Autor – Prof. Dr. Peter Gentsch, Gründer der Business Intelligence Group
Durch den Sprung auf Web 2.0 hat sich das Internet zu einer der wichtigsten Plattformen für den gesellschaftlichen Dialog entwickelt. Verschiedenste Akteure generieren Meinungen zu Produkten, Politik und Spezialwissen und wirken somit immer stärker auf den gesamtgesellschaftlichen Diskurs ein. Konsumenten gewannen durch das Web 2.0 ein Sprachrohr, das Mund-zu-Mund-Propaganda eine neue Dimension gab. So schenken potenzielle Kunden den Bewertungen anderer Käufer mehr Vertrauen als den Informationen der Hersteller und lassen sich in ihrer Kaufentscheidung beeinflussen – oder sogar von ihr abbringen. Somit bilden User ein Gegengewicht zur interessengeleiteten Kommunikation der Unternehmen.
Monitoring als Frühwarnsystem
Motivationsfaktoren zur Meinungsäußerung im World Wide Web sind allerdings in erster Linie Verärgerung und Enttäuschung, was ein Ungleichgewicht zwischen positiven und negativen Konsumentenberichten zur Folge hat. Umso wichtiger ist es, dass Social Media im Fokus der Verantwortlichen aus Customer Relationship und Public Relations sind, um die Gefahr eines nachhaltigen Imageschadens verringern zu können. Das Monitoring kann hier als Frühwarnsystem fungieren.
Dies allein verhindert keine Krise, verleiht Unternehmen allerdings die Möglichkeit einer schnellen und zugleich sorgfältig vorbereiteten Reaktion. Im Web generierte Ansichten wirken sich aufgrund der Verschränkung der verschiedenen Massenmedien immer stärker auf das gesamtgesellschaftliche Meinungsbild aus. Daher ist die Einbindung dieser neuen Strukturen zentral, um sich nicht nur wettbewerbsfähig zu halten, sondern auch die Chancen dieses neuartigen Mediums für sich zu nutzen.
Social Media funktionieren jedoch nicht nach denselben Prinzipien wie klassische Kommunikationskanäle und bedürfen daher einer besonderen Betreuung und Integration. Entsprechend groß ist die Herausforderung, die diese neuen Kanäle für Unternehmen darstellen. Um sie zu meistern ist es notwendig, sämtliche unternehmensrelevanten digitalen Kommunikationskanäle zu erschließen und in die vorhandenen Konzepte zu integrieren. Professionelle Webmonitoring-Lösungen dienen hierbei als Instrument für ein effizienteres und erfolgreicheres Kommunikationsmanagement. Große Informationsmengen werden strukturiert, entscheidungsgerecht aufgearbeitet und bieten im letzten Schritt eine Interpretation der Ergebnisse, die ganz konkret auf die jeweilige Unternehmensrealität zutrifft und damit greifbare Handlungsempfehlungen enthält.
Verbraucherkommunikation im Netz beobachten – und sich aktiv beteiligen
Das bereits erwähnte Frühwarnsystem ist hierbei nur ein mögliches Einsatzgebiet des Webmonitoring. Die Anwendungsbereiche sind so vielfältig wie die Themen, über die im Netz gesprochen wird. Egal ob für die Nutzung zur Vorbereitung und Tracking von Kampagnen, zur Sammlung kundengetriggerter Themen anderer Kanäle oder Erkennung von Problemen – durch das Beobachten der Verbraucherkommunikation im Netz lässt sich für zahlreiche Unternehmensbereiche entscheidungsrelevantes Wissen gewinnen. Dadurch können Strategien und Maßnahmen gezielter an den Bedürfnissen der jeweiligen Zielgruppe ausgerichtet werden. Dies verspricht eine Optimierung von Produkten, Service und Kundenansprache.
Von besonderer Wichtigkeit sind die Fragen, die das Monitoring für Produktkommunikation und Markenführung beantworten kann: Was wird über meine Marke oder mein Produkt gesprochen – und was über die Konkurrenz? Welches Verhalten meiner Marke wird von meiner Zielgruppe erwartet? Und welche Sprache spricht meine Zielgruppe überhaupt? Durch ein kontinuierliches Screening und die permanente Auswertung riesiger Datenmengen lassen sich diese Trends und Themen, die das Unternehmen beeinflussen können, auf effiziente Weise identifizieren, beobachten und auswerten. Professionelles Monitoring erfasst hierbei nicht nur Berichte, sondern das gesamte Spektrum des World Wide Web – also Blogs, Communities, Foren, Newsgroups und User Generated Content in Audio- und Video-Dateien – und „hört“ somit alle User im Netz. Bei Einträgen mit besonderer Relevanz ist eine sofortige Reaktion durch Reputationsmanager möglich, da eine ständige Information über relevante Änderungen erfolgt.
Im Falle der Business Intelligence Group sichert und archiviert das dahinterliegende „Data-Warehouse“ sowohl textliche als auch alle Meta-Daten wie Autor, Quelle, Zeit etc., und ermöglicht somit auch Zeitreihen- sowie Relevanzanalysen zur Entwicklung bestimmter Themen. Auf diese Weise kann der Anwender nicht nur den Ist-Zustand sondern auch den vorangegangen Weg verfolgen.
Doch die Zeiten, in denen die Beschäftigung mit den Social Media Neuland für Unternehmen war, dürften mittlerweile überstanden sein. So stellt sich meist nicht mehr die Frage „ob“, sondern vielmehr auf welche Weise das Wissen im Web 2.0 für die eigene Unternehmenskommunikation verwendet werden kann. Zu „hören“, was die User über Firmen, Marken, Produkte oder Wettbewerber wissen und denken, verschafft Vorteile, aber erst der Dialog zwischen Usern und Unternehmen lässt beide Seiten wirklich profitieren. „Mitreden“ ist das Schlagwort der Zukunft. Im Bereich des Kundendialogs rückt somit „Kommunikation auf Augenhöhe“ immer stärker in den Fokus. Gerade im Bereich Social Media ist ein direkter Einstieg in das Gespräch mit Konsumenten jederzeit möglich, so dass Fragen und Beschwerden sehr zeitnah bearbeitet werden können.
Professionalisierter Kundendialog im Social Web
Beim Social Media Interaction erfolgt die Automatisierung des Kundendialogs. Diese dient zur Optimierung und Professionalisierung desselbigen, für eine eindrucksvolle Demonstration von Kundennähe und Serviceorientierung. Für einen stringenten und effizienten Workflow im Social Media Interaction erfasst das Monitoring alle relevanten Beiträge und nimmt diese in das System auf. Eine Bewertung durch das System in Bezug auf Relevanz und Tonalität führt zur Hervorhebung einzelner Beiträge, die so durch Customer Care Agents priorisiert bearbeitet werden können.
Dabei sind die Spielregeln, die in Social Media herrschen, andere als in den bislang bespielten Kommunikationskanälen. So müssen beispielsweise Ansprache und Kommunikationsstil angepasst werden, denn O-Töne sind meist sehr direkt und negativ. Des Weiteren sind andere Reaktionszeiten zu berücksichtigen. Social Media sind – verglichen mit anderen Kanälen – weitaus dynamischer. Klassiche Listening Methoden (Kundengespräche, Call Center Reports, Feedback auf Veranstaltungen, PR Events, usw.) sind dabei viel zu langsam. Da sich vor allem negative Inhalte schnell verbreiten und Meinungen bilden, kann dem nur durch ein professionelles und ebenso schnelles Reaktionssystem begegnet werden. Dazu gehört ein professionelles Web Monitoring mit entsprechenden Follow Up Prozessen, von denen eine direkte Interaktion einer sein kann und soll.
Um allen Interessengruppen im Social Web gerecht zu werden, ist dabei ein quellenübergreifendes Monitoring nötig. Zwar ist eine aktive Bespielung der Hauptkanäle YouTube, Facebook sowie Twitter entscheidend für die Gesamtdarstellung des Unternehmens, jedoch reichen diese unternehmenseigenen Accounts nicht aus. Ein Großteil der Kommunikation von Konsumenten spielt sich nämlich auf anderen, spezialisierteren Kanälen ab. Besonderes Augenmerk gilt hier den Communities und Blogs ähnlich „wer-weiss-was.de“ oder „gute-Frage.net“.
Strategie für Kundendialog festlegen
Welche Dimensionen muss also ein grundlegendes Konzept berücksichtigen, um zu gewährleisten, dass die Herausforderung „Kommunikation im Social Web“ gemeistert werden kann? Grundlegende Fragestellung ist jene nach dem „Concept“, die klärt, welche Ziele das Engagement in den Social Media verfolgen und welche Strategie zur Zielerreichung eingesetzt werden soll. Definierte Ziele könnten sich dabei beispielsweise auf den Kundendialog beziehen, und Zuverlässigkeit, Erreichbarkeit sowie Wertsteigerung lauten.
Um von den Chancen des Social Web profitieren zu können, sollte aufbauend auf der konkreten Zielsetzung die Ausgestaltung eines Controlling-Systems erfolgen – denn nur so kann der Kundendialog optimiert werden. Durch professionelle Reporting Systeme werden alle entscheidungsrelevanten Themen dargestellt und diese helfen, analog zu den klassischen Kanälen Telefon und Email, die Zielerreichung mess- und sichtbar zu machen, um daraus Handlungen abzuleiten. Denn nur so kann der zusätzliche Service Kanal – das Social Web – effizient genutzt werden.
Vier „C“ für Social Media Customer Care
Um die Erreichung der Ziele zu ermöglichen und die Zuverlässigkeit der Bearbeitung der Anliegen optimal zu gewährleisten, ist es im nächsten Schritt wichtig, sich der Fragestellung des „Conduct“-Themas zu widmen: Welche Werkzeuge sollen in welcher Prozessphase eingesetzt werden, um den Workflow so stringent und effizient wie möglich zu steuern? Im Wesentlichen sollte eine Einbindung der Social Media in die bestehenden Unternehmensprozesse erfolgen.
Last but not least und ebenfalls von grundlegender operativer Relevanz, ist die Frage nach der „Competence“. Sie klärt, welche Kompetenzen für das Engagement in den Social Media aufzubauen sind, wie die Medienkompetenz aller an der Kommunikation beteiligten Mitarbeiter gewährleistet wird, sowie ob und in welchem Umfang Aufgaben identifiziert werden können, deren Abwicklung externe Dienstleister professioneller gewährleisten könnten und die folglich ausgelagert werden sollten.
Beim ersten Einstieg in Social Media Customer Care wird deutlich, dass es mehr als reiner Technologie bedarf, um die Kommunikation proaktiv und vor allem erfolgreich einführen und leben zu können. Vielmehr müssen die vier grundlegenden Dimensionen – die vier C (Concept, Controlling, Conduct, Competence) – entsprechend formuliert und von den Mitarbeitern umgesetzt werden. Nur auf diese Weise kann das Engagement fest in die Organisation integriert und systematisch optimiert werden, um langfristig in die Customer Relationship Management-Ziele des Unternehmens einzuzahlen.
Ausblick
Zukunftsgerichtet sollte das Social Web als neuer Kommunikationskanal in bisherige Maßnahmen und Prozesse integriert und ausgestaltet werden. Eine professionelle und systematische Planung ist hierbei entscheidend, um eine nachhaltige Verbesserung der Kundenzufriedenheit zu erreichen. Durch die Partizipation an der Kommunikation in den Social Media und den so initiierten proaktiven Kundenservice, demonstrieren Unternehmen Service-Orientierung und Kundennähe schon heute in einer Ausprägung, die in ein paar Jahren wahrscheinlich als selbstverständlich vorausgesetzt wird – und deren Fehlen auf Kundenseite bereits jetzt negativ auffällt.