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Stefan Welcker ist Regional Director DACH und CEE, Lutz Varchmin Director Direct Sales DACH/CEE, beide Perceptive Software
Eigentlich ist alles vorbereitet für die „Digitale Behörde“: Das E-Government-Gesetz (EGovG) ist bald ein Jahr in Kraft und regelt den Umgang mit elektronischen Akten und Prozessen. Das „Organisationskonzept elektronische Verwaltungsarbeit“ [1] beschreibt, wie beim Digitalisieren von Enterprise-Content- und Prozess-Management vorzugehen ist. Und die erforderlichen IT-Lösungen werden in vielen Ministerien, Behörden und Ämtern bereits benutzt.
Trotzdem kommt die digital gestützte Arbeit in deutschen Behörden nicht richtig voran: E-Government-Dienstleistungen wurden 2013 nicht häufiger genutzt als noch 2009 [2], im Service-Portfolio klaffen noch immer große Lücken. Die Digitalisierung interner Verwaltungsabläufe ist noch nicht soweit fortgeschritten, wie sie es sein könnte; die behörden-übergreifende Prozesskette steht nach wie vor am Anfang. Ein Grund hierfür ist die Abhängigkeit deutscher Behörden von Papier: Deutsche Verwaltungsbeamte arbeiten nach wie vor mit Millionen von Akten [3].
Doppelstrategie für digitale und papiergebundene Prozesse
Die Masse unstrukturierter papiergebundener Informationen macht jedes Digitalisierungsprojekt zu einer Herausforderung – und umsichtige Behörden stellen sich dieser mit einer Doppelstrategie, die papierlose und papiergebundene Prozesse gleichermaßen berücksichtigt. Fehlt eine solche Strategie, kommt es schnell zu Beispielen wie diesem: Eine Behörde digitalisiert „punktuell“ und beschafft eine IT-Lösung für einen elektronischen Posteingang. Diese liest eingescannte Papierunterlagen aus, wandelt deren Inhalte automatisch in strukturierte Informationen und übergibt sie an ein ebenfalls neu implementiertes ECM-System. Beide Anwendungen werden zwar miteinander verknüpft, aber nicht mit den anderen IT-Systemen der Organisation. Zudem unterbleibt eine Digitalisierung anderer Prozesse und Workflows – etwa in den Fachverfahren.
Dieses Set-Up senkt den Verwaltungsaufwand kaum, denn Verwaltungsmitarbeiter müssen Informationen immer wieder händisch weiterleiten, in andere Systeme übertragen oder sogar ausdrucken, um sie bearbeiten zu können. So gehen die „vorne“ im Postraum erreichten Vorteile in den „hinten“ nachgelagerten Prozessen verloren.
Wer Derartiges vermeiden will, braucht neben der bereits erwähnten Doppelstrategie ein umfassendes Digitalisierungskonzept. Richtlinie hierfür ist das „Organisationskonzept elektronische Verwaltungsarbeit“, ein Leitfaden des Innenministeriums. Demnach wird bei einer Voruntersuchung geprüft, wie die Digitalisierung der jeweiligen Verwaltung erfolgen kann und sollte. Anschließend entstehen Strategie und Konzept einschließlich Wirtschaftlichkeitsbetrachtung. In der Hauptuntersuchung werden dann die IST-Prozesse der Behörde untersucht und entsprechende SOLL-Pendants definiert. Anschließend werden zu nutzende Verfahren und Technologien benannt, deren Einsatz dann per Pilotprojekt validiert [4] wird (siehe Bild 1).
Bild 1: Vorgehensweise für Strategieentwicklung, Konzeption und Evaluation
Schritt 1: Schriftgutverwaltung und Fachverfahrensprozesse digitalisieren
In der Praxis hat es sich bewährt, zunächst Schriftgutverwaltung und Fachverfahrensprozesse zu digitalisieren, um dann zum Geschäftsprozessmanagement und der Optimierung von Abläufen überzugehen. Für die Digitalisierung von Schriftverkehr und Vorgangsbearbeitung empfiehlt sich der Einsatz umfassender „Smart-Enterprise“- oder ECM-Lösungen. Diese unterstützen die rechtssichere Digitalisierung und Automation des gesamten Inhalte-Lebenszyklus mit den Teilabschnitten Aufnehmen, Digitalisieren und Auslesen („Capture“), Erstellen und Bearbeiten von Inhalten, Ablage und Archivieren, Suchen, Finden und Bereitstellen von Dateien oder Dokumenten sowie Vernichtung.
Zeitgemäße ECM-Anwendungen unterstützen dabei beispielsweise „Intelligent Capture“, eine Art der Informationserfassung, bei der unstrukturierte Informationen nicht nur ausgelesen werden, sondern auch gleich validiert. So kann die Anwendung einen gescannten oder fotografierten Antrag nicht nur als solchen erkennen, sondern auch eine Warnung ausgeben, wenn er nicht unterschrieben oder falsch datiert sein sollte. Leistungsfähige Lösungen kommen dabei ohne Vorlagen aus und erkennen selbst teil- oder unstrukturierte Unterlagen automatisch.
Weitere Features sind automatisches Routing, das heißt die automatische Weitergabe digitalisierter Informationen an die richtige nachgelagerte Dienststelle oder Anwendung, Unterstützung bei der Dokumentenerstellung und -Bearbeitung (z.B. mit automatischer Validierung von Format und Inhalten), Records- bzw. Aktenmanagement sowie behördenweite Suche.
Beim Implementieren der Lösungen kann die Reihenfolge eine Rolle spielen: IT-Systeme, die den Postausgang zentralisieren und bündeln und – wo möglich – digitalisieren, sollten als erstes in Betrieb genommen werden, da sie sich ohne große Auswirkungen auf vorgelagerte Workflows implementieren lassen. Werden zuerst Anwendungen für die Fachvorgänge installiert oder der Posteingang digitalisiert, kann das die Kosten für die Schriftgutverwaltung vorübergehend erhöhen (siehe Bild 2).
Bild 2: Digitalisierungs-Szenarien und Einsparungen (Schätzwerte) [5]
Schritt 2: Geschäftsprozessmanagement und Optimierung
Sind die Prozesse digitalisiert, steht einer weiteren Optimierung der Workflows nichts mehr im Wege. Mit Hilfe moderner Prozessunterstützungs-Software werden Prozesslandschaften weitgehend automatisch untersucht und beschrieben und das Modellieren besserer Abläufe unterstützt. Einige Process-Management-Anwendungen bieten dafür Features zum „Case-Management“: Damit können Verwaltungsfachleute nicht nur bestehende Workflows optimieren, sondern auch ad hoc ganz neue generieren und in die bestehende Prozesslandschaft eingliedern.
Mit der Mobile-Capture-App von Perceptive Software können Nutzer darüber hinaus beispielsweise Workflows per Drag-and-Drop-Menü erstellen: So lassen sich teilautomatisierte Erfassungsabläufe für bisher nicht vorgedachte Anträge, Vorfalls- und Schadensmeldungen oder Beanstandungen „zusammenschieben“, sobald diese benötigt werden – ganz einfach durch das Hinzufügen von GPS-Positionen, Barcode-Lesern, Auswahlfragen oder Texteingaben. Die Software prüft die so gewonnenen Daten auf Unstimmigkeiten, bevor sie diese kategorisiert und zur weiteren Bearbeitung weiterleitet.
Konsolidieren von Legacy-Systemen
Behörden, die schon ECM-Systeme im Einsatz haben und sich schwer tun, den beschriebenen Prozess „ex-post“ nachzuvollziehen, müssen sich nicht gleich von der Idee durchgehend digitalisierter Prozesse verabschieden: Neue Konsolidierungs- und Integrationsdienste ermöglichen es, die Inhalte und Akten aus verschiedenen „IT-Silos“ zusammenzuführen und für behördenweite Bearbeitungs- und Suchsysteme verfügbar zu machen.
Fazit
Die Digitalisierung deutscher Behörden mag im Einzelnen noch nicht sehr weit vorangeschritten sein. Doch wenn Projekte im Zuge einer umfassenden Strategie für papierlose und papiergebundene Prozesse umgesetzt, gut konzipiert und unter Nutzung zeitgemäßer Technologien implementiert werden, sollten die Organisationen ihre Ziele sicher erreichen können.
Literaturangaben:
[1] Bundesministerium des Innern (Hrsg.): Organisationskonzept elektronische Verwaltungsarbeit. Berlin, 2012. (www.verwaltung-innovativ.de/DE/E_Government/orgkonzept_everwaltung/orgkonzept_everwaltung_node.html)
[2] Klostermeier, Johannes: „E-Government-Nutzung stagniert seit Jahren“, in: CIO.de. München und Berlin, 27. Juni 2014. (www.cio.de/public-ict/2961202/index.html)
[3] Zink, W. und Strach, J.: ECM/DMS im öffentlichen Sektor (Whitepaper von strategy & (ehem. booz&company)). Berlin, Frankfurt, München, 2013, S. 1. (www.strategyand.pwc.com/global/home/what-we-think/reports-white-papers/article-display/ecm-dms-oeffentlichen-sektor)
[4] Bundesministerium des Innern (Hrsg.): Organisationskonzept elektronische Verwaltungsarbeit, Band 1: Leitfaden für verantwortliche Führungskräfte. Berlin, 2012, S. 12. (www.verwaltung-innovativ.de/SharedDocs/Publikationen/Organisation/leitfaden_fuer_verantwortliche_fuehrungskraefte.pdf?__blob=publicationFile&v=1)
[5] Vgl. hierzu z.B. den Projektbericht zur Digitalisierung der Schriftgutverwaltung in der Kreisverwaltung Soest: Deutsche Post (Hrsg.): „‚Intelligent verknüpfen’- digitales Schriftgutmanagement im Kreis Soest“, in: 360 Grad. Bonn, Mai 2008. (Projektpräsentation online unter (www.deutschepost.de/de/f/footer/impressum.html)
www.perceptivesoftware.de
www.saperion.com
Stefan Welcker ist Regional Director DACH und CEE, Lutz Varchmin Director Direct Sales DACH/CEE bei Perceptive Software. Perceptive Software ist ein weltweit tätiger Anbieter für Document-Imaging, Dokumentenmanagement, Workflow, Enterprise-Content-Management aus den USA. Das Unternehmen ist Teil des LEXMARK-Konzerns. Dieser hat im Jahr 2013 das deutsche ECM- und BPM-Software-Unternehmen SAPERION AG gekauft und in die Deutschland-Gesellschaft von Perceptive Software (Perceptive Software Deutschland GmbH) integriert.