Die Ergebnisse der SharePoint-Anwenderstudie 2016/Teil 2
Silvia Hänig, iKOM Kommunikationsberatung
Aufgrund der großen Funktionsvielfalt, der ebenso hohen Marktdurchdringung sowie der Anwendungsbreite von SharePoint nahm die Hochschule der Medien Ende 2015 die aktuellen Einsatzszenarien der Kollaborationsplattform genauer unter die Lupe [1].
Neben den Erkenntnissen zum SharePoint-Einsatz ging es den Studienverfassern Prof. Dr. Arno Hitzges und Prof. Dr. Thorsten Riemke-Gurzki auch um Antworten auf die Fragen, ob sich die Einsatzszenarien bei den Anwendern mit der aktuellen Microsoft-Strategie „Cloud first, Mobile first“ decken, wo es Zielkonflikte gibt und wie diese Entwicklung künftig die Angebote der Microsoft Partner beeinflussen wird. Nach einem ersten Bericht (DOK.magazin 2/2016) nachfolgend eine Übersicht über weitere zentrale Aussagen der Studie – mit zusätzlichen Kommentaren der SharePoint-Experten Roland Klein (IPI GmbH), Silvio Kleesattel (Beck et al. Services) und Peter Wohlfarth (Theobald Software).
Intranet im Fokus
Obwohl sich SharePoint – insgesamt betrachtet – durch vielfältige Anwendungsgebiete auszeichnet, sticht doch ein Bereich deutlich hervor: Mit 88 Prozent hat sich die Plattform als Mitarbeiterportal in deutschen Unternehmen klar etabliert. Auf dieser Basis werden Aufgaben wie das Management von Dokumenten und Dateien (85 Prozent) sowie Wissensmanagement (57 Prozent) und Contentmanagement (53 Prozent) bearbeitet.
Roland Klein, Managing Director beim Microsoft-Partner IPI GmbH, www.ipi-gmbh.de
„Unsere Kunden berichten uns häufig, dass über SharePoint als Intranet am besten eine enge Integration weit verbreiteter MS Office Produkte möglich ist. Zudem bietet die Software umfassende Möglichkeiten, Oberfläche und Funktionen an spezifischen Unternehmensbedarf anzupassen. Das ist aus meiner Sicht, der zentrale Vorteil: Man muss nur eine einzige Infrastruktur aufbauen und verwalten, hat damit aber eine Vielzahl an Werkzeugen zur Verfügung.“
Kollaborative Werkzeuge noch wenig akzeptiert
Doch von Zufriedenheit auf ganzer Linie noch keine Spur: Zwar bezeugen 80 Prozent der Befragten, sie kämen sehr gut mit den Teamsites sowie dem Management ihrer Dokumente über SharePoint zurecht. Geht es aber um die fachübergreifende Akzeptanz von Workflows (12 Prozent), Community-Sites (9 Prozent) oder One-Drive (10 Prozent), müssen die Anwender erst noch überzeugt werden. Mit diesen Funktionen sind sie eher unzufrieden. Noch unwohler fühlen sie sich, wenn sie mit modernen Web-2.0-Anwendungen wie Wikis, Blogs, Newsfeeds oder Diskussionsforen arbeiten sollen.
Roland Klein
„Wichtig ist für den Nutzer heute, dass alle für ihn relevanten Informationen auf einer Dashboard-Seite im Überblick dargestellt werden. Beim Thema Wissensmanagement bietet SharePoint den Vorteil, dass mit Hilfe einer einheitlichen Verschlagwortung sich alle Informationen, egal ob sie als Dokument, Blog-Post oder Wiki-Artikel vorliegen, entsprechenden Themen zuordnen lassen, die man über die Such-Technologie elegant auf einer Webseite zusammenführen kann. Da ist es von Vorteil, dass alle SharePoint-Werkzeuge nach dem gleichen Prinzip funktionieren.“
Cloud-Business steht erst am Anfang
Ein weiteres zentrales Ergebnis der Studie, das klare Rückschlüsse auf die gelebte IT-Kultur zulässt, ist der wahrgenommene Nutzen von SharePoint aus der Cloud. 65 Prozent der Befragten wollen nach wie vor ihren Server weiter im eigenen Rechenzentrum betreiben. 17 Prozent fahren bereits den hybriden Ansatz und erst weitere 17 Prozent wagen sich Richtung Public Cloud vor. Diese Ergebnisse beziehen sich auf den Zugriff auf Microsoft Office 365 ebenso wie das Hosting über einen Dienstleister.
Silvio Kleesattel, CTO beim Microsoft-Partner Beck et all.Services, www.bea-services.de
„Zwar ist das die aktuelle Anwender-Realität in Deutschland, im Rest der Welt sieht es allerdings schon anders aus. Weltweit betrachtet, setzen heute schon 80 Prozent Cloud im geschäftlichen Umfeld ein. Generell beobachten wir: Es gibt keinen „All-in“-Ansatz in die Cloud, und das trotz einer weniger angespannten Datenschutzdebatte. Fakt ist, die Unternehmen wollen einfach ihre kritischen Daten nicht in die Cloud geben. Allerdings hat Microsoft darauf bereits mit einem Shift in seiner Produktstrategie reagiert und bringt gerade diverse Add-ons zu Serverprodukten heraus, um die lokale Softwarelösungen erweitert werden können, die aber – ohne jegliche Datenmigration – nur aus der Cloud beziehbar sind. Beispiele: Analytics, BI Dashboards oder dynamische Graphs.“
Geringe Investitionsbereitschaft für weiteres Lizenzgeschäft
Das Gros der Anwender (70 Prozent) will nicht weiter in den Zukauf von SharePoint-Lizenzen investieren. Doch wird dieses Budget nicht für Cloud-Investments frei: Ganze 53 Prozent beabsichtigen, kein Geld in den Cloud-Betrieb zu investieren.
Silvio Kleesattel
„Man weiß, dass ein hoher Anteil der SharePoint-Lizenzen heute „Shelfware“ ist, also gekaufte Lizenzen, die aber vom Anwender nicht genutzt werden. Zudem lässt sich an den Ergebnissen klar ablesen, wie Anwender künftig mit Technik umgehen werden: Nicht mehr die Anzahl lizensierter Anwender spielt eine Rolle, sondern die Qualität und Wirksamkeit der bezogenen Funktionen aus der Cloud. Heute wird die Technik im Zusammenspiel mit dem Business bezogen und das fragt sich: Wieso sollte unser Marketing-Team mit 200 Mitarbeitern weltweit, für mehr als die 200 genutzten Seats zahlen?
Defizite bei der Usability
Nach wie vor einer der größten erfolgshemmenden Faktoren beim Einsatz von SharePoint ist dessen wahrgenommene Usability. Immerhin 40 Prozent der Entscheider gaben an, sie seien von der Benutzerfreundlichkeit der Software noch nicht überzeugt. Bei der Einführung von Social Collaboration sieht es noch schlechter aus: Nur 30 Prozent nutzen die entsprechenden Funktionen und 54 Prozent lehnen diese vernetzte Arbeitsbasis aufgrund eines nicht erkennbaren geschäftlichen Nutzens strikt ab.
Roland Klein
„Hier zeigt sich, dass die große Funktionsvielfalt von SharePoint gleichzeitig das größte Manko sein kann. Das fördern die Aussagen zur Usability klar zutage. Zahlreiche Konfigurations- und Einstellungsmöglichkeiten schaffen zwar einerseits die Voraussetzung für das Anpassen zahlreicher Anwendungsfälle. Gleichzeitig überfordern sie die Nutzer. Genau das ist der größte Knackpunkt für die Akzeptanz der Usability. Denn wer seine Mitarbeiter bei der Arbeit über SharePoint allein lässt oder nur mit einer kleinen Einführungsschulung begleitet, wird mit Ablehnung der Technologie gestraft. Oft wird übersehen, dass die Anwender selbst keine Usability-Experten sind, die ohne jegliche Unterstützung mit der Oberfläche klarkommen. Der Schlüssel für eine verbesserte Usability besteht aus unserer Sicht darin, die Funktionsvielfalt zu reduzieren, und nur das bereitzustellen, was auch wirklich gebraucht wird. An Design- und Programmanpassungen kommt man da meist nicht vorbei.“
Standard versus Anpassungen: Ohne Änderungen geht es nicht
Daher geben sich laut Studie auch die wenigsten Entscheider mit dem Erscheinungsbild von SharePoint im reinen Auslieferungszustand zufrieden. Nur 14 Prozent setzen ihn out-of-the-box ein, 60 Prozent nehmen optische Anpassungen des Portaldesigns vor und 28 Prozent legen sogar Hand bei sehr umfangreichen Veränderungen in der Site-Struktur an. Risiko für Updatefähigkeit inklusive.
Neben einer möglichst individuellen Gestaltung der Site-Struktur spielt für eine gute Usability allerdings auch die Integrationsfähigkeit in Drittsysteme eine wesentliche Rolle. Mehr als 40 Prozent integrieren Projektmanagement-Software (36 Prozent), SAP/ERP-Systeme (27 Prozent) und wollen dies in Zukunft sogar intensivieren. Ein wichtiges Thema in punkto Benutzerfreundlichkeit, denn wer möchte schon dauernd zwischen den Systemen hin und her springen, geschweige denn, sich für jedes System separate Log-ins merken?
Peter Wohlfarth, Prokurist beim Microsoft-Partner Theobald Software, www.theobald-software.com/de
„Man möchte aus der SharePoint-Umgebung heraus schnell und einfach auf Daten, z.B. aus einem SAP ERP-System, zugreifen, um effizient an gemeinsamen Projekten zu arbeiten. Dafür liefert SharePoint zwar die ideale kollaborative Basis, die zentrale Frage ist aber: Wird sie demzufolge auch als zentrale Plattform für die gesamte IT-Strategie betrachtet – wo über Anpassungen, Update-Mechanismen, Workflow- und Prozessveränderungen oder Wirtschaftlichkeit im Zusammenspiel mit SAP-Systemen entschieden wird? Gerade wenn die Budgets eher dafür aufgewendet werden sollen, in erster Linie Anpassungen innerhalb von SharePoint vorzunehmen, sollte frühzeitig über eine Integrations- und Schnittstellenplanung nachgedacht werden. Das erspart teure Anpassungen in Drittsysteme im Nachgang, denn SharePoint im Standard unterstützt viele Drittsysteme gar nicht.“
Anwender zählen auf externe Partner
Geht es um den technischen Support bei SharePoint, sehen 55 Prozent der Befragten auch ihre Dienstleister in der Pflicht. 75 Prozent möchten dafür am liebsten ihre Zusammenarbeit mit kompetenten IT-Beratungshäusern intensivieren, da sie wissen, wieviel Aufwand allein in Anpassungen und technischer Betreuung steckt. Zudem haben sie intern oft Ressourcenengpässe.
Silvio Kleesattel, CTO beim Microsoft-Partner Beck et all.Services, www.bea-services.de
„Viele Microsoft-Partner speisen ihren Umsatz noch aus Lizenzverkäufen sowie der rein technischen Implementierung oder diversen Anpassungen und Upgrades. Das mag für die nächsten zwei bis drei Jahre noch funktionieren, ist aber auf lange Sicht kein zukunftsfähiges Geschäft mehr. Fix und fertig einsatzfähige IT-Produkte stehen aus der Cloud zur Verfügung und lassen Wartung, Anpassung und sonstigen Support langsam obsolet werden. Der Beratungsbedarf, den sich die Anwender in diesem Punkt wünschen, muss weg vom rein technischen Support hin zu einer technisch-organisatorisch geprägten Beratung gehen.“
SharePoint als technischer Treiber für die Digitale Transformation
Abschließend wollten die Studienverfasser von den Anwenderunternehmen noch wissen, welche strategischen Ziele sie mit dem Einsatz von SharePoint verfolgen. Wenig überraschend war dabei das Ergebnis, dass die Mehrheit (88 Prozent) eher funktionale Ziele wie Verbesserung der Dokumentenablage sowie der Projekträume ansteuert. Wenig erwartet war allerdings die Aussage von 39 Prozent, die SharePoint als Vernetzungsgrundlage für ihre digitale Transformation betrachten.
Roland Klein
„Dieses Ergebnis überrascht mich nicht. SharePoint als zentraler technischer Hub für den Einstieg in die digitale Welt? Das liegt vor allem daran, dass es diese Vielzahl an Informationsarten und Funktionen gibt, die auf einer Oberfläche zusammengebracht werden können. Wenn die Anwender allerdings diesen Weg einschlagen, muss Microsoft in punkto Social Networking – übrigens auch bei Office 365 – nachbessern. Das gehört zur Grundfunktionalität einer modernen Plattform. Mittels Activity Streaming wird auf dieser Basis die Interaktivität des Nutzers unterstützt, was aus unserer Sicht der künftige Mittelpunkt aller kollaborativen Nutzungsaktivitäten sein wird.“
Eine zusätzliche Übersicht über wesentliche Umfrageergebnisse der Studie sehen Sie in den Grafiken am Schluß:
Silvia Hänig ist Teilnehmerin der Session
SMART TRANSFORMATION
Mi., 5.10. ab 16.00, Forumbühne
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www.i-kom.org
Silvia Hänig, iKOM Kommunikationsberatung, lenkt die kommunikativen Geschicke rund um die Vermarktung der SharePoint Anwenderstudie 2016. Sie verfügt über mehr als 15 Jahre internationale und nationale Erfahrung im Kommunikations-Management bei digitalen Innovationsführern. Ihr Beratungsfokus liegt darauf, Unternehmen auf dem Weg des digitalen Wandels kommunikativ zu begleiten.
Quelle
[1] Dafür wurden im Zeitraum zwischen Dezember 2015 und Januar 2016 über 300 Fachentscheider aus den Bereichen IT, Intranet, Marketing und Geschäftsleitung befragt. Aus dieser Grundgesamtheit an Teilnehmern stammen allein 40 Prozent aus der Industrie, der restliche Anteil entfällt auf unterschiedliche Branchen wie Verkehr, Logistik, Handwerk und Handel. Befragt wurden zudem Anwenderunternehmen mit unterschiedlichen Unternehmensgrößen.
Hier die informativsten Grafiken der Studie: