Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e.V.
E-Book, Digitalisierung, E-Book-Reader, Dateiformate, Epub, PDF, Kindle
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat im Frühjahr eine breit angelegte Studie „Umbruch auf dem Buchmarkt? Das E-Book in Deutschland“ gemeinsam mit GfK Panel Services durchgeführt. Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, sieht als wesentliches Ergebnis, dass der E-Book- Markt auch hierzulande in Bewegung gerät. Eine Aussage, die durch den Start von Kindle ebooks durch Amazon im April unterstrichen wird.
Bei den Verlagen lag der Umsatzanteil von E-Books im Jahr 2010 bei etwa 5,4 Prozent. Geht die Studie von einer Steigerung der Marktanteile in den nächsten Jahren aus?
Die Buchbranche ist von der fortschreitenden Digitalisierung überzeugt, das zeigt die Studie deutlich: Bis 2015 wird der Umsatzanteil von E-Books bei den Verlagen nach eigenen Schätzungen auf 16,2 Prozent steigen. Und auch der Buchhandel geht für sein Geschäft von einem starken Wachstum auf 9,2 Prozent im Jahr 2015 aus. Derzeit liegt der Anteil noch bei 0,8 Prozent.
Im Augenblick werden vor allem wissenschaftliche und Sachbücher in elektronischer Form angeboten und gekauft. Wie beurteilen Sie die Entwicklung bei Belletristik?
Die Belletristik holt auf: etwas mehr als jeder zehnte Verlag hat bereits Romane als E-Book im Angebot – dafür aber durchschnittlich gleich 89 Titel. Das Angebot wächst also laufend und wird auch seinen Weg zu den Lesern finden. Entscheidend wird dabei sein, wie komfortabel der Zugang zu den Büchern und die Technik der Lesegeräte gestaltet werden, sodass auch das Lesen von Romanen auf einem Lesegerät attraktiv ist. In den USA verkauft Amazon, das mit dem Kindle einen eigenen Reader anbietet, bereits jetzt mehr E-Books als Hardcover und Paperback zusammen.
Seit April ist Amazon mit Kindle ebooks auf dem deutschen Markt aktiv. Kann das E-Book dadurch noch populärer werden?
Mit der Einführung des Kindle in Deutschland kommt weiter Bewegung in den E-Book-Markt. Das tut dem Medium E-Book gut, weil es die Aufmerksamkeit und Akzeptanz für neue Lesemöglichkeiten steigert. Als Vertretung für die Buchhandlungen und Verlage Deutschlands favorisieren wir allerdings offene Formate, die auf alle Geräte übertragbar sind; das ist beim Kindle nicht der Fall. Verbraucherschutz und Datenschutz sollten dabei gewährleistet sein. Das bedeutet, die Nutzer müssen dauerhaft über ihre elektronische Bibliothek verfügen können und diese auch auf andere Endgeräte übertragen können.
Investieren Verlage in die Digitalisierung?
Mehr als jeder zweite Verlag (55 Prozent) investiert bereits konkret in E-Books, das zeigen unsere Zahlen. Das betrifft besonders die großen Verlage, von denen sich vier Fünftel auf dem EBook-Markt betätigen. Doch selbst unter den kleinen Verlagen sind es noch 50 Prozent, die in E-Books investieren, z.B. durch die Einstellung von neuen Mitarbeitern oder die Bereitstellung von gesonderten Budgets im Bereich Herstellung. Damit wird deutlich: Deutsche Verlage haben das Thema erkannt – sie vergrößern ihr Angebot und forcieren die Digitalisierung.
Entwickeln Verlage bereits Produktkonzepte, in denen sie die erweiterten Möglichkeiten von elektronischen Büchern einbeziehen – Stichwort „enhanced E-Books“? Oder werden sich die gedruckte und die digitale Ausgabe eines Titels auch zukünftig kaum unterscheiden?
Gerade die erweiterten Funktionen bei E-Books sind eine große Chance. Diese „enhanced Books“ sind z.B. mit Videos, Audios oder Kommentarfunktionen angereichert und ermöglichen Interaktion mit den Lesern. Diese Bücher bieten damit einen deutlichen Mehrwert gegenüber dem (unveränderbaren) gedruckten Buch.
In den USA gehen Analysten davon aus, dass die steigende Zahl von E-Book-Nutzern mittelfristig zu Lasten der Umsätze für das klassische Buchgeschäft geht. Erwarten Sie eine ähnliche Entwicklung auch im deutschsprachigen Raum?
Der deutsche Buchmarkt ist nur begrenzt mit den Gegebenheiten in den USA vergleichbar. Dort stellt das E-Book schon per se eine attraktive Alternative zum Printbuch dar, weil das Netz von Buchhandlungen nicht so engmaschig ist wie in Deutschland – entsprechend lange Lieferzeiten entfallen natürlich, wenn sich Nutzer einen Titel bequem in den eigenen vier Wänden auf ein Lesegerät laden können. Die Buchhändler gehen jedoch im Hinblick auf mögliche Konzentrationsbewegungen im Internet, gerade was die E-Books betrifft, von Umsatzeinbußen beim gedruckten Buch aus.
In welcher Form könnte der Buchhandel vom E-Book-Markt profitieren?
Die Chancen stehen besser denn je – aber es gibt sie nur einmal. Noch wird der Kunde physisch in der Buchhandlung vorstellig. Der Buchhändler vor Ort hat deshalb einen unschlagbaren Vorteil gegenüber dem Verkauf im Internet: Er berät im persönlichen Gespräch und kann den Kunden direkt von seiner Kompetenz und seinen Leistungen überzeugen. Auch durch den Verkauf von E-Books über die eigene Website an ihre Kunden können sich Sortimente jetzt in Position bringen. Und: Buchhandlungen sollten darauf setzen, Lesegeräte zu verkaufen und damit E-Books in ihren Geschäftsräumen für den Kunden greifbar zu machen. Darin sind sie mit Sicherheit deutlich besser als ein reiner elektronischer Händler.
Wie reagieren die Bibliotheken auf das steigende Angebot an E-Books?
Immer mehr Bibliotheken sind im digitalen Verleih aktiv. Portale wie onleihe.net oder digibib.net geben einen Überblick über die derzeitigen Möglichkeiten. So können Bibliothekskunden E-Books, Hörbücher, Musik und vieles mehr von der Website ihrer jeweiligen Bibliothek herunterladen und für einen begrenzten Zeitraum nutzen – das Prinzip ist vergleichbar mit der physischen Ausleihe eines Buches.
Das Angebot an Lesegeräten ist vielfältig: Neben PC oder Laptop konkurrieren Tablet-PCs, E-Reader und Smartphones um die Gunst der Leser. Können Sie anhand der Studie eine vorsichtige Prognose wagen, welche Geräte und – unmittelbar daran anschließend – welche Dateiformate sich in den nächsten Jahren durchsetzen werden?
Verlagsexperten sind sich hier weitgehend einig – und zwar darin, dass es nicht nur ein Gerät, sondern verschiedene Alternativen beim elektronischen Lesen gibt: Ganz vorne sind Tablet-PCs – das sagen 83 Prozent der Befragten. Gleich danach folgen Laptops und PCs (68 Prozent). Smartphones und spezielle E-Reader stehen ebenfalls mit deutlich mehr als der Hälfte da. Bei den Formaten sind zwar 44 Prozent der Meinung, dass verschiedene Formate parallel existieren werden – ein knappes Drittel ist aber davon überzeugt, dass sich nur ein Format durchsetzen wird. Die größten Chancen werden hier dem E-Pub-Format eingeräumt, das sich vor allem durch seine flexible Darstellung auf verschiedenen Endgeräten auszeichnet.
Welche Faktoren sehen Sie dafür verantwortlich, dass sich digitale Bücher langfristig als Alternative zur gedruckten Ausgabe etablieren?
Von einer Alternative kann keine Rede sein! Der weitaus überwiegende Teil der Bücher wird auch in den nächsten zehn Jahren noch in gedruckter Form vorliegen. Es geht nicht um eine Ablösung von bewährten Publikationsformen, sondern um eine Ergänzung mit neuen Formaten. Print und Digital werden je nach Lesesituation nebeneinander Bestand haben.