Collaboration – die Unternehmensstrategie entscheidet

Reiner Gratzfeld, Vorstandsvorsitzender der DNUG und Joachim Haydecker, Mitglied des DNUGBeirats

Für den Austausch in sozialen Netzwerken sind Social Business-Plattformen hervorragend geeignet, um die tägliche Flut an Informationen zu bewältigen. Aber um diese Systeme sinnvoll nutzen zu können, müssen sie in ein Konzept eingearbeitet werden, denn sie verändern grundlegend die Art und Weise, wie im Unternehmen kommuniziert wird. Der Austausch erfolgt nicht mehr 1:1 (Telefon, E-Mail) oder 1:n (E-Mail), sondern n:m! Blogbeiträge können von jedem im Unternehmen gelesen, geliked, kommentiert und weiterverteilt werden. E-Mails hingegen sind erst einmal nur für die Empfänger bestimmt.

IBM Notes/Domino vs. IBM Connections

IBM (ehemals Lotus) Notes/Domino bietet bereits seit über 20 Jahren Funktionalitäten, die über die reine E-Mail Kommunikation hinausgehen. Unterhält man sich mit langjährigen Notes-Anwendern über die Vorzüge von Social Business-Plattformen, erhält man oftmals nur ein kurzes Schulterzucken und die Antwort, dass man bis auf das „Liken“ und das „Freunde Netzwerk“ bereits alles lange kennt und nutzt. Lediglich diejenigen, die Domino als reinen E-Mail-Server einsetzen, sehen größere Unterschiede.

Vergleicht man die Social Business-Plattform IBM Connections mit IBM Notes/Domino, würde sich eine Liste im Wesentlichen auf einen gravierenden prinzipiellen Unterschied beschränken: Domino-Anwendungen speichern die Informationen in einer Datenbank und diese wird zentral administriert, d.h. eine zentrale Stelle entscheidet darüber, ob es diese Datenbank gibt, wer sie nutzen darf und wer nicht. IBM Connections funktioniert genau anders herum. Der Anwender selbst sucht sich die Kollegen, Blogs und Communities aus, die für seine Arbeit relevant sind. Es ist die Verlagerung der Verantwortung bei der Nutzung von Informationen. Der Mitarbeiter ist selbst dafür verantwortlich, an die für ihn notwendigen Informationen zur Erfüllung seiner Aufgaben zu kommen oder diese bereitzustellen.

Dieser Unterschied wird an einem Beispiel deutlich: Der Verantwortliche eines Unternehmens adressiert in regelmäßigen Abständen die gleiche Nachricht via E-Mail an alle Mitarbeiter, diese wurde x-fach in die jeweiligen Inboxen verschickt. Damit nicht jeder Anwender hausweite E-Mails versenden kann, wurden aufwändig Sperren eingebaut. Viel IT-Aufwand wird betrieben, um diesen Vorgang zu optimieren. Mit allen Vor-, aber in diesem Fall auch jeder Menge von Nachteilen:

  • War ein Fehler in der E-Mail, dann ist dieser bei allen Empfängern, ein weiterer Versand wird notwendig.
  • Die Datenmenge ist in größeren Unternehmen beträchtlich.
  • Die E-Mail wurde außerdem für spätere Recherchen in einem Online-Archiv gespeichert.
  • Ein wirklicher Rückkanal ist nicht vorhanden bzw. unerwünscht.

In IBM Connections wird für diese Aufgabe ein Blog eingerichtet. Mitarbeiter abonnieren diesen und bleiben so auf dem Laufenden. Ein öffentlicher Austausch ist über die Kommentarfunktion möglich (und erwünscht). Die benötigten IT-Ressourcen sind marginal. Bei einem Fehler in der Nachricht ist der Beitrag schnell korrigiert. Aber: Jeder einzelne Mitarbeiter ist selber dafür verantwortlich, den Blog der Chefetage zu abonnieren.

Für die Entscheidung IBM Connections oder IBM Notes/Domino müssen sich Unternehmen demzufolge mit ihren Anforderungen an die Kommunikation auseinandersetzen und ein entsprechendes Konzept entwickeln. Beide Plattformen können sich durch die verfügbaren Schnittstellen in ihren Aufgaben ergänzen. Dazu gehört, dass alle Plattformen über offene Schnittstellen verfügen oder, soweit noch nicht geschehen, diese nach und nach hinzugefügt werden. Damit ist es möglich, dass die Statusmeldung aus einer Domino-Workflow-Anwendung im Activity Stream von Connections erscheint und der Benutzer diese dort direkt bearbeiten und zurück zum Workflow senden kann. Diese offenen, standardisierten Schnittstellen stehen nicht nur innerhalb der IBM-Produktfamilie zur Verfügung, sondern sie können von Anwendungen anderer Hersteller genutzt werden.

 art3_bild1Bild 1: Kreis neue Anwendungen

Ein weiterer Baustein im Aufbau einer umfassenden Kommunikations- und Informationswelt ist die Entwicklungsumgebung XPages – eine moderne Möglichkeit, in Notes Anwendungen zu entwickeln. Diese Anwendungen basieren auf den neuesten Webstandards. XPages-Anwendungen können im Notes-Client, im Browser und auf mobilen Endgeräten laufen. Über die verfügbaren Schnittstellen können Informationen aus Notes-Anwendungen, IBM Connections und IBM Sametime abgerufen und in neuen oder bestehenden Anwendungen verwendet werden.

Herausforderungen bei der Einführung von Collaboration

Im Laufe der Jahre haben sich die Anforderungen an Informationsprozesse in Unternehmen verändert. Auf detaillierte Workflows, unendlich lange Zugriffs- und Beschränkungslisten und auf die in der Theorie u.U. notwendigen vielen Informationsfelder wird dabei oft zugunsten einer einfachen Anwendung verzichtet. Trotzdem werden individuelle Lösungen wie Workflows oder Prozessdaten weiter eine wichtige Rolle spielen. Dabei ist es gleich, ob ein Teil der Anwendung auf einem Server im eigenen Haus betrieben wird und ein anderer in einer – wie auch immer gearteten – Cloud-Lösung.

Zusätzlich gilt es den Schatz an Informationen, die in den neuen Social Business-Plattformen stecken, nutzbar zu machen. Die Informationen werden dabei mit Hilfe von Analysewerkzeugen aufbereitet und dann über entsprechende Programmierschnittstellen in bestehenden oder gänzlich neuen Anwendungen verwendet:

In einer neuen Applikation werden die Daten aus verschiedenen Projektanwendungen an einer Stelle zusammengeführt. Dies sind neben den involvierten Personen und Ressourcen auch die harten Fakten, Zahlen, Tabellen und alle Dateien sowie der Community Blog mit dem Projekttagebuch. Kommende Projekte erhalten hieraus alle wichtigen Informationen. Im Kern geht es dabei darum, die verschiedenen Werkzeuge und die dazugehörigen Daten so aufzubereiten und zu verknüpfen, dass sie ein sinnvolles Neues ergeben. Die notwendigen Werkzeuge für diese neuen Anwendungsfälle sind vorhanden, auch die Schnittstellen stehen parat.

Kulturwandel zum Social Business

Schwerpunkt bei der Einführung von Collaboration sind die Menschen, die das System später nutzen werden. Diese müssen von Anfang an mitgenommen werden – unabhängig von ihrer Position und Aufgabe im Unternehmen. Zusätzlich mit einbezogen werden muss die Unternehmensstrategie. Aus ihr wird die dafür notwendige Kommunikationskultur und -infrastruktur abgeleitet. Damit unterscheidet sich die Einführung deutlich von bisherigen IT-Projekten: Sie ist kein gradliniges Projekt mit einem festen Start und einem definierten Endpunkt. Ebenso spielt die Technik eine eher bescheidene Rolle. Und auch eine Analyse, wie sie oftmals sehr aufwändig im Vorfeld von IT-Projekten durchgeführt wird, ist nur punktuell nötig.

Doch der Kommunikationswandel im Unternehmen erfolgt nicht von heute auf morgen. Gerade am Anfang sind die Einführungsszenarien, die von Anwendern für Anwender entwickelt wurden, sehr hilfreich und wichtig. Solche Szenarien beinhalten die aktuellen Abläufe, zeigen die Schwierigkeiten der Prozesse auf und beschreiben den Weg, diese zu optimieren. Erfahrungen zeigen auch, dass bei Unternehmen, die sich auf die reine Installation beschränken und auf die notwendige Unterstützung vor allem in den fachlichen Phasen verzichten, das Projekt nicht zum „Rollen“ kommt. Denn fälschlicherweise wird dann das eigene, persönliche Wissen aus der Nutzung privater Netzwerke gleichgesetzt mit den Anforderungen im Unternehmenskontext – und die Chancen für eine moderne und intelligente Kommunikationskultur sind damit erst einmal verspielt.

Wie der notwendige Kulturwandel konkret gestaltet werden kann, muss für jedes Unternehmen ermittelt werden. Die individuelle Ausgangslage ist die Grundlage dafür, ob es erst umfangreiche Veränderungen in der Unternehmenskultur, bei der gemeinsamen Kommunikation oder in der Organisation im Ganzen geben muss. Wichtig dabei ist, dass man weiß, wohin sich das Unternehmen in den nächsten Jahren entwickeln wird. So verschlungen wie der rote Faden in der Grafik (siehe Bild 2) wird der Weg sein, um die Kommunikation weiterzuentwickeln, die Informationsflut zu beherrschen und die dafür eingeführte Social Business-Plattform zum täglichen Werkzeug zu machen.

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Bild 2: Der rote Faden

Fazit

 Neben der Einführung der Collaboration-Plattformen und den dazugehörigen Maßnahmen wird es spannend sein, wie die Unternehmen in Zukunft die Daten und Anwendungen nutzen werden. Werden sie es schaffen, die vielen Kommunikationskanäle sinnvoll zu nutzen? Und werden sie bereit sein, die verborgenen und verteilten Daten in neuen Anwendungen zusammenzuführen, um daraus neue wertvolle Informationen zu generieren?