Information Governance kontinuierlich an der Unternehmensstrategie auszurichten. Data Scientists hingegen haben die Aufgabe, Big Data in „Big Value“ zu wandeln. Sie sind verantwortlich für die Methodologie von Big Data-Analytik sowie die Kommunikation von analytischen Resultaten gegenüber dem Vorstand und dem gesamten Unternehmen.
Herr Stelz, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!
Holger Stelz, Director Marketing & Business Development, Uniserv. Uniserv ist der größte spezialisierte Anbieter von Lösungen für das Data Management in Europa. Data Management vereint Datenqualitätssicherung und Datenintegration zu einem ganzheitlichen Ansatz. Kundendaten stehen dabei im Mittelpunkt von Initiativen für Master Data Management, Datenqualität, Datenmigration sowie Data Warehousing.