Open Innovation – neue Wege für neue Ideen

Autorin – Kerstin Wiktor, Projektleiterin Innovationsmanagement, Pumacy Technologies AG

Ideen und Innovationen tauchen in der heutigen Kommunikation mehrmals täglich auf allen Kanälen auf, zudem werden sie über soziale Medien in Windeseile transportiert und sind weltweit verfügbar. Für „kleine Alltagsideen“ ist diese öffentliche Verbreitung in der Regel ein adäquates Vorgehen. Im professionellen Umfeld jedoch ist es zunächst existenziell für den Ideengeber, seine Gedanken in geschützter Umgebung zu entwickeln.

Allerdings beinhaltet diese Entwicklungsphase auch den Austausch mit Experten – und an dieser Stelle tauchen erste Fragen nach dem Procedere auf. Wie lässt es sich organisieren, in einer zunehmend schneller und komplexer werdenden Welt wissenschaftliches und operatives Expertenwissen zusammenzuführen? Wie gelingt es, auch wirklich jeden Experten für die jeweilige Fragestellung einzubeziehen und dabei relevante Mechanismen zum Schutz geistigen Eigentums zu berücksichtigen? Wie können neueste Erkenntnisse in die Entwicklung einer Idee einfließen, ohne dass diese in falsche Hände gelangen, aber dennoch Wissen über Branchen, Hierarchien oder Territorien hinweg ausgetauscht werden kann?

Innovation = Zu- und Abfluss von internem wie externem Wissen

Wie sind Innovationen heute also möglich? Bereits vor mehr als zehn Jahren prägte Henry Chesbrough – Professor der Haas School of Business an der University of California, Berkeley – den Begriff „Open Innovation”. Seiner Definition nach erklärt er damit „den zweckmäßigen Zu- und Abfluss von Wissen zur Beschleunigung von Innovationen. Mit inzwischen weltweit verteiltem Wissen können sich Unternehmen nicht mehr ausschließlich auf ihre eigene Forschung verlassen, sondern sollten Erfindungen oder geistiges Eigentum dann von anderen Unternehmen akquirieren, wenn es das Geschäftsmodell weiterentwickelt.“ [1]

Seither nähern sich Theorie und Praxis immer weiter an: Open Innovation wird laut Trendindex 2013.1 des 2b.Ahead Think Tank [2] von mehr als zwei Dritteln der befragten Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen als sehr relevant für ihre Branche eingestuft und gewinnt weiter an Bedeutung. In zwei bis fünf Jahren wird der Trend seine größte Relevanz erreichen, so die Aussagen. Besonders in der Automobilindustrie, in den Bereichen Mobilität und Logistik, dem Gesundheitswesen sowie bei Dienstleistungen und Finanzen wird Open Innovation kurz- bis mittelfristig einen weiteren Bedeutungsschub erhalten.

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Bild 1: Open Innovation bedeutet die Einbeziehung interner und externer Ideen (nach Henry Chesbrough)

Aus ökonomischer Sicht ist es heute nahezu unmöglich, alle Kompetenzen und Experten im eigenen Unternehmen, der eigenen Organisation, ja zum Teil sogar im eigenen Land zu finden. Im Zuge einer globalisierten Welt sind Experten jeglicher Art heute in allen Branchen und auch an entlegenen Flecken anzutreffen. Für schnelle und erfolgreiche Innovationen ist es somit fast unausweichlich, externe Ideengeber, Forscher, Entwickler und Fachexperten in die eigene Forschungs- und Entwicklungslandschaft zu integrieren. In vielen Chefetagen wächst daher inzwischen die Überzeugung, dass externe Ideen als ebenso wertvoll betrachtet werden müssen wie interne und dass eine in den Entwicklungsabteilungen noch vorherrschende „Not-invented-here“-Mentalität schnelle Innovationen bremst.

Ein Zeichen dafür sind die zum Teil noch jungen oder im Entstehen begriffenen HUBs – Joint Ventures zwischen Unternehmen, auch im Wettbewerb stehende, mit dem Ziel, gemeinsam an der Entwicklung neuer Technologien zu arbeiten. Eines davon ist z.B. Hubject – ein Zusammenschluss von BMW, Daimler, RWE, EnBW, Siemens und Bosch im Bereich Elektromobilität.

Besonders in der Industrie muss sich jedoch die Erkenntnis noch flächendeckend durchsetzen, dass bei der Entwicklung von Ideen zur Marktreife ebenso interne wie auch externe Fachexperten flexibel hinzugezogen werden und dass jede Möglichkeit zur Vermarktung guter Ideen in Betracht kommen kann, sofern diese der Beschleunigung der Technologieentwicklung allgemein dient – auch wenn sie nicht zum ursprünglichen Unternehmensportfolio passt. Open Innovation im vollen Umfang bedeutet das Zulassen von Offenheit über den gesamten Innovationsprozess hinweg, die Verwertung, den Markt und dem zugrundeliegenden bis hin zu neuen Geschäftsmodellen eingeschlossen. Die OIA Market Study 2013 der RWTH Aachen [3] besagt, dass sich in den kommenden Jahren der Schwerpunkt von Open-Innovation-Projekten von der Ideensuche sukzessive in Richtung Markt- und Technologiesuche verlagern wird.

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Bild 2: Markt- und Technologiesuche von Unternehmen nimmt zu (Quelle: OIA Market Study 2013 der RWTH Aachen)

Neue Innovationskultur ermöglicht neue Geschäftsmodelle

Wenn es gelingt, durch professionelles Innovationsmanagement dahin zu kommen, dass keine gute Idee, keine Erfindung in irgendeiner Schublade verstaubt, ohne dass der Markt sie wirklich und endgültig abgelehnt hat, werden Unternehmen ihr reales Innovationspotenzial heben können. Wenn Ideen und Produkte, die neue Geschäftsmodelle erfordern, konsequent aus Sicht der Vermarktung betrachtet werden, wenn Marketing und Vertrieb bereits in einem frühen Stadium in die Gestaltung potenzieller Geschäftsmodelle einbezogen werden, ergeben sich für Unternehmen weitreichende Möglichkeiten, konjunkturelle Schwankungen unbeschadet zu meistern und sogar gestärkt daraus hervorzugehen. Das allerdings erfordert eine ganzheitlich offene Innovationskultur auf allen Ebenen – angefangen beim Top-Management bis hin zum Azubi.

Unternehmen wie IBM oder 3M sind Vorreiter bei der Einbeziehung externer Ideen und der externen Verwertung von eigenen Ideen und Entwicklungen. In ihren Unternehmensstrategien sind Einnahmen aus der Verwertung von Rechten des geistigen Eigentums (Intellectual Property, IP) als feste Ergebnisgrößen und Bilanzposten seit langem etabliert. IP-Rechte werden zur Ware, wenn sie im eigenen Unternehmen keine Verwendung finden, sich jedoch am Markt ein adäquater Wert dafür ermitteln lässt. Spezialisierte Dienstleister halten hierfür besondere Bewertungsalgorithmen vor und erleichtern damit die Prognose des potenziellen Marktwertes und somit die Entscheidung für oder gegen eine externe Verwertung. Das reduziert Kosten für ungenutzte IP-Rechte und ermöglicht eine Refinanzierung z.B. durch Patent- oder Gebrauchsmusteranmeldung für diese geschützten Ideen, in die in wie auch immer gearteter Weise investiert wurde. Damit werden finanzielle Mittel frei, die das Unternehmen in die Entwicklung anderer, zur Unternehmensstrategie passendere Produkte und Dienstleistungen fließen lassen kann. Ungenutzte, brachliegende Ideen werden so zum Erlösfaktor. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus die Offenheit gegenüber der strategischen Inklusion fremder Ideen oder IP-Rechte durch Zukäufe, sofern sie das eigene Portfolio bereichern.

Offenheit und geistiges Eigentum – keineswegs ein schmaler Grat

 In Zeiten von Social Media gibt es praktisch keinen Grund mehr, warum Unternehmen oder Forschungseinrichtungen auf ihren F&E-Ergebnissen sitzen bleiben oder an verschiedenen Stellen auf dem Globus Parallelentwicklungen finanziert werden und dringend benötigtes Wissen zurückgehalten wird. Nicht nur Unternehmen der Privatwirtschaft, auch die öffentliche Hand hat nichts zu verschenken. Hier besteht die Herausforderung vor allem in der Umgestaltung von Strukturen und Prozessen sowie der Entwicklung „innovationsfreundlicher“ Denkmuster.

Neben der Entwicklung der entsprechenden Innovationskultur bedarf es eines zweiten wichtigen Bestandteils: einer für Open Innovation geeigneten digitalen Plattform. Diese muss sowohl die Beteiligung Externer im Sinne von Social Business zulassen, als auch über entsprechende Bereiche verfügen, zu denen nur berechtigte Personen Zugang haben, so dass neben der allgemeinen IT-Sicherheit die Geheimhaltung im Einzelfall gewährleistet ist. Die neueste Studie der internationalen Strategieberatung Booz & Company [4] ermittelte, dass bereits heute 8,1 Prozent der F&E-Budgets der 1000 forschungs-intensivsten Unternehmen in die Digitalisierung des Innovationsprozesses, in neuartige Werkzeuge fließen. Diese Werkzeuge sind sowohl Eigenentwicklungen von Unternehmen als auch am Markt verfügbare Standardlösungen.

Optimal ist es, wenn ein Open-Innovation-Werkzeug Funktionen beinhaltet, die eine zusätzliche Innovationsmanagement-Software – nur für interne Abläufe – obsolet macht, weil sie bereits integriert sind und die bestenfalls über Schnittstellen zur internen IT-Landschaft verfügt. Das erhöht die Akzeptanz auf allen Ebenen. Mitarbeiter oder Externe können unter Beachtung der Schutzwürdigkeit ihre Ideen auf eine Plattform stellen, ihren Beitrag zu gestellten Aufgaben leisten und erhalten unmittelbar bzw. in definierten Zeitabständen Feedback, sinnvollerweise unterstützt durch eine Gamification-Komponente. Wenn der Innovationsmanager alle organisatorischen und inhaltlichen Fragen über die Plattform lösen kann, verschiedene Innovationsprozesse abgebildet werden und das Management sich auf derselben Plattform einen schnellen Überblick über die Innovationsaktivitäten, Flaschenhälse, Entwicklungen und Statistiken verschaffen kann, wird Innovationsmanagement vom Kosten- zum Erlösfaktor und ein strategisches Steuerungsinstrument, an dem alle Beteiligten gleichermaßen Spaß haben.

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Bild 3: Gemeinsames Ideenmanagement über eine Plattform

Der Open-Innovation-Ansatz verbindet alle Marktteilnehmer

Spricht man von Open Innovation, so bezieht sich der Begriff auf alle gesellschaftlichen Bereiche, denn Innovation ist sowohl im mikro- als auch makroökonomischen Sinne von Bedeutung. Der Zauber besteht in der Verbindung innovativer Ökosysteme zu einer „Innovation Community“, wie zum Beispiel der Induct Open-Innovation-CommunityTM.

Zur Öffnung verschiedener Innovationskanäle gehört auch, dass z.B. das Potenzial des Öffentlichen Bereichs durch eine nachfrageseitige Innovationspolitik aktiv für die Erprobung und den Einsatz innovativer Produkte und Lösungen genutzt und die Öffentliche Hand so zum Katalysator für Innovationen entwickelt wird. Sie trägt auf diese Weise ebenfalls zur Umsetzung einer innovationsorientierten Forschungs- und Innovationspolitik bei – und kann einem Marktversagen von innovativen Lösungen, die beispielsweise in Forschungsprojekten entwickelt werden, rechtzeitig vorbeugen bzw. korrigierend in die Entwicklung eingreifen. Hierfür sind neben geeigneten Maßnahmen und Programmen auch Veränderungen in den gängigen Vergabeprozessen erforderlich.

Neue Instrumente einer innovationsorientierten Beschaffung, wie sie mit der vorkommerziellen Beschaffung (Precommercial Procurement, PCP) und der Beschaffung von Innovationen (Public Procurement of Innovation) bereits heute von der EU und vom Bund eingeschlagen werden, zeigen neue Perspektiven und Chancen auf. Diese Wege orientieren sich u.a. an internationalen Erfahrungen aus den USA und China. Besonders in den USA liegt das Beschaffungsvolumen innovativer Güter weit über dem in Deutschland. Auch China macht es sich zur Aufgabe, die öffentliche Beschaffung zum Instrument zur Verbreitung inländischer Innovationen einzusetzen [5]. Nach Angaben des BMWi [6] liegt das Beschaffungsvolumen der öffentlichen Hand in Deutschland Schätzungen zufolge bei etwa 300 Milliarden Euro im Jahr. Das Potenzial, durch veränderte Rahmenbedingungen innovative Produkte in den Markt einzuleiten, ist enorm. Jeder kann sich ausrechnen, was es bedeutet, nur ein Prozent der Beschaffungskosten durch den Einsatz innovativer Produkte und Dienstleistungen und durch Bündelung von Beschaffungsprozessen zu sparen! Ganz abgesehen von den wirtschaftlichen Auswirkungen z.B. auf die Arbeitsmarktsituation, die der Einsatz eigener innovativer Lösungen bewirkt. Erste Maßnahmen zur Umsetzung wurden durch den Bund bereits eingeleitet.

So wurde 2013 das Kompetenzzentrum innovative Beschaffung (www.koinno-bmwi.de) eingerichtet und mit der Aufgabe betraut, Beschaffungsstellen beim Erwerb von neuen Produkten, Dienstleistungen und Systemlösungen zu beraten. Das trägt dazu bei, öffentliche Beschaffungsstellen im Veränderungsprozess zu unterstützen. Die Bereitstellung einer entsprechenden Open-Innovation-Plattform, wie sie oben beschrieben ist, könnte hierfür die digitale Unterstützung liefern.

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Abb: Eine Open-Innovation-Plattform ermöglicht eine moderne Innovationskultur

Nicht nur die öffentliche Hand profitiert von einer modernen Innovationskultur – solche Veränderungen wirken gleichermaßen positiv auf die gesamte Wirtschaft. Unternehmen werden zu eigenen Beiträgen motiviert, da sich mit den zusätzlichen Vermarktungskanälen völlig neue Verwertungschancen ergeben. Hier sind es vor allem die hochinnovativen kleinen und mittelständischen Unternehmen, denen der Zugang zum Markt erleichtert wird und die so ihr innovatives Potenzial besser ausschöpfen können.

Ebenfalls kann es schneller gelingen, Forschungsergebnisse aus dem akademischen Umfeld in die Praxis zu überführen, da Wissenschaftler in die entsprechenden Marktüberlegungen einbezogen werden und ihre Ergebnisse einer größeren – auch internationalen – Nutzergemeinschaft angeboten werden. Eine weitere spannende Option ist die, Venture Capital für Entwicklungen anzulocken, da Investoren dem Innovationsprozess folgen und rechtzeitig ihre Entscheidungen für finanzielle Unterstützung treffen können.

Fazit

Überblickt man die aktuellen Entwicklungen und zieht zudem die Ergebnisse der angeführten Studien zu Rate, geht die Reise für Unternehmen eindeutig in Richtung „Open Innovation“. Ein Beispiel wie ein mutiges und hochinnovatives Berliner KMU aus der Medizintechnikbranche erste Schritte unternimmt, um seinen Innovationsprozess neu zu strukturieren und dabei durch Einsatz der Open-Innovation-Software der Firma Induct A.S. die Öffnung im Sinne von Open Innovation zulässt, stellen wir gern in einer der nächsten Ausgaben vor.

Quellenverweise

[1] Im Original: „Open Innovation: the use of purposive inflows and outflows of knowledge to accelerate innovation. With knowledge now widely distributed, companies cannot rely entirely on their own research, but should acquire inventions or intellectual property from other companies when it advances the business model.“ (Quelle: http://openinnovation.berkeley.edu)

[2] Trendindex 2013.1 des 2b.Ahead Think Tank (http://www.2bahead.com/uploads/media/Summary_Trendindex_2013_01.pdf)

[3] OIA Market Study 2013 der RWTH Aachen (http://mass-customization.de/oi-market-study-2013)

[4] Strategieberatung Booz & Company, „Global Innovation 1000“ (vgl. http://www.booz.com/media/file/BoozCo_2013-Global-Innovation-1000-Study-Navigating-the-Digital-Future_Media-Report.pdf, S. 10)

[5] vgl. EFI-Gutachten 2013 der Bundesregierung, “Jahresgutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2013“

[6] vgl. BMWI, http://www.bmwi.de/DE/Themen/Technologie/Rahmenbedingungen/innovation-beschaffungswesen.html

www.pumacy.de

 Kerstin Wiktor, Projektleiterin Innovationsmanagement für die Bereiche Open Innovation und KMU-Beratung bei der Pumacy Technologies AG. Das Unternehmen ist führender Anbieter für Wissens-, Prozess- und Innovationsmanagement. Pumacy ist in der Luftfahrt- und Automobilindustrie, dem Maschinen- und Anlagenbau sowie den Life Sciences aktiv und ist vom BMWi für geförderte Innovationberatung von KMU autorisiert.