Autor – Helmut Heptner, Geschäftsführer Comindware GmbH
„Alles ist gut, solange der Prozess eingehalten ist“ – so lautet das Credo in vielen Unternehmen. Diese goldene Regel hat ihre Gültigkeit, solange es sich um Prozesse handelt, deren Ablauf vorab definiert ist. Angebotsprozesse, Urlaubsanträge, rechtlich bedingte Freigabe- und Genehmigungsprozesse gehören hier klassischerweise dazu. Und auch die Prozessautomatisierung mit traditionellen BPM-Tools bietet sich immer dann an, wenn die Abläufe immer gleich und von einheitlicher Qualität sein sollen. Aber vielschichtige Aufgaben wie etwa Kundenbeschwerde-Management, die Bearbeitung von Schadensfällen, Genehmigungsprozesse, die Beurteilung rechtlicher Sachverhalte oder Forschung und Entwicklung verlangen ein dynamisches Reagieren.
Damit unterscheidet sich die Wissensarbeit von der Routinearbeit und den damit verbundenen Prozessen grundlegend. Wenig Strukturen, das persönliche Commitment des „Knowledge Workers“ und nicht zuletzt seine Expertise geben die Rahmenbedingungen einer neuen Generation von Mitarbeitern vor. Mit dem fortschreitenden Übergang zur Wissensgesellschaft wird aber die Steigerung der Produktivität von Wissensarbeitern immer wichtiger. Aus diesem Grunde wird es zur vordringlichen Aufgabe für Unternehmen, ihre Wissensarbeiter mit den richtigen Werkzeugen auszustatten. Starre Prozesse und Aufgabenlisten führen in vielen Fällen oft nicht zum Ziel und erschweren oder verhindern oft ein angemessenes Handeln und Entscheiden.
Wenn also das Wissen der Benutzer im Vordergrund stehen sollte, greifen herkömmliche Prozess-Tools zu kurz, ohne dass sie dadurch überflüssig werden. Für komplexere Anforderungen mit unsicherem Ausgang sind jedoch Lösungen erforderlich, die sich anpassen. Die Rede ist von adaptiven BPM-Tools. Software-Lösungen, die den Wissensarbeiter anstatt den Prozess in den Mittelpunkt stellen und die Kollaboration zwischen Personen, Projektgruppen oder ganzen Abteilungen ermöglichen.
Die Natur adaptiver Prozesse
Die Natur von adaptiven Prozessen ist ein permanenter Zustand des Lernens und Weiterentwickelns. Das unterscheidet sie von Ad-hoc- oder dynamischen Prozessen, welche dem modernen Wissensarbeiter zwar große Freiheiten lassen, jedoch in der Regel keine Möglichkeiten für eine Optimierung bieten. Wissensarbeiter müssen ihre Handlungsprioritäten im Hinblick auf die Zielerreichung aber immer aufs Neue bewerten. Denn der Strom neuer Erkenntnisse reißt nicht ab. Durch Lesen, Recherchieren, Nachdenken, Diskutieren und Entwerfen kommen immer neue Punkte hinzu, alte werden regelmäßig verworfen.
Dies beeinflusst die Priorisierung der Zielerreichungsaktivitäten erheblich. Die Realität in vielen Unternehmen ist somit eine neue Agilität und Beweglichkeit, der die eingesetzten Werkzeuge gerecht werden müssen. Hier setzen adaptive Prozesse an, anhand derer situationsgetrieben weitere Prozessschritte neu definiert werden können. Der Knowlegde Worker erweitert so seine Wissensbasis und kann sich permanent an die Realität annähern.
Werkzeuge für adaptives BPM
Typische Benutzeroberflächen im BPM-Umfeld bestehen aus Arbeitslisten, in denen die Benutzer ihre von Prozessen zugeordneten Aufgaben finden. Hingegen stellen Benutzeroberflächen für adaptive Prozesse dem Wissensarbeiter eine flexiblere IT-Unterstützung zur Seite. Hier kommen zwar auch Arbeitslisten vor, im Fokus steht aber nicht die Abarbeitung eines kleinen Mikroschrittes in einem großen Prozessablauf, sondern die komplette Tätigkeit.
Software-Tools für adaptives BPM ermöglichen eine aggregierte Gesamtsicht auf einen kompletten Anwendungsfall, dem alle relevanten Stammdaten, Historien, Dokumente, Geschäftsvorfälle und die Kommunikation zwischen den Beteiligten zugeordnet sind. Als praktisch erweisen sich grafische Workflow-Generatoren, über die Geschäftsprozesse abgebildet werden können. Haben sich funktionierende Prozesse einmal eingespielt, kann es zum Beispiel Sinn machen, diese zwischen Teams und Abteilungen als wiederkehrende Workflows zu planen.
Bild 1: Grafische Darstellung von Workflows – Prozesse können bei Veränderungen leicht adaptiert werden (Quelle: Comindware)
Kollaboration durch übergreifende Arbeitsweisen
Neben der Gesamtsicht auf einen Anwendungsfall spielen im adaptiven BPM die Möglichkeiten für eine effiziente Teamarbeit eine zentrale Rolle. Es geht nicht darum, miteinander zu reden oder sich in Besprechungen abzustimmen, sondern um die gemeinsame Erledigung der Arbeit. Je nachdem, wie effektiv die Einzelnen ihren Teil zum Ganzen beitragen, stößt die Zusammenarbeit immer wieder auf Stolpersteine oder kommt reibungslos voran. Ob im Finanzsektor, Baugewerbe, Öl- und Gasgeschäft, Verlagswesen oder in wissenschaftlichen Laboren – fast immer sind Aufgaben Teil eines Prozesses mit mehreren Schritten, an dem wiederum verschiedene Personen beteiligt sind. Die Koordinierung erfolgt oft manuell nach „besten Kräften“ und ist entsprechend undurchsichtig. Ein unbefriedigender Zustand, denn die Qualität der Teamarbeit bei individuellen Aufgaben einerseits und die Transparenz des gesamten Prozesses andererseits haben großen Einfluss darauf, ob die angestrebten Ziele realisiert werden – oder eben nicht.
Traditionelle Organisationskonzepte wie Arbeitsgruppen, Content- und Groupware-Systeme oder diszipliniertes Arbeiten alleine sind den Ansprüchen moderner Zusammenarbeit kaum gewachsen. Relevante Informationen des Arbeitsprozesses finden sich in E-Mails, Besprechungsnotizen oder Whiteboards und machen es Teams schwer, den Überblick zu behalten. Arbeitsabläufe werden nicht immer exakt definiert oder verstanden und zudem ungenügend automatisiert. Häufige Konsequenzen: nicht eingehaltene Termine und Mehrkosten, unklare Prioritäten, mangelnde Abstimmung zwischen den Zielen, Aufgaben und Prioritäten sowie nicht erfasste Prozesse ohne ausreichende Transparenz und Verantwortlichkeit.
Moderne Software-Tools für adaptives Workflow-Management erlauben die automatische Zuweisung, Verfolgung, Aktualisierung und Priorisierung der Tasks. Mit einer kollaborativen sowie adaptiven BPM- und Task-Automation-Lösung lassen sich übergreifende Arbeitsweisen zwischen Anwendern, intern und extern, im Unternehmen optimieren. Vorhandenes Wissen über geschäftliche Prozesse kann schneller in Innovationen umgewandelt und die Wertschöpfung und Agilität am Markt erhöht werden. Je effektiver es gelingt, mit neuartigen kollaborativen Business- Lösungen die vernetzten Geschäftsabläufe und die geschäftliche Informationsflut in digitales Wissen zu kanalisieren, desto schneller und fundierter können Geschäftsentscheidungen getroffen werden. Ein Zugewinn an den entscheidenden Ressourcen: Qualität und Zeit.
Bild 2: Teamaufgaben gemeinsam bearbeiten und alle zugehörigen Dateien an einem zentralen Platz halten (Quelle: Comindware)
Fazit
Trotz vieler offensichtlicher Vorteile sollten bei der Auswahl einer adaptiven BPM Lösung einige wesentliche Punkte berücksichtigt werden. Die Entscheidung für das richtige Produkt kann hinterher vieles erleichtern, da viele Kollegen bei der Einführung einer Work-Management- bzw. adaptiven BPM-Software in erster Linie an Veränderung und „noch mehr Arbeit“ denken könnten. Manche der häufig ohnehin überlasteten Teams zögern deshalb und begnügen sich lieber mit einer holprigen Zusammenarbeit. Sie müssen von dem zu erwartenden Nutzen überzeugt werden. Insbesondere eine Lösung, die in weiten Teilen von der Kollaboration lebt, wird nur so erfolgreich sein, wie die Nutzer diese akzeptieren. Hinter einige wesentliche Punkte sollte deshalb bei der Entscheidung für einen Anbieter ein Haken gemacht werden können:
Fünf wichtige Punkte für die Einführung einer adaptiven BPM-Lösung
Helmut Heptner, seit März 2012 Geschäftsführer der Comindware GmbH und ehemaliger Acronis Geschäftsführer, verantwortet das operative Geschäft von Comindware in Zentraleuropa. Comindware zählt zu den Pionieren im adaptiven Business Processs Management und beschäftigt derzeit weltweit 70 Mitarbeiter.