DOK.Expertenrunde: ZUGFeRD am Start

DOK.Expertenrunde mit :

Biffar-2

Jürgen Biffar, Geschäftsführer der DocuWare GmbH,

Engel-Flechsig-1Stefan Engel-Flechsig, Rechtsanwalt,

Pelekies-1Andreas Pelekies, Senior Manager E-Business/GDSN, GS1 Germany

und

Wild-1Dr. Bernd Wild, Geschäftsführer intarsys consulting GmbH.

Das Forum elektronische Rechnung Deutschland (kurz FeRD genannt), ist die nationale Plattform von Verbänden, Ministerien und Unternehmen zur Förderung der elektronischen Rechnung in Deutschland. Das Forum soll die Akzeptanz und die Verbreitung elektronischer Rechnungen in Deutschland erhöhen und hat unter dem Namen ZUGFeRD („Zentraler User Guide des Forums elektronische Rechnung Deutschland“) ein einheitliches Datenformat entwickelt – damit auch kleinen und mittleren Unternehmen die Vorzüge der E-Rechnung zugutekommen. Wir sprachen mit Jürgen Biffar, stellv. Vorstandsvorsitzender Kompetenzbereich ECM im BITKOM, Stefan Engel-Flechsig, Leiter Forum elektronische Rechnung Deutschland, Andreas Pelekies, Senior Manager E-Business/GDSN bei GS1 Germany, und Dr. Bernd Wild, Geschäftsführer intarsys GmbH, über die Hintergründe, Voraussetzungen und das Potenzial des ZUGFeRD-Datenmodells.

DOK.magazin: Der elektronische Rechnungsaustausch hat für Unternehmen und öffentliche Verwaltungen eine Reihe von Vorteilen. Können Sie diese – insbesondere unter dem Aspekt ZUGFeRD – kurz zusammenfassen?

Stefan Engel-Flechsig: Schnellere und effizientere Arbeitsabläufe, geringere Zahlungsverzögerungen sowie niedrigere Druck- und Portokosten sind die grundlegenden Vorteile der digitalen Bereitstellung von Rechnungsdaten, verbunden mit einer Senkung der Fehlerquote, einer Verbesserung der Transparenz und einer Beschleunigung der Prozessschritte bei der Rechnungsbearbeitung. Damit ergeben sich bei einem flächendeckenden Umstieg von der papierbasierten zur elektronischen Rechnung Einsparpotenziale von vielen Milliarden Euro pro Jahr.
Letzten Endes steckt der tatsächliche Mehrwert in der automatisierten Verarbeitung der strukturierten Rechnungsinhalte, so wie es das ZUGFeRD-Datenformat sicherstellt. Es wurde vom Forum elektronische Rechnung Deutschland (FeRD) entwickelt und ermöglicht nicht nur die automatisierte Buchung und die gesetzeskonforme Archivierung von Rechnungen. Auch die Einhaltung organisatorischer Richtlinien und rechtlicher Anforderungen, zum Beispiel die Prüfung nach § 14 UStG, werden mit dem Format erleichtert.

DOK.magazin: Um den unterschiedlichen Anforderungen beim digitalen Rechnungsaustausch gerecht zu werden, liegt einer ZUGFeRD-Rechnung eine spezielle Kombination von PDF- und XML-Datenformaten zugrunde. Das klingt zunächst kompliziert. Wo sehen Sie die unmittelbare Praxistauglichkeit dieses Konzepts? 

Andreas Pelekies: ZUGFeRD ist das einfachste Datenformat für den Versand von elektronischen Rechnungen. Denn damit kann man zum einen Rechnungen im sogenannten PDF/A-Format per E-Mail verschicken und empfangen. Diese Version kann über einen entsprechenden Standard-Reader ganz einfach „gelesen“ werden. Gleichzeitig werden die identischen Rechnungsdaten im XML-Format in das PDF-Dokument eingebettet. Damit ist die Rechnung zusätzlich maschinenlesbar und kann demzufolge auch automatisch verbucht werden.
Der Rechnungsempfänger hat also nun die Wahl, ob er die Rechnungsbearbeitung manuell bzw. halbautomatisch auf Basis des PDF-Beleges oder automatisiert auf Basis der XML-Datei organisiert. Denn beide Formate können sowohl als Buchungshilfen in ERP-Systemen als auch zur bildhaften Darstellung in Workflow- und Archivsystemen genutzt werden. Fest steht, dass sich gerade durch diese speziellen Optionen von ZUGFeRD der elektronische Rechnungsaustausch wesentlich schneller, komfortabler und auch einfacher gestaltet.

DOK.magazin: Warum wurde gerade PDF/A-3 als optimales Trägerformat für den Austausch von ZUGFeRD-kompatiblen Rechnungen definiert?

Dr. Bernd Wild: PDF/A-3 bietet sich aus verschiedenen Gründen als Trägerformat für ZUGFeRD-kompatible Rechnungen an. PDF/A ist bereits seit 2005 als ISO-Norm veröffentlicht. Damit basiert das Format auf einem internationalen, für jedermann einsehbaren und öffentlichen Standard und ist herstellerunabhängig.
Für ZUGFeRD wird der Normteil 3 von PDF/A eingesetzt. Dieser ist im Oktober 2012 unter der Bezeichnung 19005-3:2012 bei der ISO erschienen. Der große Vorteil ist, dass mit PDF/A-3 das Belegbild der Rechnung und deren Daten als XML in einer Datei verbunden sind. Das bedeutet, alle Systeme können damit arbeiten, gleich ob sie den Vorteil der XML-Daten nutzen oder nicht. Außerdem ist PDF/A-3 für die Langzeitspeicherung entwickelt worden, so dass sichergestellt ist, dass das bildliche Abbild der Rechnung dauerhaft visualisiert werden kann. Auf einen Nenner gebracht: PDF/A-3 ist ein qualitativ gutes, visuell stabiles und maschinell problemlos verarbeitbares PDF, das auch als „elektronisches Papier“ bezeichnet werden kann.

DOK.magazin: Welche technischen Voraussetzungen müssen Unternehmen bzw. öffentliche Einrichtungen erfüllen, um ZUGFeRD-Rechnungen erstellen und verarbeiten zu können?

Dr. Bernd Wild: Zunächst muss die Frage geklärt werden, wie hoch der allgemeine Aufwand in den Unternehmen und Behörden zur Umstellung des Rechnungseingangs und -ausgangs auf digitale Prozesse ist. Wenn bereits elektronische Rechnungen per PDF oder per EDI versandt oder empfangen werden, ist die Umstellung auf ZUGFeRD mit relativ geringem Aufwand zu realisieren. Die Zahl der Software-Hersteller, die das Datenformat in ihren Produkten unterstützen, steigt seit der ersten Veröffentlichung auf der CeBIT 2013 schnell. Mit den Folge-Releases der Software können die Kunden der Hersteller die Vorteile von ZUGFeRD nutzen, ohne extra dafür investieren zu müssen. Für andere Anwender lohnt sich der Einsatz von freien oder kommerziellen Komponenten zur eigenen Integration in ihre IT-Prozesse. Der Implementierungsaufwand bei Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen beschränkt sich nach unserer Erfahrung auf wenige Tage.

DOK.magazin: Sind die XML- oder die PDF-Bestandteile einer ZUGFeRD-Rechnung für den Empfänger verbindlich?

Bernd Wild: Die elektronische Rechnung im ZUGFeRD-Datenformat besteht immer aus einer PDF-Datei mit eingebetteter XML-Datei. Beide Dateien, die bildliche Darstellung als PDF sowie der maschinell auswertbare Datensatz, enthalten dieselben Rechnungsinformationen, sind also inhaltlich gleichbedeutend. Dem Rechnungsempfänger bleibt es überlassen, ob er seine Rechnungsbearbeitung manuell auf Basis des PDF-Beleges oder automatisiert auf Basis der XML-Datei abwickelt.
Mit der bildlichen Darstellung im PDF/A-Format sollen vor allem kleine und mittlere Unternehmen Rechnungen ohne aufwändige Hilfsmittel lesen und weiterverarbeiten können. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie nicht an der Verarbeitung der strukturierten Daten interessiert sind oder noch nicht über die Möglichkeiten in ihren Systemen verfügen.

DOK.magazin: Einen wesentlichen Punkt müssen wir noch erwähnen. Ist das ZUGFeRD-Datenmodell für den Rechnungsaustausch mit dem Ausland verwendbar?

Stefan Engel-Flechsig: Selbstverständlich. Zwar wird zurzeit die Verbreitung von ZUGFeRD vor allem im deutschsprachigen Raum forciert, das von FeRD spezifizierte Datenmodell kann aber auch außerhalb des deutschsprachigen Raumes eingesetzt werden. Mit gutem Grund, denn ZUGFeRD basiert auf den durch das europäische Standardisierungsgremium CEN entwickelten Standards Cross Industry Invoice (CII) und Massage User Guides (MUG). Das bedeutet, dass alle Grundsteine für die Etablierung von ZUGFeRD als einheitliches europäisches Format bereits gelegt sind.
Das europäische Gremium für elektronische Rechnung, das „European Multi Stakeholder Forum on Electronic Invoicing“, hat einmütig eine Empfehlung verabschiedet, die das gleiche Datenmodell vorsieht und die jetzt auch Grundlage für die europäische Normierung in CEN sein wird. Durch die direkte Mitwirkung des Forums elektronische Rechnung (FeRD) im europäischen Multi-Stakeholder Forum werden die Interessen des ZUGFeRD-Datenmodells nachhaltig vertreten.

DOK.magazin: Wann wird das ZUGFeRD-Datenmodell offiziell verabschiedet?

Stefan Engel-Flechsig: Am 5. Juni 2013 wurde der sogenannte „Release Candidate“ fertiggestellt, der bereits zur Erstellung entsprechender Anwendungen genutzt werden kann und auch wird. Nach der Stellungnahme von Verbänden und öffentlicher Verwaltung ist die endgültige Fertigstellung des ZUGFeRD-Datenformats in der Version 1.0 für das Frühjahr 2014 geplant. Dann können kleine und mittlere, aber auch große Firmen sowie öffentliche Einrichtungen von den Vorteilen des standardisierten elektronischen Rechnungsaustauschs profitieren und zwar sowohl beim Rechnungseingang als auch beim -ausgang.

DOK.magazin: Wie schätzen Sie die künftige Akzeptanz und Verbreitung von ZUGFeRD ein?

Jürgen Biffar: Der Nutzen von ZUGFeRD für die Wirtschaft ist immens: Prozesse werden beschleunigt, der Zahlungsverkehr vereinfacht und Kosten insgesamt gesenkt. In Kürze wird es Werkzeuge geben, die für jedermann die Erzeugung von ZUGFeRD-konformen Rechnungen ermöglichen. Daher werden die Unternehmen den neuen Standard sehr schnell übernehmen.

DOK.magazin: Noch kurz zur Kompatibilität mit verschiedenen Systemen zur Organisation und Verwaltung von Geschäftsprozessen. Wie können beispielsweise SAP-Anwender ZUGFeRD umsetzen?

Andreas Pelekies: Auch SAP-Anwender können ZUGFeRD-kompatible Rechnungen ohne großen Aufwand erstellen und verarbeiten. Elektronische ZUGFeRD-Rechnungen können in SAP ähnlich zu anderen Rechnung stellenden Systemen umgesetzt werden. Eine Variante besteht darin, die Rechnung aus SAP im ZUGFeRD-XML-Format auszugeben und daraus eine PDF-Datei zu erzeugen. Beide Komponenten werden dann vor dem Versand verheiratet. Geht auf der Eingangsseite eine ZUGFeRD-Rechnung per E-Mail ein, werden die XML-Daten extrahiert und sofort zur Buchung weitergereicht. Sowohl für die Ausgangs- als auch für die Eingangsseite von ZUGFeRD-Rechnungen mit SAP existieren bereits Lösungen auf dem Markt.

DOK.magazin: Inwieweit betrifft ZUGFeRD die ECM-Branche?

Jürgen Biffar: ECM-Lösungen unterstützen bereits heute den Empfang, die Verarbeitung und Archivierung von Eingangsrechnungen. Durch den ZUGFeRD-Standard können diese Prozesse schneller und sicherer abgebildet werden, weil die dafür erforderlichen Rechnungsdaten nun eindeutig und verlässlich aus den Dokumenten ausgelesen werden können.
Die meisten ECM-Anbieter haben entsprechende Funktionen bereits implementiert oder sie arbeiten daran. ZUGFeRD wird die Akzeptanz von ECM-Lösungen zusätzlich fördern.

DOK.magazin: Wir danken Ihnen für dieses aufschlussreiche Gespräch! 

Forum elektronische Rechnung Deutschland (FeRD)

Das Forum wurde am 31. März 2010 in Berlin unter Beteiligung verschiedener Ministerien des Bundes und der Länder, des Bundeskanzleramts (Sekretariat des Nationalen Normenkontrollrates, Geschäftsstelle Bürokratieabbau) sowie der Spitzenverbände der Wirtschaft, einiger Fachverbände unter dem Dach der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie auf Beschluss des Deutschen Bundestages geförderten Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e. V. (AWV) gegründet.

Seine Aufgabe besteht darin, das Thema „elektronische Rechnungen“ unter technischen, geschäftlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Gesichtspunkten aufzubereiten sowie geeignete Maßnahmen zum raschen und einfachen Einsatz elektronischer Rechnungen vorzubereiten, zu koordinieren und umzusetzen.

www.docuware.com
www.ecm-navigator.de

Jürgen Biffar ist Geschäftsführer der DocuWare GmbH und stellvertretender Vorstandsvorsitzender des BITKOM-Kompetenzbereiches ECM. BITKOM ist der Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche und vertritt mehr als 2.000 Unternehmen, davon über 1.200 Direktmitglieder. BITKOM arbeitet aktiv an der Implementierung des ZUGFeRD-Datenformats mit.

www.ferd-net.de

Stefan Engel-Flechsig, Rechtsanwalt, verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrungen in den Bereichen Informatik, Recht und Internet und vertritt die Bundesrepublik Deutschland im EU Multistakeholder-Forum „Elektronische Rechnungsstellung“ und leitet die Rechtsarbeitsgruppe. Dem Forum elektronische Rechnung in Deutschland bei der AWV e.V./Frankfurt steht er seit 2010 vor.

www.gs1-germany.de

Andreas Pelekies arbeitet als Senior Manager E-Business/GDSN bei GS1 Germany. Gleichzeitig ist er Leiter des Arbeitspaketes AP3, Technische Standards und ZUGFeRD, im Forum elektronische Rechnung Deutschland. GS1 Germany fördert die Anwendung neuer Technologien zur vollautomatischen Identifikation von Objekten (EPC/RFID), zur standardisierten elektronischen Kommunikation (EDI) und bietet Lösungen für mehr Kundenorientierung (ECR – Efficient Consumer Response) an. Seit dem 1. Juli 2013 versendet es als eines der ersten Unternehmen in Deutschland Rechnungen als ZUGFeRD-PDF.

www.intarsys.de
www.pdfa.org

Dr. Bernd Wild ist Geschäftsführer der intarsys consulting GmbH und Leiter des Arbeitspaketes AP3, Technische Standards und ZUGFeRD, im Forum elektronische Rechnung Deutschland. Die intarsys GmbH ist auf sichere Softwarelösungen und Technologien für qualifizierte und fortgeschrittene elektronische Signaturen, Zeitstempel und Langzeitarchivierung PDF/A spezialisiert. Gleichzeitig arbeitet intarsys aktiv an der Entwicklung und Umsetzung des ZUGFeRD-Datenformats mit.