Interview: Europas Weg zum E-Invoicing

Gute Gründe für die Umstellung

 Autor: Marcus Laube ist Gründer und Geschäftsführer der crossinx GmbH

Mit der sogenannten „Agenda 2020“ hat die Europäische Union eine digitale Agenda für Europa auf den Weg gebracht – und reagiert damit auf die Tatsache, dass die digitale Industrie sieben Mal so schnell wächst wie der Rest der Wirtschaft. Die EU-Agenda besteht aus sieben Säulen, die die europäische Wirtschaft durch Digitalisierung effizienter und somit wettbewerbsfähiger machen sollen. Ziel ist, europäischen Bürgern und Unternehmen zu helfen, das volle Potenzial neuer Technologien auszuschöpfen und zu nutzen.

Ein wichtiger Bereich in diesem Zusammenhang ist das E-Invoicing, die digitale Verarbeitung und Versendung von Rechnungen. Es fällt in der Agenda unter die zweite Säule, die mit „Interoperabilität und Standards“ überschrieben ist. Hierbei geht es vor allem um die Vereinfachung des Austauschs von Finanzdokumenten über die Landesgrenzen hinweg und die Einführung nötiger Standardisierung. Das DOK.magazin sprach mit Marcus Laube, Gründer und Geschäftsführer der crossinx GmbH, über dieses Thema.

DOK: Herr Laube, welche Rolle spielt E-Invoicing in der Agenda 2020?

Marcus Laube: Die EU hat in ihrer Säule „Interoperabilität und Standards“ vier Prioritäten für das E-Invoicing ausgegeben, die dazu beitragen sollen, die flächendeckende Akzeptanz elektronischer Rechnungen zu fördern. Zum einen sollen rechtliche Grundlagen geschaffen werden, die der Absicherung der Unternehmen, die auf elektronische Rechnungsstellung umsatteln, dienen. Zum anderen soll E-Invoicing auch für kleine und mittelständische Unternehmen attraktiv gemacht werden, so dass der komplette Markt abgedeckt werden kann. Des Weiteren soll eine jeweils maximale Reichweite von Geschäftspartnern erreicht werden, die gegenseitig elektronische Rechnungen austauschen. Und schließlich soll ein gemeinsamer Standard für E-Invoicing gefördert werden, um die Akzeptanz der Unternehmen zu steigern und die elektronische Rechnungsstellung zu vereinfachen. Jeder dieser Punkte erfordert spezifische Aktionen, die zur Implementierung des E-Invoicing bei den Unternehmen beitragen sollen.

DOK: Warum sollte Europa flächendeckend auf elektronische Rechnungen umsteigen?

Marcus Laube: Im Grunde sprechen die Zahlen für sich: In Europa werden jährlich rund 33 Milliarden Rechnungen ausgestellt. Die europaweite Umstellung von Papier-basierten auf elektronische Rechnungen allein in der Verwaltung und öffentlichen Einrichtungen kann binnen sechs Jahren Einsparungen von rund 240 Milliarden Euro erzielen; in Deutschland werden im selben Zeitraum 39 Milliarden Euro prognostiziert. Derzeit wird davon ausgegangen, dass das Volumen elektronischer Rechnungen in diesem Jahr weltweit eine 20-prozentige Wachstumsrate erfährt: In Europa 20 Prozent im B2C-Umfeld und 29 Prozent im B2B- und B2G-Umfeld. Die Durchdringung von E-Invoicing in den einzelnen EU-Mitgliedsländern variiert stark: Je nach Land liegt der Anteil elektronischer Rechnungen derzeit bei einer Spanne zwischen drei und 40 Prozent.

DOK: Und Deutschland?

Marcus Laube: Über sechs Milliarden Rechnungen werden jährlich in Deutschland verschickt. Mehr als 90 Prozent davon werden noch immer per Post versendet und auf Papier ausgedruckt. Den wenigsten Unternehmen ist dabei bewusst: Rechnet man die gesamte Prozess- und Weiterverarbeitungskette mit ein, ist eine Papier-basierte Rechnung im Rechnungseingang mit Kosten von bis zu 23 Euro pro Stück verbunden. Die Umstellung von Papier-basierten auf elektronische Rechnungen birgt hingegen Kostenersparnisse von bis 70 Prozent pro Rechnung.
Bisher haben bereits einige nordeuropäische Länder Gesetze verabschiedet, die eine vollständige Implementierung elektronischer Rechnungsstellung im öffentlichen Sektor begünstigt haben. Ohne die Schaffung einer EU-Norm bleibt jedoch das Risiko bestehen, dass die elektronischen Rechnungen in anderen Mitgliedstaaten nicht akzeptiert werden. Auch in Deutschland gibt es Verbände und Initiativen wie das Forum elektronische Rechnung Deutschland (FeRD) und den Verband elektronische Rechnung (VeR), deren Ziel es ist, eine Digitalisierung der Rechnungsstellung voranzutreiben.

 DOK: Wie wird die Agenda 2020 nun zum Erfolg?

Marcus Laube: Bis die Agenda 2020 Erfolge verzeichnen kann, müssen noch einige Herausforderungen auf dem Weg gemeistert werden. In Bezug auf den deutschen Markt sollte analog zu anderen europäischen Ländern der Versand von elektronischen Rechnungen im öffentlichen Sektor, also in Kommunen und Behörden, verpflichtend werden. Die öffentliche Hand als größter Rechnungssender und -empfänger bundesweit sollte in diesem Fall „mit gutem Beispiel vorangehen“. Während die Schaffung eines einheitlichen Standards eine Forderung der EU ist, muss auch darauf hingearbeitet werden, strukturierte Daten statt nur PDF zu verschicken, denn nur so können die enormen Einsparpotenziale genutzt werden. Ferner müssen Politik und Verbände dafür sorgen, das Roaming zwischen den Dienstleistern auszubauen. Um eine flächendeckende Akzeptanz zu erreichen, müssen die einzelnen Systeme problemlos miteinander kommunizieren können.

DOK: Wie stehen die deutschen Behörden zum E-Invoicing?

Marcus Laube: Hierzulande geht das Bundesministerium des Innern (BMI) aktuell in Pilotprojekten mit gutem Beispiel voran. So digitalisiert beispielsweise crossinx den Rechnungseingang des Technischen Hilfswerks (THW), ein Geschäftsbereich des BMI. crossinx erfasst in dem Projekt formatunabhängig die Eingangsrechnungen des THW. Diese werden digital über eine zentrale Schnittstelle zur Weiterverarbeitung in die Warenwirtschafts-, Archiv- und Workflowsysteme des Hilfswerks übermittelt. Ziel des BMI ist es, Verwaltungen eine Richtung vorzugeben, wie sie die Digitalisierung der Rechnungsprozesse umsetzen können.

DOK: Wieso sollte ein Unternehmen auf E-Invoicing umstellen?

Marcus Laube: Wartet ein Unternehmen auf die elektronische Rechnungsumstellung seitens des Rechnungsversenders, verschwendet es unnötig Zeit, in der es längst von den Vorteilen profitieren könnte. Manuelle, langwierige Eintragungen fallen im Zuge eines einheitlichen digitalen Rechnungsstroms weg und viele der sich im Folgenden anschließenden Prozessschritte, wie die Überführung in ERP-, Archiv- oder Workflowsysteme, werden gleichzeitig optimiert. Unternehmen sind auf der sicheren Seite, wenn sie an dieser Stelle mit einem Dienstleister kooperieren, der alle Rechnungen formatunabhängig entgegen nimmt, konvertiert, validiert und prüft und über eine zentrale Schnittstelle zur weiteren Verarbeitung übergibt.
Sowohl die Kosten- als auch die Zeitersparnis in der gesamten Financial Supply Chain bei der Umstellung von Papier-basierten auf elektronische Rechnungen ist enorm. Dadurch wird die Effizienz der einzelnen Unternehmen gesteigert, wovon wiederum die gesamte europäische Wirtschaft profitiert. Durch E-Invoicing verringert sich außerdem die Komplexität des gesamten Vorgangs von der Erstellung über die Versendung und Bearbeitung einer Rechnung. Ein weiterer Vorteil elektronischer Rechnungen, der nicht außer Acht gelassen werden sollte, ist die geringere Umweltbelastung, da der Verbrauch von Papier für das Drucken der Rechnungen und deren Entsorgung stark reduziert würde. Unternehmen leisten somit einen aktiven Beitrag zum Umweltschutz.
Trotz der offensichtlichen Einsparpotenziale zögern sie oftmals, da sie ein mühseliges Projekt und einen komplexen Umstellungsprozess befürchten. E-Invoicing steht aber genau für das Gegenteil: schnelle und skalierbare Erfolge.

DOK: Wie schätzen Sie die Chancen zur Umstellung in Zukunft ein?

Marcus Laube: Einige Unternehmen haben zwar das Potenzial bereits erkannt, der Anteil von fünf bis zehn Prozent lässt jedoch noch viel Luft nach oben. Die Maßnahmen der EU sollen die Motivation zur Umstellung auf elektronische Rechnungen nun endgültig vorantreiben. Die Unternehmen, die noch zögern und darauf warten, dass entsprechende Maßnahmen der Politik irgendwann greifen und erst alle anderen handeln lassen, verschenken in den nächsten Jahren unnötig viel Potenzial und somit auch Kapital.
Mit der Umstellung zum E-Invoicing lässt sich die europäische Wirtschaft wettbewerbsfähiger gestalten. Besonderer Fokus liegt auf dem öffentlichen Sektor, der ein erhebliches Einsparungspotenzial aufweist, da dieser einer der wichtigsten in Bezug auf das Rechnungsvolumen ist. Für die einzelnen Unternehmen bedeutet E-Invoicing vor allem finanzielle Einsparungen durch geringere Kosten sowie Zeitersparnis durch eine verringerte Komplexität der Prozesse bei gleichzeitiger Umweltschonung.

DOK: Herr Laube, wir danken Ihnen für diese wichtigen Informationen.

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Bild: Fünf Meilensteine für den Umstieg auf E-Invoicing

www.crossinx.de

Marcus Laube ist Gründer und Geschäftsführer der crossinx GmbH. crossinx ist einer der führenden Anbieter von Cloud-basierten Services für die Financial Supply Chain. Flexible und skalierbare Services für E-Invoicing, EDI, Scanning/OCR, Druck und Online Factoring bilden ein flächendeckendes Portfolio für den weltweiten elektronischen Austausch von Rechnungs-, Bestell- und Lieferdokumenten sowie die gesamte Abwicklung aller dokumentenbasierten Finanz- und Geschäftsprozesse zwischen Unternehmen, ihren Kunden und Lieferanten.