Thomas Kuckelkorn, Manager PR & Kommunikation, BCT Deutschland (links)
Math Huntjens, Manager Technology, BCT Deutschland
Informationen sind einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren und längst nicht mehr nur in klassischen Formaten wie Dokumenten, Bildern oder Tabellen enthalten. Denn jeder Gegenstand, jedes Gebäude kann als reales Objekt zur digitalen Informationsquelle werden. Wie das Softwareunternehmen BCT Deutschland mithilfe von IoT und eines Object Management Systems eine Brücke zwischen der realen und virtuellen Welt schafft, erklären Math Huntjens, Manager Technology, und Thomas Kuckelkorn, Manager PR & Kommunikation, im Interview mit DIGITUS. Dabei im Fokus: der öffentliche Sektor.
Herr Kuckelkorn, in Deutschland besitzen mittlerweile 54 Millionen Menschen ein Smartphone. Aber auch weitere technologische Fortschritte treiben den gesellschaftlichen Wandel voran. Welche neuen Werkzeuge geben Sie der digitalen Gesellschaft bzw. Arbeitswelt an die Hand?
Kuckelkorn: Dass so viele Menschen auf Smartphones und auch andere Mobile Devices setzen, ist vor allem deshalb begrüßenswert, weil es das Zeitalter des Digital Workplace einläutet, des Vernetzt-Seins – privat wie beruflich – und einfach den generellen Austausch von Informationen so einfach macht. Ob mit Audio-Gerät, Smartwatch oder dem Auto, alles lässt sich mit dem Smartphone oder Tablet verbinden. Internet of Things, kurz IoT, ist hier das Stichwort. Es steht für das webbasierte Netzwerk, das mittels entsprechender Technologien wie Sensorik geschaffen wird und den eigentlichen Datentransfer, ein Monitoring und folglich die Kommunikation der Objekte mit uns, aber auch untereinander ermöglicht.
Also steht eine stärkere Vernetzung auf der IT-Agenda?
Kuckelkorn: Das in jedem Fall, begünstigt eben dadurch, dass intelligente Objekte beliebter werden. Denn es agieren inzwischen nicht nur tragbare Geräte wie Smartphones dank IoT zunehmend selbstständig. Auch Alltagsgegenstände werden autonom: Kühlschränke erkennen vorhandene Nahrungsmittel, vergleichen sie mit Einkaufslisten und geben Empfehlungen für die günstigsten Angebote; Beleuchtungssysteme passen die Helligkeit im Haus der Tageszeit und dem Bedarf an. Die smarten Möglichkeiten sind unendlich und zielen in erster Linie darauf ab, den Alltag des Menschen zu erleichtern.
Huntjens: Durch diese Kommunikations- bzw. Interaktionsfähigkeit zwischen Nutzern und Systemen steigt der Austausch von Daten und Informationen natürlich erheblich. Und es zeigt: Informationen existieren längst losgelöst von strukturierten Quellen wie Dokumenten. Gleichzeitig gewinnt in Unternehmen, aber auch in Behörden, der vorhin angesprochene Digital Workplace als zentrale Informations- und Arbeitsplattform immer mehr an Bedeutung und umfasst natürlich mehr als nur die Möglichkeit, mit einem Smartphone unterwegs E-Mails abzurufen. Vielmehr geht es darum, ein Informationsmanagement einzurichten, das die Grenzen zwischen der realen und der virtuellen Welt überwindet und eine übergreifende Kommunikation über das Internet of Things ermöglicht. Daher haben wir ein Object Management System entwickelt, das als Teil unserer EIM-Technologie dafür sorgt, dass etwa im behördlichen Sektor diese beiden Welten stärker verknüpft sind, indem beliebig viele oder komplexe reale Objekte virtuell definiert, verwaltet und somit als digitale Informationsquellen genutzt werden.
Wie funktioniert dieses Object Management System?
Huntjens: Unser Object Management System, kurz OMS, ist ein vollständig autonomes, aber anbindungsfähiges System, das problemlos in die bestehende IT-Infrastruktur einer Behörde integriert werden kann. Die eigentliche Brücke zwischen realer und virtueller Welt schlagen wir, in dem zunächst physische Objekte mit einem Sensor ausgestattet werden. Diese kleinen Bauteile bilden die Basis der Vernetzung, denn sie können im Grunde in jedes Objekt eingebaut werden und machen es dadurch erst smart. Welche konkrete Sensorik dabei zum Einsatz kommt, spielt bei dem OMS übrigens dank Long-Range-Technik keine Rolle. Diese steht für ein energieeffizientes Kommunikationsprotokoll, das speziell für das IoT entwickelt wurde und drahtlos kleine Datenmengen sendet und empfängt.
Die über die Sensoren gemessenen Daten sind sowohl faktische Angaben zu den Eigenschaften des physischen Objekts – eine Tasse ist etwa ein zylinderförmiger, hohler Gegenstand mit Henkel – aber auch zu seinen Funktionen bzw. dem Verhalten. Eine Tasse kann also auch als füllbares Gefäß für verbrennungsfreies Trinken beschrieben werden. Die gesammelten Daten werden in ein Datacenter weitergeleitet. Hieraus liest das OMS schließlich die wesentlichen Informationen aus und definiert das physische Objekt als virtuelles Objekt. Über Open APIs lässt es sich in einem letzten Schritt mit einer Vielzahl dokument- und prozessverarbeitender Systeme verbinden, etwa mit einer ERP- oder CRM-Software.
Können Sie die Abläufe an konkreten Beispielen aus dem öffentlichen Bereich aufzeigen?
Kuckelkorn: Natürlich! Ich kann beispielweise als Basis-Option ein öffentliches Gebäude als virtuelles Objekt definieren und mit konkreten Informationen etwa in Form von Dokumenten verknüpfen. Ich lege im OMS also alles ab, was man über die Immobilie wissen muss. Das können Eigenschaften wie die Anschrift und Quadratmeterzahl sein, aber auch Informationen über den eigentlichen Verwendungszweck, dass das Gebäude etwa nicht leer steht, sondern – wie Mietverträge und schriftliche Sicherheitsmaßnahmen zeigen – als Geschäftslokal genutzt wird. Oder ich definiere einen Müllcontainer als virtuelles Objekt und hinterlege im System Hinweise zu ID, Standort, Größe, Baujahr, Hersteller und zum für die Leerung verantwortlichen Entsorgungsunternehmen.
Huntjens: Einen Schritt weiter geht man, indem man diesen Container mit konkreten Prozessen innerhalb der Gemeinde verknüpft: Er ist mit einem Sensor ausgestattet, der an das OMS die Meldung weitergibt ‚Container mit ID 123 ist voll‘. Das System erkennt den Container als definiertes, virtuelles Objekt und ist wiederum mit einem Case Management System oder einer anderen prozessverarbeitenden Lösung der Behörde verbunden, sodass hier die flexible Vorgangsbearbeitung im Back-Office gestartet wird: Es muss ein Entsorgungsunternehmen benachrichtigt werden, dieses schickt einen Müllwagen raus oder leitet die Information an ein Fahrzeug weiter, das schon unterwegs ist, um den Container abzuholen; dieser wird geleert und anschließend wieder zurückgestellt. Der Container meldet anschließend seinen Zustand ‚leer‘ wieder über das OMS weiter an das Case Management System, damit hier der Prozess abgeschlossen wird. Oder der Sensor informiert zum Beispiel, dass der Container beschädigt ist. Ist das OMS mit einem ERP-System verbunden, kann hier die Meldung des Objekts den Prozess auslösen, dass ein neuer Container benötigt wird.
Inwiefern ist das OMS weiter ausbaufähig?
Huntjens: Langfristig kann noch eine M2M-Technologie angeschlossen werden, also ein Kommunikationstool zwischen Maschine und Maschine. Dann kann sich der volle Container eigenständig beim Fuhrpark des Entsorgers melden, um geleert zu werden. Der zentrale Punkt bleibt aber, dass ein OMS eine semantische Kontextanalyse ermöglicht, um das Wissen über das Objekt zu vermehren. Oder anders ausgedrückt: Es sorgt dafür, dass ein bestimmtes Verhalten ausgelesen werden kann. Beispielsweise kann man aufgrund der gesammelten Daten erkennen, dass gerade an Karneval die Container mit der ID 123 und 456 besonders schnell voll sind. Daraus folgt, dass an diesen Tagen mehr Container aufgestellt werden müssen. Über die Kontextanalyse des OMS kann also wirtschaftlich nutzbares Wissen generiert und die angebundenen Prozesse dem Verhalten des intelligenten Objekts angepasst werden.
Lässt sich das OMS denn einfach in bestehende Verwaltungsstrukturen integrieren? Und wie sieht es in Punkto Sicherheit aus?
Huntjens: Klar, über die Open APIs ist eine Anbindung natürlich auch in deutschen Gemeinden problemlos möglich. Das OMS ist im Grunde eine separate Softwarekomponente innerhalb der bestehenden IT-Infrastruktur, mit der schneller auf die Anfragen der Objekte reagiert werden kann. Denn – das ist der wichtige Aspekt unserer Entwicklung – Objekte sollen so intelligent sein wie Bürger und Unternehmen: Menschen können ihre Anfragen über die unterschiedlichsten Kanäle online wie offline an Behörden richten, sodass Bürger, Unternehmen oder andere Behörden als sogenannte Melder auftreten. Wir ermöglichen aber, dass auch Objekte der Gemeinde zu derartigen Meldern werden.
Kuckelkorn: Außerdem erleichtert das System die Integration in bestehende Verwaltungsstrukturen, da eine benutzerfreundliche Bedienung und übersichtliche Nutzeroberfläche geboten wird – wahlweise in Form einer Website, eines Portals oder einer App. Außerdem kann das OMS flexibel den jeweiligen Bedürfnissen und Anforderungen angepasst werden, denn zusätzlich zu Prozessen und Dokumenten können die definierten Objekte auch mit Meeting-Agenden oder einzelnen Terminen verbunden werden.
Für Sicherheit sorgt bei der Nutzung unseres cloudbasierten OMS eine Zugriffsbeschränkung mittels Identity Access Management: Jedes definierte Objekt kann nur von autorisierten Mitarbeitern eingesehen werden, die sich etwa über Zugangsdaten entsprechend identifizieren müssen. Bei der Entwicklung der Technologie selbst achten wir natürlich auf die Einhaltung spezifischer Sicherheitsmaßnahmen – nach den Methoden „Security by Design“ und „Privacy by Design“.
Gibt es bereits Gemeinden, die Ihr OMS nutzen?
Hutjens: Im Live-Betrieb ist unsere Lösung noch nicht. Wir suchen aber bereits Partner, die unser OMS nutzen wollen, um ihre eigenen Systeme zu ergänzen. Partner könnten beispielsweise andere ECM-Anbieter sein, die ihre eigenen Lösungen oder das gesamte Portfolio ergänzen möchten, aber auch ERP-Anbieter. Diese können dann etwa die Prozessautomatisierung weiter ausbauen und ihre Software für die Kommunikation mit Personen – aber vor allem für intelligente Objekte erweitern.
Kuckelkorn: Aus unseren Erfahrungen können wir sagen, dass der Aufbau einer smarten Verwaltung in den Niederlanden schon deutlich fortgeschrittener ist. Unsere Prognose ist aber, dass auch in Deutschland die Digitalisierung der Behörden – extern wie intern – aufgrund der vielen Vorteile voranschreitet.
Welche weiteren Perspektiven gibt es noch aus Ihrer Sicht?
Kuckelkorn: Die smarte Vernetzung innerhalb der Städte wird stärker in den Fokus rücken. Die jahrzehntelangen Erfahrungen bei der Umsetzung digitaler Bürgerservices in den Niederlanden und in Belgien waren daher beispielsweise der Grund, warum wir im März in strategischer Partnerschaft mit Cross Media Production Germany und der Gesellschaft für kommunalen Einkauf die CMP International AG (CMPI) gründeten. Gemeinsam bieten wir Städten einen lokalen digitalen Marktplatz, der Bürger, Unternehmen, Organisationen und Behörden als Social Community miteinander verbindet. Konkret entwickelt CMPI dafür eine webbasierte Informations-, Kommunikations- und Handelsplattform für Produkte und Dienstleistungen, die in Deutschland erstmals in der Stadt Moers eingesetzt wird. Nehmen wir das OMS als Teil dieser Plattform hinzu, werden langfristig auch Objekte Teil der Social Community.
Herr Kuckelkorn, Herr Huntjens, wir danken Ihnen für dieses detailreiche Interview.
Durch das OMS werden Objekte zu autonomen Meldern bei öffentlichen Verwaltungen und Behörden
Wissen und Informationen im Unternehmen jederzeit verfügbar haben und optimal nutzen – dafür stehen die branchenübergreifenden Softwarelösungen von BCT Deutschland. Mit seinen komponentenbasierten und modularen Produkten im Bereich Enterprise Information Management unterstützt BCT Softwareanbieter, IT-Dienstleister, Cloud-Service-Provider und andere Unternehmen dabei, ihr vorhandenes Produkt- und Dienstleistungsportfolio zu erweitern. BCT wurde 1985 in den Niederlanden gegründet; unter der Leitung von Geschäftsführer Jos Bischoff ist das Unternehmen als BCT Deutschland seit 2010 in Aachen vertreten.