Schon mal über Ihre Beziehungen nachgedacht?

Autor – David Ender, Geschäftsführer, Right Point IT GmbH

Im B2B-Vertrieb sind mit zunehmender Komplexität des Vertriebsprozesses nicht mehr allein das Produkt oder die Dienstleistung entscheidend. Selbst in der Entscheidungsphase müssen sich Anbieter gegen zwei bis drei Wettbewerber mit vergleichbaren Angeboten durchsetzen, sind doch die Unterschiede der Produkte bzw. Dienstleistungen bezüglich Qualität und Leistung aus Interessentensicht oft nur noch marginal.

Damit stellt sich die Frage, wie sich Unternehmen erfolgreich behaupten können, wenn sie sich auf fachlicher Ebene kaum noch vom Wettbewerb differenzieren können. Schließlich ist auch der Preis eher zweitrangig und bietet als Wettbewerbsabgrenzung keinen Vorteil. Die Situation verschärft sich zusätzlich durch langwierige, komplexe Auswahlprozesse. Lange Akquisezyklen mit hohem Ressourceneinsatz und damit verbundene höhere Kosten und sinkende Margen pro Akquise sind die Folge.

Was führt zu einer erfolgreichen Akquise?

Um diese Frage zu beantworten, hilft ein Blick auf den Vertriebsprozess aus Sicht des Interessenten, der eine bestimmte Lösung für seine aktuellen oder zukünftigen Herausforderungen benötigt. Im ersten Schritt wird dieser evaluieren, welche Produkte bzw. Anbieter es gibt. Da mittlerweile das Internet als primäre Informationsquelle genutzt wird, findet zu diesem Zeitpunkt noch kein direkter Kontakt mit den einzelnen Anbietern statt. Erst im Anschluss erfolgen dann eine Vorauswahl und die ersten Anfragen, bei denen auch Angebote zu Vergleichszwecken eingeholt werden. Einige Anbieter werden dann für konkretere Informationen oder zur Vereinbarung eines Präsentationstermins kontaktiert. Liegen alle Daten vor, steigt der Interessent mit wenigen qualifizierten Anbietern in die Angebotsphase ein. Hier finden meist intensive Verhandlungen statt, die dann in eine Entscheidung münden.

Warum erhält nun ein Anbieter den Zuschlag ‒ und ein anderer nicht? Die Entscheidung ist von außen nur schwer nachzuvollziehen: Lag es am Preis, wie Interessenten oft im Nachgang darlegen? Oder war man ohnehin nur Alibi-Anbieter, während der Sieger von Anfang an feststand? Dieser Verdacht liegt zuweilen nahe, denn gerade in Branchen, die von komplexen und hochpreisigen Produkten geprägt sind, ist das Mitbewerberumfeld bekannt, so dass der Vertrieb weiß, wie er sich fachlich in Bezug zur Konkurrenz zu positionieren hat.

An einem Entscheidungsprozess sind auf der Interessentenseite zahlreiche Akteure beteiligt ‒ mit unterschiedlichen Zielen und Sichtweisen auf die Anforderungen. Darüber hinaus stehen diese Personen in vielfältigen Beziehungen zueinander, sind Vorgesetzte, Untergebene, kennen sich kaum oder sind befreundet, hegen Sympathie oder Antipathie füreinander. Die Herausforderung für eine laufende Akquise besteht also darin, dieses Beziehungsnetz zu erkennen und diejenigen Informationen herauszufiltern, die für die aktuelle Entscheidung relevant sind. Das Beziehungsmanagement ist dabei ein entscheidender Hebel, der oft unterschätzt wird.

Phase Details
Evaluierung Es werden (oft: allgemein verfügbare) Informationen gesammelt, bewertet und ggf. erste Entscheidungskriterien festgelegt (Recherche, Messen, allgemein zugängliche Quellen, erste direkte Kontaktaufnahmen etc.).
Vorauswahl Der Kreis der potenziellen Anbieter wird auf eine angemessene Anzahl reduziert (erste Termine, ggf. auch Präsentationen finden statt). Entscheider für die letztliche Auswahl sind in der Regel noch nicht involviert.
Information Weitere Informationen über die verbliebenen Anbieter (Produkte) werden eingeholt (Gespräche, Informationsunterlagen, Meetings, etc.).
Präsentation Es besteht die Möglichkeit zur ausführlichen Vorstellung des eigenen Produkts und Unternehmens.
Angebot Spätestens hier kommt die Einkaufsabteilung ins Spiel; in der Regel bleibt diese allerdings im Hintergrund ‒ oft werden bereits im Vorfeld erste Preisinformationen abgefragt (Evaluierung/Vorauswahl).
Auswahl Eventuell finden weitere Präsentationen, eine Teststellung, sowie Verhandlungen statt.
Abschluss Es wird eine Entscheidung getroffen und die Akquise formal mit einer Auftragserteilung beendet.
Akquise: Phasen des Entscheidungsprozesses

Zusammenspiel der Akteure erfassen und managen

Um die handelnden Personen und deren Beziehungen darzustellen, haben sich Buying-Center-Modelle bewährt. Hiervon gibt es verschiedene Abwandlungen, die sich im Kern überwiegend gleichen und seit den 70er Jahren intensiv erforscht werden. Dabei werden die involvierten Personen auf Kundenseite schematisch dargestellt, beschrieben und mit Informationen versehen (z.B. wie sie die angebotene Leistung bewerten): Das beginnt mit der Person, mit der der Erstkontakt stattgefunden hat und die meist nur für die Informationssammlung und Entscheidungsvorbereitung zuständig ist (Informationsselektierer/Gatekeeper).

Bei den weiteren beteiligten Personen ist es in der Regel schwer einzuschätzen, ob diese überhaupt Einfluss auf die Entscheidung haben (Einflussnehmer/Influencer) oder fachlich beraten (Fachanwender/User). Manche Beteiligte wiederum bleiben ganz im Hintergrund, z.B. externe Berater. Dagegen sind andere Personen wie beispielsweise die Mitarbeiter der Einkaufsabteilung (Buyer) zwar einfacher zu identifizieren, die Kontaktaufnahme hingegen gestaltet sich z.B. bei Konzernkunden oder öffentlichen Auftraggebern schwierig, da sie in einer frühen Phase oft gar nicht gewünscht ist oder untersagt wird.

Ziel ist in erster Linie, den Entscheider (Decider), dessen formales Okay mindestens benötigt wird, zu identifizieren. Darüber hinaus werden die Beziehungen zwischen den Mitgliedern des Buying Centers abgebildet. So ergibt sich eine vereinfachte Darstellung der an der Einkaufsentscheidung beteiligten Personen bzw. des Netzwerks. Das ist die Grundlage, um von einem reinen Kontaktmanagement zu einem Beziehungsmanagement zu kommen. Das kontinuierliche Analysieren des Buying Centers führt letztlich zum strategischen Beziehungsmanagement, mit dem Anbieter nachweislich ihre Abschlusswahrscheinlichkeit steigern können.

Beziehungen grafisch darstellen und strategisch analysieren

Der Aufwand, ein Buying Center zu erstellen bzw. zu pflegen ist hoch. Die notwendigen Informationen müssen Stück für Stück über einen längeren Zeitraum ermittelt werden. Möglich ist auch, dass einzelne Einschätzungen falsch waren oder weitere Personen hinzukommen. Aufgrund dieser Dynamik muss eine Analyse immer wieder mit neu gewonnen Informationen überarbeitet werden. Mit herkömmlichen Customer Relationship Management-Lösungen ist diese Aufgabe nicht umsetzbar, denn diese haben ihre Stärken in der Darstellung von Prozessen mit Kunden bzw. Interessenten. Ihre Hauptfunktionen liegen daher auf den Bereichen Angebotswesen, Service, Kundenbetreuung, Technik, Consulting, Produktion etc. und sind somit weiter gefasst, als lediglich die Vertriebsarbeit zu unterstützen.

So stellen CRM-Lösungen zwar viele Informationen zur Verfügung, die speziellen Anforderungen im Beziehungsmanagement während einer laufenden Akquise werden allerdings nur ungenügend berücksichtigt. Die Mittel reichen in der Regel nicht aus, um die Beziehungsgeflechte der involvierten Personen darzustellen oder diese gar zu analysieren. Um diese Lücke zu schließen, werden die Kontakte zum Kunden aufwändig in Form von Protokollen und Historien dokumentiert, die aber nicht automatisiert ausgewertet werden können und somit für eine strategische Analyse ungeeignet sind.

Dieses Manko gleichen spezielle Anwendungen, sogenannte Personal-Relationship-Management-Lösungen aus. Sie stellen grafisch die Beziehungen dar und der Anwender kann, wie in einer Mindmap, Informationen ergänzen. So wird das Buying Center sukzessive erweitert, angepasst und mit anderen Personen geteilt. Dies ist insbesondere für die Vertriebsleitung vorteilhaft, denn die verdichteten Informationen können inhaltlich schnell erfasst werden und man kann darüber hinaus steuernd eingreifen. Mit dieser visuell leicht erfassbaren Darstellung haben Vertriebsmitarbeiter eine gute Basis, die nächsten Schritte strategisch zu planen und systematisch umzusetzen. Innovative Produkte gehen noch einen Schritt weiter, indem sie die Aktivitäten analysieren und bewerten. Hierdurch minimiert sich der Aufwand einer Buying-Center-Analyse erheblich und ist auch für kleinere Vertriebsprojekte darstellbar.

Fazit

Ohne strategisches Beziehungsmanagement, das weit über die reine Kontaktpflege hinausgeht, vergeben Anbieter die Chance, sich besser im Wettbewerb zu positionieren. Denn nur so lässt sich frühzeitig erkennen, wie gut die Gewinnchancen tatsächlich sind, entsprechend kann man gezielt und rechtzeitig steuernd eingreifen und letztlich den Entscheidungsprozess beeinflussen.

www.rightpoint.de

David Ender, Geschäftsführer der Right Point IT GmbH. Right Point verfolgt das Ziel, Unternehmen bei der Vertriebsarbeit im B2B-Bereich mit Softwarelösungen zu unterstützen.