Autor – Frank Zscheile, freier IT-Journalist, für FIS Informationssysteme und Consulting GmbH
Saubere Stammdaten sind essentiell für ein funktionierendes Unternehmen. Deshalb ist die kolportierte Behauptung aus dem Umfeld betriebswirtschaftlicher Standardsoftware nicht abwegig, nach der sich 40 Prozent aller Bestellungen nur auf Grund von Stammdatenproblemen verzögern. Generell ändern sich solche Daten heute viel schneller als noch vor einigen Jahren. Sie in einem gesonderten System vorzuerfassen und zu bearbeiten, hilft daher dabei, Änderungen schneller zu dokumentieren und verbessert die Qualität der (SAP-)Datenbasis.
Stammdatenpflege – der Zeitfaktor ist entscheidend
Als langjähriger Kenner von SAP-Systemen kennt Dieter Wasilke, IT-Leiter der Titgemeyer Gruppe aus Osnabrück, einem Hersteller von Fahrzeugbauteilen und Befestigungstechnik, das Problem: Durch die umständliche Pflege von Material-Stammdaten in SAP kann der Vertrieb nicht so schnell auf Preisänderungen der Lieferanten reagieren, wie es wünschenswert wäre. Bei Titgemeyer werden 30.000 Artikel aus den beiden Geschäftsbereichen Befestigungstechnik und Fahrzeugbauteile in SAP gelistet, davon sind zwei Drittel Handelsware, der Rest Konfigurationsprodukte. Das Unternehmen liefert Bausätze an seine Kunden und arbeitet hierfür mit einem so genannten Variantenkonfigurator. Die Kunden im Bereich Fahrzeugbauteile – alle großen Fahrzeugbauer in Deutschland – geben ihre Spezifikation an. Mit Hilfe des Konfigurators stellt Titgemeyer die dafür benötigten Artikel zusammen, es entsteht eine Stückliste und der Fahrzeugbauer erhält die vorgefertigten Einzelteile. Bei Titgemeyer sind es demnach weniger Personal-, denn Material-Stammdaten, deren Pflege es bedarf.
Die Lösung besteht für das Unternehmen in der Vorerfassung von SAP-Stammdaten in einem gesonderten System, das trotzdem integriert in SAP ist, hier dem SAP-Add-on FIS/mpm der FIS GmbH. Dies hilft der IT-Abteilung dabei, Änderungen in den Stammdaten schnell und flexibel durchzuführen. Der operative SAP-Betrieb ist davon nicht beeinträchtigt, die Datenqualität des ERP-Systems insgesamt steigt.
Bild 1: Massendaten einlesen und pflegen – die Daten werden in Tabellen vorgehalten und angereichert. Nach der Freigabe erfolgt die Übergabe an SAP.
Kundenspezifische Preise kalkulieren
Bei der Preisfindung der kundenindividuellen Aufträge hat Titgemeyer eine eigene Methodik für kundenspezifische Preise entwickelt. In SAP war es stets das Problem, schnell die jeweils aktuellen Verkaufspreise einzugeben, die auch abhängig sind von den Einkaufspreisen. Denn der Stammdatensatz eines Artikels enthält nur einen einzigen Preis, das Unternehmen aber hat kundenspezifische Preise. Das bedeutet: Die Preise sind fein gestaffelt und an bestimmte Bedingungen des jeweiligen Kunden geknüpft wie Größe, Abnahmemenge etc. So entstand eine Matrix aus Preisen und Kunden, die so genannten Preiskonditionen.
Zum Zeitpunkt der Einführung des Vorsystems wies SAP über eine Million solcher Preiskonditionssätze auf. Unter solchen Voraussetzungen wird es für ein Unternehmen mit der Zeit immer schwieriger, neue Verkaufspreise festzulegen. Denn regelrechte Massenpflegetools gibt es im SAP-Standard nicht. So muss ein Mitarbeiter zu jedem Artikel, dessen Preis geändert werden sollte, die dazugehörigen Konditionssätze per Hand heraussuchen, um sie entsprechend anzupassen. In vielen Unternehmen wird dies heute noch auf diese Weise erledigt. Weil die Neuerfassung der Kundenkonditionen aber so aufwändig ist, widmet man sich dem in der Regel nur wenige Male im Jahr.
Mit einem Add-on jedoch lassen sich Kundendatensätze automatisch nach frei wählbaren Kriterien extrahieren. Der SAP-Anwender kann selektieren, welche SAP-Tabellenfelder pro Artikel extrahiert werden sollen – Materialnummer, Verkaufspreise, aktuelle Umsätze usw. Die Software fasst sie automatisch zusammen und stellt sie für ihre Bearbeitung, Auswertung oder Löschung in einem gesonderten Datenraum bereit. In ihm legt der Bearbeiter die neuen Artikelpreise pro Kunde fest, anschließend überträgt die Software die neuen Artikelstammdaten und dazugehörigen Konditionssätze wieder zurück in die SAP-Datenbank.
Bild 1: Pflege von Preisen und Konditionen Abbildung von Staffeln und Vorher-nachher-Preisvergleiche
SAP-Datenbasis konsolidieren
Effekt dieser Automatisierung ist, dass sich die Datenbasis in SAP sichtlich verschlankt. Bei Titgemeyer etwa waren rund drei Viertel der eine Million aktiven Preiskonditionen veraltet, erschienen überflüssigerweise immer wieder in Auswertungen und hätten eigentlich gelöscht werden können. Im SAP-Standard solche Datensätze pro Kunde manuell herauszusuchen, ist ein immenser Aufwand, für den im Tagesgeschäft kaum Zeit bleibt. Denn diese sind nur schwer zu finden und müssen Kunde für Kunde im SAP-Standard gelöscht werden. Das neue Add-on trägt dagegen die Konditionen pro Kunde automatisch zusammen und stellt sie in einer gekapselten Umgebung dar, wo sie nach Prüfkriterien schnell zur Löschung gekennzeichnet werden. Nach Abschluss dieser Konsolidierung verblieben beispielsweise beim genannten Unternehmen nur noch rund 250.000 Konditionen im System.
Zusätzlich lassen sich auch Attribute mit einem Vorsystem schneller erstellen: Jeder Artikel in den SAP-Stammdaten ist – wie bei Titgemeyer – durch vielerlei Attribute beschrieben. Wird nun am Produkt etwas verändert – und sei es, dass ein Loch in einem Träger zwei Zentimeter weiter rechts gestanzt wird – muss dies in den Artikel-Attributen verändert werden. Dies wird heute in FIS/mpm erledigt. Gleichzeitig erkennt die Software automatisch, dass sich Attributsänderungen in Artikel A unter Umständen auf weitere Artikel auswirken, die mit Artikel A zusammen einen Bausatz ergeben. Und in der logistischen Kette werden diese Anpassungen anschließend umgehend in den Webshop übertragen.
Bild 3: Automatische Sichterweiterung am Beispiel Werksdaten – im Customizing werden verschiedene Profile gepflegt und automatisch auf die gewählten Datensätze angewandt
Stammdaten mit hoher Fluktuation erfassen
Bei der VEDES-Zentrale aus Nürnberg – ein weiteres Beispiel für ein Unternehmen, das mit einem FIS-Vorsystem arbeitet – sind es sogar 400.000 Artikel im Gesamtsortiment, deren Stammdaten die Fachhandelsorganisation für Spiel, Freizeit und Familie auf diese Weise verwaltet. Vedes hat die Artikeldaten in seinem zentralen SAP-System gespeichert und stellt sie von dort den angeschlossenen Fachgeschäften zur Verfügung. Mit SAP Retail als einheitlichem ERP-System für die zentrale Warenwirtschaft sind heute rund 300 Warenwirtschaftssysteme der angeschlossenen Fachgeschäfte verbunden. An diese werden Nacht für Nacht die Änderungen in den Stammdaten repliziert. „Mit einem vorlagerten Add-on können wir Stammdaten viel schneller anlegen und pflegen“, sagt Gerhard Schreyer, IT-Leiter bei Vedes.
Dieses Vorgehen hat einen entscheidenden Vorteil: Verändert man Artikelinformationen gleich im Original-Datenbestand und es schleichen sich Fehler ein, hat man sofort falsche Stammdatensätze. Oft steht auch noch nicht von Vornherein fest, ob Vedes einen Artikel überhaupt langfristig bewirtschaften wird. In einem zentralen Vorsystem für die Stammdaten kann die IT-Abteilung die Artikeldaten dann zunächst bearbeiten, um sie anschließend ins Sortiment zu nehmen. „Denn legt man einen Artikel in SAP erst einmal an, so ist er dort für immer“, so Gerhard Schreyer. Umso notwendiger sei ein solches Vorsystem, so der IT-Fachmann, je größer die Stammdatenbank und je höher die Fluktuation ist. Das Unternehmen arbeitet mit einer ausgelagerten Stammdatenverwaltung deshalb sicherer und steigert die Datenqualität des ERP-Systems.
www.fis-gmbh.de
Frank Zscheile, freier IT-Journalist, München.
Die FIS Informationssysteme und Consulting GmbH ist ein unabhängiges Unternehmen mit rund 480 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, das seinen Schwerpunkt in SAP-Projekten hat. In der Tochtergesellschaft FIS-ASP GmbH betreiben und administrieren ca. 70 Spezialisten die SAP-Systeme von Kunden in FIS-ASP-Rechenzentren, die nach den modernsten Standards ausgestattet sind.