Alibaba, Amazon, Asos, eBay, Zalando und viele mehr – die Liste der Big Player im E-Commerce ist lang. Kleine und mittelständische Unternehmen versuchen händeringend, vom großen Umsatzkuchen etwas abzubekommen. Doch haben sie überhaupt eine Chance? Etablierte Online-Shops weisen eine solide Kundschaft auf und haben sich mit schneller, pünktlicher und zuverlässiger Lieferung sowie adäquaten Preisen etabliert. Auf diese Weise verhindern sie, dass sich kleine Verkaufsplattformen abheben können.
Autor – Tim Schwarz, Partner Manager bei Neofonie
Gründer und Entscheider suchen dennoch nach Wegen, um im Wettbewerb mitzuhalten – eine Herausforderung angesichts eines steigenden Produktrepertoires und immer umfassenderen Produktkatalogen. Und auch wenn vielen der großen Shopping-Plattformen „die Geschichte dahinter“ fehlt: Das interessiert viele Endkunden heutzutage weniger, sie konsumieren Produkte der bekannten Online-Häuser aus Gewohnheit und weichen selten davon ab. Laut einer Studie von EHI Retail Institut und Statista streiten sich die großen Online-Händler um knapp 44 Prozent der gesamten Umsätze im E-Commerce allein in Deutschland. So setzen viele Anbieter auf Retail-Plattformen und die damit verbundene enorme Reichweite.
Alternativen zu Reichweite & Rabatten
Diese Reichweite überzeugt: Denn Jahr für Jahr knacken die Branchenprimusse neue Umsatzrekorde – vor allem im Weihnachtsgeschäft, der wohl umsatzstärksten Zeit im ganzen Jahr. So brach beispielsweise im asiatischen Raum Amazon-Konkurrent Alibaba am sogenannten Singles‘ Day am 11. November alle Rekorde: 2017 wurde laut Forbes ein Umsatz von 25 Milliarden US-Dollar generiert [1]. Ob „Sonderangebot“, „Blitzrabatt“ oder früher bestellbare Aktionsartikel – diese Lockmittel garantieren – wie die Vergangenheit gezeigt hat – Erfolg.
Aber sind diese „Sonderangebote“ wirklich Sonderangebote? Meist sorgen Online-Shops mit kleinen Bestellmengen und Countdowns für zusätzlichen Druck, damit Kunden schnell zuschlagen und das Angebot wahrnehmen. Gleichzeitig erscheinen Hinweise, die Rabatte in Höhe von 20 bis 70 Prozent versprechen. Diese Niedrigpreise sind jedoch oftmals mehr Schein als Sein und wurden an den Aktionstagen angepasst, sodass der Rabatt geringer ist als ursprünglich von Kundenseite erhofft. Produktvergleich-Portale genießen große Beliebtheit und sorgen dafür, dass potenzielle Kunden entweder direkt Abstand nehmen von einem Kauf oder den bestellten Artikel nach Zusendung zurückschicken. Online-Shops kleiner und mittelständischer Unternehmen sollten und können hier nicht konkurrieren – sie müssen hier mit Authentizität und Seriosität überzeugen und „echte“ Rabatte bieten.
Content wichtiger als der Preis
Für Händler haben die großen Online-Händler einen großen Nachteil: Vertreiben sie ihre Waren über eine derartige Plattform, geht damit ein Trade-Off einher. Händler und Hersteller treten dabei eine nicht unwesentliche Marge ab und senken somit den erzielten Gewinn im Vergleich zu einer eigenen Vertriebsplattform, wie es der eigene Online-Shop bieten kann. Die große Herausforderung für Händler und Hersteller ist es daher, einen eigenen Online-Shop so zu konzipieren, dass potenzielle Kunden angesprochen und Bestandskunden wiederkehrend nach neuen Angeboten Ausschau halten.
Viele Entscheider sehen den Preis als entscheidenden Faktor. Doch der Kunde ist durchaus bereit, einen höheren Preis zu bezahlen – wenn er einen Mehrwert im Shop erkennen kann. Das gelingt kleinen und mittelständischen Unternehmen, indem sie konsequent auf Inhalte setzen. Im Idealfall stellt das Unternehmen durch seine Content-Strategien eine Bindung zum Kunden her, und ein wesentlicher Bestandteil ist dabei der Produktkatalog.
Die Story hinter den Produkten entdecken
Für einen erfolgreichen Online-Shop steht die Customer Experience im Vordergrund und ist wichtiger denn je: Der Shop-Besucher möchte emotional abgeholt werden, er möchte alles über das Produkt erfahren, sei es die geografische Herkunft, die einzelnen Bestandteile oder die Hintergrundgeschichte bzw. die Vision des Gründers, warum und wie die Ware entwickelt wurde. Storytelling ist längst im E-Commerce angekommen, doch bislang setzen zu wenig Unternehmen auf diese Art Geschichten zu erzählen. Mit einem hochwertigen, inhaltsreichen und gleichzeitig emotionalen Produktkatalog erzielen Online-Shops große Erfolge im Vertrieb, da sie gleichzeitig auch die Wirkung der Qualität des Produktes und des ganzen Unternehmens indirekt mit beeinflussen.
Außerdem spielen die Funktionalitäten des Shops eine wesentliche Rolle. Individuelle Produktanzeigen erleichtern die Suche nach passenden Artikeln. Filter- und Sortiermechanismen gehören dabei zum Must-Have eines jeden Online-Shops. In Zeiten von Individual Commerce ist die flexible Produktgestaltung ebenfalls von großem Interesse. Userfreundliche Produktkonfiguratoren erlauben die Gestaltung der ausgewählten Artikel nach nutzerspezifischen Kriterien und Wünschen. Seien es individuelle Gravierungen, Farben oder zusätzlich anpassbare Erweiterungen – der Kunde wird selbst aktiv und gestaltet sein Produkt nach seinen eigenen Vorstellungen.
Vor allem im B2C-Geschäft sehnen sich die Konsumenten nach Geschichten und nur so können Unternehmen Wettbewerbsvorteile zielführend ausreizen. Das Konsumerlebnis ist entscheidend und maßgeblich von der Bildhaftigkeit beeinflusst. Mittlerweile möchte der Kunde multimedial Produkte sehen und erleben. Bilder und Videos waren der Anfang, Virtual Reality und Augmented Reality sind die neuesten technischen Kniffe, um den Kunden in eine bunte Produktwelt eintauchen zu lassen.
Neben der professionellen Produktpräsentation muss der Shop für den Auswahl- und Kaufprozess darüber hinaus einfach und intuitiv konzipiert sein. Das Ideal dabei ist, dass sich der Kunde so fühlt, als würde er durch die Ladengassen gehen und genau dort das bekommen, was er will, sei es das Produkt oder schlichtweg der Weg zur Kasse. Unübersichtliche Produktkataloge und eine umständliche Zahlungsabwicklung gehören erfahrungsgemäß zu den häufigsten Kaufabbruch-Kriterien.
B2B: Auch hier zählen Geschichten
Während die Käuferschaft im B2C-Segment beliebig nach Produkten oder Dienstleistungen Ausschau hält und offen für einen Ad-hoc-Kauf ist, besteht im B2B-Bereich ein konkreter Bedarf einer meist eher kleinen Zielgruppe, bestehend aus Bestandskunden. Produktbeschreibungen in B2B-Shops sind meist textlastig und konzentrieren sich auf das Wesentliche.
Doch auch das vermeintlich starre B2B-Geschäft kann via Storytelling mit emotionalen visuellen Inhalten aufgefrischt werden und das Kauferlebnis über diesen Weg verbessern. Zusätzlich optimieren Produktkonfiguratoren und flexible Katalogansichten die individuelle Artikelbestellung. Kauft ein Unternehmen z.B. eine Maschine, sollte das Shopsystem automatisiert Ersatzteil-Vorschläge anzeigen. Auch individuelle Preisanzeigen bei bestimmten Mengenbestellungen oder spezielle Preisrabatte langjähriger Bestandskunden verbessern das Standing beim Kunden. Der B2B-Bereich wird in Zukunft mehr auf Storytelling und individuelle Einkaufswelten setzen müssen, um die Konkurrenz hinter sich zu lassen.
Kunden emotional binden
Klassische Mittelstandsunternehmen aus dem B2C- und B2B-Geschäft zögern bislang hinsichtlich emotionaler Einkaufswelten. Aber es gibt auch Ausnahmen: Ein Best-Practice ist der von Neofonie entwickelte Online-Shop der Schokoladen-Manufaktur Rausch. Das Familienunternehmen setzt auf den digitalen Vertrieb und entschied sich dafür, auf ein Content-Management mit angebundenem Shopsystem zu vertrauen. Der Rückzug aus dem Lebensmittelhandel mündete in einer digitalen Bühne.

Seit dem Launch des Online-Shops tauchen die Shop-Besucher in eine schokoladige Welt ein, erfahren in umfangreichen Produktbeschreibungen und visuellen Inhalten alles über die Herkunft der Schokoladen und deren Geschmackszusammensetzung. Auch das Pick-and-Mix-Verfahren erfreut sich großer Beliebtheit und sorgt dafür, dass sich Kunden ihre eigenen, individuellen Produkte mittels Konfigurator zusammenstellen. Mit Rausch ist es einem Traditionsunternehmen erfolgreich gelungen, die digitale Transformation anzunehmen und umzusetzen.
Fazit
Shopping-Aktionstage wie der Black Friday, Amazons Cyber Monday und Co. können für mittelständische Unternehmen profitabel sein und dafür sorgen, zumindest kurzfristig Umsätze zu generieren. Jedoch lohnt sich das vor allem bei Unternehmen, die in ihrem Sortiment margenstarke Produkte aufweisen, welche beispielsweise im vorweihnachtlichen Geschäft hohe Absatzzahlen versprechen.
Händler, die keine derart absatzstarken Produkte in ihren Katalogen besitzen, müssen umdenken und nach neuen Konzepten suchen, um den Endkunden zu erreichen und zu begeistern. Eine zielorientierte Content-Strategie ist hier eine Möglichkeit, um das eigene Sortiment von dem des Supermarktes oder des Fachhandels abzuheben. Der Online-Shop sollte das Produkt in allen Facetten zeigen, Lust auf mehr machen und einen Kaufimpuls anregen. Schnäppchen und Super-Sonderangebote haben dabei ihre Daseinsberechtigung, jedoch sollten Unternehmen daran denken, sich ein eigenes Differenzierungsmerkmal aufzubauen. Das geht heutzutage vorrangig über Content, über Inhalte, die die Nutzer emotionalisieren und für einen Kauf sensibilisieren. Ob B2C- oder B2B-Bereich – Unternehmen überzeugen heutzutage mit Geschichten, denn nur eine langfristige Commerce-Strategie ist nachhaltig erfolgreich.
Die Berliner Digitalagentur Neofonie entwickelt individuelle digitale Lösungen und bietet Beratung, Konzeption, Design, Entwicklung und Betrieb aus einer Hand. Gemeinsam mit dem Tochterunternehmen Neofonie Mobile entwickeln rund 180 Mitarbeiter für Kunden wie Wort & Bild Verlag, AUDI, LEICA, eBay, Rausch und SUPER RTL. Neofonie wurde 1998 im Zuge der Entwicklung der ersten deutschen Suchmaschine „Fireball“ gegründet.
Quellen