Die Zeit ist reif für dieses Thema: Hello2.0 oder Goodbye2.0

    Zur DGI & DOK.live Diskussion am Di., 24.09. DMS EXPO

    Das DOK.magazin lässt ein altes Ritual wieder aufleben: Die DOK.Expertenrunde wird als DOK.Duell ausgetragen – heute nennt man dieses Format: Podiumsdiskussion. Dieser ‚Showdown’ zum kontroversen Thema der beiden folgenden Kommentare wird auf der DMS EXPOals Gemeinschaftsveranstaltung von DGI&DOK.live stattfinden.

    Die Historie dieses “Duells”, welches seinen Ursprung auf der DMS EXPO 2012 hatte, kann ausführlich im Blog von Dr. Kampffmeyer http://bit.ly/GoodBye20 und auf der Facebook-Seite von Herrn Dreusicke http://bit.ly/Dreusicke nachgelesen werden (#goodbye2null, #hello2null und #goodbye2zero . Lohnt sich.

    Als Moderator, um nicht zu sagen Sekundant, wird Prof. Dr. Heiko Beier, Geschäftsführer der moresophy GmbH, die beiden Duellanten professionell „im Griff haben“ – um eine energiegeladene und hochinteressante, wenn nicht gar spektakuläre Diskussion auf die Bühne zu bringen.

    Hier nun die Steilvorlagen der beiden Diskutanten, in Gestalt von zwei kurzen Kommentaren zum Thema „Web2.0“, noch getrennt voneinander platziert. Bilden Sie sich Ihre Meinung vorab und lassen Sie sich überraschen vom Live Act:

    Sie können dabei sein : kostenfreie Eintrittkarten haben wir unter http://bit.ly/DMSEXPO13 mit dem Gutschein-Code B73UK42T

    für Sie reserviert!

    Hello 2.0

    Ein notwendiges Bugfix zur Podiumsdiskussion auf der DMS EXPO

    Michael Dreusicke, Geschäftsführer der PAUX Technologies GmbH

    Kommunikation ist für die Menschheit von fundamentaler Bedeutung: Wer es gar nicht kann, wird nicht lange überleben. Wer es besonders gut kann, der hat in unserer Gesellschaft beste Entfaltungsmöglichkeiten. Genau in diesem Bereich hat es in den letzten 10 Jahren eine Entwicklung gegeben, die für uns Menschen neu ist und völlig andere Möglichkeiten des Austauschs bietet. Die Rede ist von der Bewegung des „Web 2.0“, einem Begriff, der manchmal zu Missverständnissen führt: Bei Computer-Veteranen erstaunlicherweise noch häufiger als bei Internet-Neulingen.

    Das Missverständnis hat seine Wurzel darin, dass „2.0“ an die in der Software-Entwicklung übliche Versions-Terminologie erinnert, wonach die Zahlen hinter dem Punkt kleinere Reparaturen von Programmierfehlern oder das Hinzufügen weiterer Funktionalität beschreiben, während die „Vorkommastelle“ häufig eine grundlegende Neuausrichtung repräsentiert, wie andere Anforderungen an die Hardware oder einen vollständig neuen Quellcode. Dieser impliziten Logik folgend wäre „Web 3.0“ die verbesserte Version von „Web 2.0“. Aber trifft das tatsächlich zu?

    Web 1.0

    Zu Beginn des Internets, was rückwirkend als „Web 1.0“ bezeichnet werden kann, waren die meisten Websites statisch: Ihre Inhalte standen fest, waren für jeden Betrachter dieselben und konnten vom Leser nicht verändert werden. Die Interaktionsmöglichkeit des Lesers war darauf beschränkt, durch Anklicken von Hyperlinks seine Navigation zu bestimmen.

    Web 2.0

    Grundlegend neu war am Web 2.0, dem „Mitmach-Web“, dass Leser den Inhalt von Websites sowohl verändern und kommentieren können, dass sie also beispielsweise die als Website veröffentlichte Bedienungsanleitung eines Radioweckers bearbeiten können, um eine fehlerhafte Beschreibung zu korrigieren. Technisch möglich und ergonomisch sinnvoll wurde dies z.B. durch Entwicklungen wie AJAX (Asynchronous JavaScript and XML), wodurch kleinste Teile einer Website an sich editierbar werden, ohne dass die gesamte Seite neu geladen werden muss. So macht Feedback Spaß.

    Diese Öffnung für den Input des Lesers, sei es durch Ergänzung des Texts selbst, sei es durch das Hochladen von Fotos oder Videos oder auch durch öffentliche Kommentare, aus der sich oft Diskussionen entwickeln, dieses Zulassen der Mitwirkung des Lesers macht das eigentliche Wesen des Web 2.0 aus.

    Dabei sind weder Web 2.0 noch AJAX neue Programmiersprachen oder ähnliches, sondern zarte zehn Jahre junge, neue Paradigmen, neue Grundideen und Verfahren, wie sich existierende Technologien verwenden lassen, um im Ergebnis zu einer neuen Art von Informations- und Unterhaltungsdiensten zu kommen. Neu ist daran z.B., dass der Content dieser Angebote nicht mehr vom Betreiber, sondern oft annähernd vollständig von den Nutzern erstellt wird (vgl. Youtube, Wikipedia, Facebook). Sie machen insofern wirklich mit.

    Web 3.0

    Während das Web 2.0 die Möglichkeiten für die Einbeziehung des Lesers verbessert hat, steht beim Web 3.0, dem sog. „Semantic Web“, die bessere Einbeziehung der Maschinen im Vordergrund. Die Grundlagen hierfür wurden bereits in den frühen 1960er Jahren entwickelt, sind also deutlich älter als das erste Aufkommen des Web 2.0.

     Werden Informationen diesen Grundsätzen entsprechend mit Zusatzinformationen (Metadaten) angereichert und in bestimmter Weise miteinander verknüpft (typisierte Links), verbessert sich dadurch die Maschinenlesbarkeit. Dadurch können Maschinen den Inhalt besser „verstehen“ und bei der Zusammenstellung von dynamischem Content je nach Nutzer und Nutzungssituation behilflich sein.

    Das Verhältnis von Web 2.0 zu Web 3.0

    Während also Web 2.0 im Verhältnis zu Web 1.0 tatsächlich eine Weiterentwicklung ist, bei der die Möglichkeit der Teilhabe ergänzt wurde, zeigt sich bei genauerem Hinsehen, dass das Web 3.0 nicht etwa eine Folgephase des Web 2.0 ist, sondern es sich vielmehr um zwei völlig unterschiedliche Ansätze handelt, die auch in Zukunft parallel nebeneinander her existieren werden. Das Web 3.0 hat also das Web 2.0 nicht etwa abgelöst, sondern beide Konstruktionsprinzipien entwickeln sich unabhängig voneinander weiter.

    Datenschutz als Aspekt von Web 2.0

    Enthüllungen wie jüngst durch Eduard Snowden haben das Thema Datenschutz und Privatsphäre ins öffentliche Bewusstsein gebracht. Fraglich ist jedoch, ob die gesteigerte Mitwirkung der Internetnutzer das Gefahrenpotenzial für den Datenschutz tatsächlich verstärkt hat.

    Schließlich betrifft das Datenschutzanliegen die privaten E-Mails des Web 1.0 noch eher als die ohnehin überwiegend öffentlichen Kommentare des Web 2.0. Und die Möglichkeit, in großen Datenmengen bestimmte Informationen zu finden, wird erst durch Technologien des Web 3.0 möglich. Insofern ist und bleibt Datenschutz ein umfassendes Thema, das den Einzelnen nicht im speziellen Web-2.0-Fall der Mitwirkung auf Websites, sondern in jeder Kommunikationssituation von Web 2.0 über Web 3.0 bis zu Web 4.0 schützen muss.

    Ergebnis

    Die Befreiung des Lesers aus seiner Rolle als reiner Betrachter, hin zu aktiver Mitgestaltung und Teilhabe, hat gerade erst begonnen. Sie zu fördern und in weiteren Bereichen einzurichten, halte ich für eine der wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben. Nur so lassen sich Prozesse wirklich transparent machen und der öffentliche Meinungsbildungsprozess unterstützen. Der Titel unserer Veranstaltung muss daher lauten: „Hello 2.0“.

    Hintergrundinfos gibt es unter http://dokmagazin.de/kommentar-content-management-2-0-bis-4-0-2.

    www.paux.de

    Michael Dreusicke, Geschäftsführer der PAUX Technologies GmbH. Das Berliner Unternehmen entwickelt Technologien für semantisch angereichertes Content Management, Social Media Integration und E-Learning-Lösungen für Verlage, Behörden und Unternehmen. Kunden sind z.B. das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, die DekaBank, das Juristische Repetitorium Hemmer sowie das Bundesministerium für Bildung und Forschung.

    Goodbye 2.0

    Ein provokatives Inceptum zur Podiumsdiskussion auf der DMS EXPO

    Dr. Ulrich Kampffmeyer ,Geschäftsführer der PROJECT CONSULT Unternehmensberatung GmbH,

    Die letzten zehn Jahre hat uns die Metapher „2.0“ in unterschiedlichsten Formen begleitet. Im Jahr 2003 wurde von Eric Knorr erstmals der Begriff des „Web 2.0“ benutzt um die neue Aufbruchsstimmung mit Interaktion und Kollaboration im Internet zu beschreiben. Dale Dougherty und Craig Cline machten dann mit der O’Reilly-Web-2.0-Konferenz im Oktober 2004 „Web 2.0“ zum programmatischen Leitbild der Branche. Der Begriff des Web 1.0 wurde erst später von Tim O’Reilly in 2005 künstlich hinzudefiniert.

    Von Anfang an ging es bei Web 2.0 um einen Wandel im Nutzungsverhalten und in der Wahrnehmung des Internets als offenem Raum, der alles Wissen der Welt bereithält und zum uneingeschränkten Mitmachen einlädt. Technische und funktionale Elemente gab es schon vorher und erst die Kombination der Technik mit der neuen Vision der Einbeziehung der Anwender in das Geschehen im Web führte zum durchschlagenden Erfolg von Web 2.0. Große virtuelle Communities förderten diese Ideen. „2.0“ stand in Folge für „neu“, „innovativ“, „interaktiv“, „offen“ und „noch nicht fertig“, und wurde so attraktiv, dass der Ausdruck auch für andere Begriffsbildungen marketingmäßig missbraucht wurde.

    Nahe an den Ideen von „Web 2.0“ war noch „Enterprise 2.0“, das die Umsetzung der Konzepte des Web 2.0 im Unternehmen forderte. Andere wie „Ehefrau 2.0“, „Büro 2.0“, „Handy 2.0“, „Identität 2.0“ oder „Government 2.0“ versuchten lediglich, die Popularität von „2.0“ aufzugreifen, ohne jedoch die ursprünglichen Konzepte und Ideen zu übernehmen. Dies führte sehr schnell zur Abnutzung von „2.0“, da jedes Unternehmen und jeder Spaßvogel meinten, hiermit irgendetwas garnieren zu müssen. Das ursprüngliche Konzept hinter Web 2.0 geriet dabei in Vergessenheit. Die war der erste Abschied. Mit diesem „Goodbye 2.0“ büßte das Web 2.0 seine positive Begriffsbesetzung ein.

    Über die Jahre hatten sich auch die Technologie und Funktionalität, die die Basis für das Web 2.0 bildeten, weiterentwickelt. Nicht mehr die Webseite im Browser war der Schwerpunkt, sondern die mobile Nutzung des Webs. Sie veränderte auch die Nutzungsmodelle, förderte aber zugleich die Grundideen, sich als Anwender jederzeit und an jedem Ort am interaktiven Web beteiligen zu können. Viele Jünger des Web 2.0 hatten sich inzwischen auf den Weg zur nächsten Vision gemacht – dem semantischen Web oder auch Web 3.0. Tim Berners-Lee, einer der Väter des Internets, hatte selbst diese Analogie bestätigt. Nicht mehr nur die Information selbst, sondern ihr Kontext, die Beziehungen und die Metainformationen über die Information gewannen an Bedeutung. Zugleich rückte die Interaktion der an der Kommunikation Beteiligten wieder mehr in den Hintergrund. Sieht man Web 3.0 als Folgephase von Web 2.0 an, haben wir hier den zweiten Abschied: Goodbye 2.0.

    Einen dritten Abschied erleben wir gerade durch die Offenlegungen von Whistleblower Snowden. Genaugenommen muss man von „Bewusstmachung“ sprechen, denn irgendwie hatten sich alle gedacht, dass die Freiheit und Offenheit nur sehr oberflächlich ist. Das Web 2.0 hat mit der Ausforschung und der Manipulation seine Unschuld verloren. Kommunizierte man früher unbeschwert, so überlegt man heute, welche Auswirkungen dies einmal haben könnte. Und dies nicht nur im Mitmach-Web, sondern überall wo es um Kommunikation und Informationsnutzung geht. Wir müssen uns hier von der Vision „2.0“ verabschieden, weil eine andere Zahlenkombination, „1984“, immer mehr in den Vordergrund rückt. Ernüchterung, aber keine Panik, ist angesagt. Das Rad lässt sich nicht zurückdrehen. Von den Möglichkeiten der modernen Kommunikation kann man sich nicht verabschieden. Wir sind längst die Junkies des Informationszeitalters. Wir können nicht zu den idealistischen Aufbruchtagen des Web 2.0 zurück. Vielfach werden die Auswirkungen des Web 2.0 jetzt erst deutlich und sie sind nicht immer positiv. Mit Web 2.0 haben sich auch neue Wirtschaftsmächte etabliert, die ebenso wie Staaten Information zur Beherrschung benutzen. Auch dies sind Gründe, sich von den idealistischen Vorstellungen des Web 2.0 zu verabschieden – Goodbye 2.0.

    Man wird zukünftig vielleicht mit „Web 2.0“ eine der Phasen der frühen Informationsgesellschaft bezeichnen. Eine Phase, in der man euphorisch der Kommunikation, Interaktion und Kollaboration gehuldigt hat, bevor die neuen Grenzen und Restriktionen eines kommerzialisierten, kontrollierten Internets deutlich wurden.

    www.project-consult.com

    Dr. Ulrich Kampffmeyer ist Gründer und Geschäftsführer der PROJECT CONSULT Unternehmensberatung GmbH, Hamburg, eine der führenden produkt- und herstellerunabhängigen Beratungsgesellschaften für Enterprise Content Management, Business Process Management, Knowledge Management, Records Management, Collaboration, Archivierung, Enterprise 2.0 und Information Management.