Second Hand-Software: „Nachfrage steigt sprunghaft an“ Klare Rechtslage: An- und Verkauf von gebrauchter Software ist legal

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Interview mit Michael Helms, Vorstand der Soft & Cloud AG.

Weniger Kosten bei gleicher Leistung: Die Vorteile von gebrauchter Software sprechen eigentlich für sich. Lange Zeit entwickelte sich der Markt jedoch nur sehr zögerlich. Das ändert sich nach den jüngsten Gerichtsurteilen zum Thema Nutzung von und Handel mit gebrauchter Software. Soft & Cloud-Vorstand Michael Helms erklärt in diesem Interview die Hintergründe.

Lange Zeit kam der Handel mit gebrauchter Software nicht so recht in Schwung. Warum ändert sich dies derzeit?

Michael Helms: Ganz wesentlich sind die jüngsten Gerichtsurteile zum Thema Nutzung von und Handel mit gebrauchter Software. Die Richtersprüche haben nochmals für eine ganz deutliche rechtliche Klarstellung gesorgt. Zuvor hatte der Europäische Gerichtshof bereits im Jahr 2012 ein wegweisendes Urteil gefällt. Stets mit dem gleichen Tenor: Der Handel mit gebrauchter Software ist legal, unabhängig davon, ob es sich um einen physischen Datenträger oder einen Download handelt. Gelegentlich zu findende Klauseln in Softwareverträgen, die den Weiterverkauf der Software verbieten, sind unwirksam.
Der Grund liegt darin, dass das Urheberrecht den entscheidenden Erschöpfungsgrundsatz beinhaltet. Dieser besagt, dass der Softwarehersteller seine Möglichkeiten, auf den weiteren Vertriebsweg seiner Software Einfluss zu nehmen, in dem Augenblick erschöpft beziehungsweise verloren hat, in dem er die Software in den Verkehr gibt, also in aller Regel an einen Softwarehändler oder direkt an den Endkunden verkauft.

Wie wird sich der Markt nun entwickeln?

Die Softwarehersteller haben über ein Jahrzehnt lang einen erbitterten rechtlichen Abwehrkampf geführt und mit dieser Verzögerungstaktik lange Zeit Erfolg gehabt. Nun haben sie ihre letzte Patrone verschossen. Händler und Nutzer von Lizenzen zweiter Hand haben endgültig Rechtssicherheit.
Der Weg für das rasante Marktwachstum, das wir derzeit sehen, war mit den Gerichtsurteilen geebnet. Wir rechnen damit, dass sich unser Umsatz allein im laufenden Jahr verdreifacht. Und die Nachfrage zieht weiter an, ein Ende ist nicht in Sicht. Wir stellen derzeit einen enormen Nachholbedarf fest. Das Marktpotenzial allein in Deutschland schätze ich auf etwa 380 Mio. Euro, das aktuelle Marktvolumen hingegen liegt bei rund 18 Mio. Euro. Zum Vergleich: Laut einer BITKOM-Studie werden in 2015 in Deutschland mit Software 20 Mrd. Euro umgesetzt [1].

Welche Argumente sprechen denn konkret für gebrauchte Software?

Sie zahlen für die gleiche Leistung weniger Geld! Mit gebrauchten Lizenzen sind gegenüber Neuware Ersparnisse von bis zu 70 Prozent möglich. Auf der anderen Seite entstehen keine Nachteile durch die vorangegangene Nutzung. Im Gegensatz zu Investitionsgütern und Verbrauchsmaterialien unterliegt Software keinem Verschleiß. Beim Kauf einer beliebigen Anzahl von Lizenzen, beispielsweise eines bestimmten Office-Programmes, verfügt auch der zweite Anwender über die gleichen Funktionalitäten wie der Ersterwerber. Auch nach jahrelanger Weiternutzung gebrauchter Lizenzen wird die Software laufen wie am ersten Tag. Es wird also keinen „Reparaturfall“ geben, wie er häufiger bei Hardware eintreten kann.

Wieso sind dann viele Unternehmen noch so zurückhaltend?

Das ändert sich derzeit. Ein ganz großes Thema ist nach wie vor die Unwissenheit vieler Akteure über die Rechtslage. Die Erfahrung zeigt: Der Irrglaube, dass man Software „wegen der Urheberrechte“ nach der Nutzung nicht weiterverkaufen darf, ist immer noch weit verbreitet. Das gilt auch für Einkäufer und IT-Leiter. Hier haben wir noch eine Menge Aufklärungsarbeit zu leisten.
Andererseits sind die Softwarehersteller mit ihren Kampagnen bislang leider sehr effektiv gewesen. Nachdem der Kampf auf der juristischen Ebene verloren ist, bauen sie gegenüber den Anwendern eine Drohkulisse auf, etwa durch Falschinformationen oder sogenannten Software-Audits. Das schüchtert nachvollziehbarerweise viele ein.
Ein anderer, nicht minder wesentlicher Punkt ist die Sorge, dass durch den Kauf einer gebrauchten Version Support- beziehungsweise Wartungsansprüche wegfallen. Diese ist allerdings vollkommen unbegründet. Wenn entsprechende Leistungen in der Originallizenz enthalten waren, behalten sie auch beim Wechsel des Besitzers ihre Gültigkeit. Auch gebrauchte Programme bleiben so durch automatische Updates oder Patches aktuell und sicher.

Der öffentliche Sektor nimmt bei der Nutzung von Gebrauchtsoftware eine Vorreiterrolle ein. Warum das?

Das ist allenfalls auf den ersten Blick überraschend. Vor allem Behörden haben durch gebrauchte Software einen besonderen Nutzen. Verwaltungen sind nicht dem Innovationsdruck und dem typischen Wettbewerb privatrechtlicher Wirtschaftsunternehmen ausgesetzt. Für sie ist es deshalb wichtiger, Programmversionen einzusetzen, die mit den Fachanwendungen ihrer Abteilungen kompatibel sind, als dass sie die neueste Softwaretechnologie widerspiegeln. So ist bei Kommunalverwaltungen das meistgefragte Produkt Office 2010 Standard.
Um über den Neuerwerb diese Version einsetzen zu können, müsste die Kommune eine aktuelle Version kaufen, also 2013 oder in Kürze 2016, und vom Downgrade-Recht Gebrauch machen. Preiswerter ist es natürlich, direkt die Version zu kaufen, die auch eingesetzt werden soll. Und die gibt es in dem Fall von Office 2010 als Volumenlizenz nur gebraucht – dafür aber deutlich günstiger.
Andersherum liegen in deutschen Verwaltungen Millionenwerte an nicht mehr genutzter Software. Diese zu liquidieren und mit den Einnahmen die Haushalte zu entlasten, bietet sich natürlich an. Der einfachste Weg, der in der Praxis genutzt wird, besteht darin, die alten Versionen im Falle einer Migration in Zahlung zu geben und so die Beschaffungskosten merklich zu reduzieren. Das ist ein Modell, das übrigens auch in der Privatwirtschaft zunehmend nachgefragt wird. Die Argumente sprechen schließlich für sich

Herr Helms, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Quelle
[1] https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Deutscher-ITK-Markt-waechst-um-15-Prozent.html
www.softandcloud.com

Michael Helms ist Vorstand der Soft & Cloud AG, einem führenden Händler von gebrauchten Softwarelizenzen in Europa. Das Unternehmen erwirbt und vertreibt im Geschäftskundenbereich Nutzungsrechte für Unternehmenssoftware und Betriebssysteme. Zudem bietet der Händler Beratung und Service im Lizenzmanagement und bei Software-Audits an.