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Interview mit Andrew Filev, Gründer und CEO von Wrike
Für viele deutsche Unternehmen beginnt das neue Jahr nicht mit dem berühmten Blick nach vorne, sondern mit einem Blick zurück. Im Bereich IT sind sie zunächst in der Pflicht, ihre Hausaufgaben zu machen. Zum Beispiel im Bereich Automatisierung: Sie hat in unserem Arbeitsalltag bereits Einzug gehalten und wird großen-teils positiv gesehen.
45 Prozent der Befragten im Digital Work Report 2018 des Arbeitsmanagement-Experten Wrike sind überzeugt, dass Automatisierung ihrem Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil bringt.
Auf die Frage, welche Arbeiten die Studienteilnehmer in ihrem Unternehmen innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahren gerne automatisieren würden, wurde der Bereich Dateiverwaltung und -dokumentation am häufigsten genannt. Darüber hinaus wünschten sich die Teilnehmer eine Automatisierung sich wiederholender Prozesse und Arbeitsabläufe und dass Informationen zwischen Systemen selbstständig kopiert werden. Zudem sollten Meetings automatisiert aufgesetzt sowie die dort besprochenen Arbeitsaufträge dokumentiert werden können.
Die Realität hinkt hinterher
Betrachtet man den Status quo, den der Digital Work Report auf Unternehmensseite offen legt, wird jedoch klar, wie weit Wunsch und Realität noch auseinander liegen: Nur sieben Prozent der befragten Unternehmen in Deutschland, Frankreich und Großbritannien gaben an, eine unternehmensweite Automatisierungsstrategie zu haben beziehungsweise eine Umsetzung innerhalb der nächsten zwölf bis 14 Monate zu planen. Eine positive Einstellung gegenüber Prozessautomatisierung allein hilft also nicht.
Unternehmen müssen ihren Mitarbeitern entsprechende Software-Lösungen an die Hand geben. Manager und Teamleiter müssen geschult und befähigt werden, ihre Teams anzuleiten, wie Arbeit durch Automatisierung effizienter gestaltet werden kann. Nur so bleiben deutsche Unternehmen laut Arbeitsmanagement-Experte Andrew Filev wettbewerbsfähig.
„Das Zauberwort heißt kollaboratives Arbeitsmanagement“
Betrachtet man die Perspektiven für das kommende Jahr, wird die zunehmende Automatisierung der Arbeit sicherlich mehr und mehr Realität werden. Doch sollte diesem „Mehr“ auch ein „Weniger“ zur Seite gestellt werden: weniger unterschiedliche Tools und Anwendungen. Denn viele Unternehmen agieren aktuell in einem digitalen Chaos. Ob im Kundenservice, in der Warenwirtschaft oder eben in der Teamzusammenarbeit – 2019 wird das Jahr, in dem viele Unternehmen ihre Vision und Ziele (neu er)finden und ihre IT darauf ausrichten sollten.
Grund genug, dazu ganz präzise bei Andrew Filev, Gründer und CEO von Wrike im DOK.Interview nachzufragen.
Herr Filev, Ihr Unternehmen führt seit einigen Jahren regelmäßige diverse Umfragen unter Arbeitnehmern zum Thema digitale Arbeiten durch. Darin wurden einige „Produktivitätsbremsen“ wie z.B. Multitasking ausgemacht. Was wird uns 2019 produktiver machen?
Das Zauberwort heißt hier kollaboratives Arbeitsmanagement oder Collaborative Work Management. Die Mehrzahl international agierender Unternehmen setzt auf Collaborative Work Management (CWM)-Tools – insbesondere solche, die aggressive Wachstumspläne in den nächsten zwei bis fünf Jahren verfolgen. Ich gehe davon aus, dass deutsche Unternehmen im kommenden Jahr deutlich mehr CWM-Tools abteilungsübergreifend einsetzen werden, um dem steigenden Wettbewerbsdruck zu begegnen.
Der Bereich Operations wird im Jahr 2019 enorm an Einfluss gewinnen, da es Operations-Manager sind, die die unglaubliche Menge an digitalen Daten, die uns zur Verfügung stehen, auswerten und interpretieren können. Denn nur wer die richtigen Daten zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Personen im Unternehmen zugänglich macht, kann Produktivität fördern und Wachstumspotenziale im Unternehmen erschließen. Die Tatsache, dass aktuell 1,3 Millionen Positionen für Operations Manager über die Plattform LinkedIn ausgeschrieben sind, spricht Bände. Ich kann jedem Manager und Teamleiter nur empfehlen, sich mit Tools und Techniken für eine effektive Datenanalyse zu beschäftigen.
Künstliche Intelligenz gilt in Deutschland aktuell eher als Buzzword mit noch wenig Relevanz für die tägliche Arbeit. Wo stehen wir hier Ende 2019?
Wir erleben gerade, dass KI-Infrastruktur zur Handelsware wird, wie zum Beispiel die Cloud-KI-Produkte von Google, Microsoft Cognitive Services und das Open Source TensorFlow-Framework. Ich gehe davon aus, dass rund 80 Prozent der Fortune-100-Unternehmen vor Ende 2020 mindestens ein erfolgreiches AI-Projekt durchführen werden.
Ich weiß, dass KI leicht die Aufmerksamkeit von Medien und Vorstandsetagen auf sich zieht, aber das wichtigere Zugpferd für die Produktivität am Arbeitsplatz ist die Automatisierung. Mit der Umstellung auf die digitale Wirtschaft erfindet jedes einzelne Unternehmen einige seiner Prozesse neu und schafft dadurch die Möglichkeit, einen Teil dieser Arbeit durch Vorlagen zu automatisieren. Informationen müssen nicht mehr manuell gefunden oder verschoben werden. Das ist oft einfacher zu konzipieren und auszuführen als größere KI-Initiativen und erfordert keine besonderen Fähigkeiten oder Technologien. Wenn wir uns den ROI von KI und Automatisierungsinitiativen im Jahr 2019 anschauen, gehe ich davon aus, dass mindestens drei Viertel davon keine ausgereiften KI-Techniken erfordern und auf einfachere Automatisierungen angewiesen sind, einschließlich der Erstellung von Standardarbeitsanweisungen, Statistiken zu Routinearbeiten und Heuristiken.
Für viele Firmen ist es zu einer Priorität geworden, „Digital Natives“ ins Unternehmen einzubinden. Wie können Arbeitgeber die Erwartungen der jungen, IT-affinen Arbeitnehmer erfüllen?
Heutzutage haben sich die Kunden an die On-Demand-Wirtschaft gewöhnt, egal, ob es um eine Pizza, eine Urlaubsreise oder um eine Dienstleistung geht: Verbraucher wollen individuell auf sie abgestimmte Produkte – und zwar sofort. Die aktuell in die Unternehmen drängenden „Digital Natives“ haben oft selbst eine solche Erwartungshaltung und verstehen daher diesen Kundenanspruch sehr gut. Allerdings erwarten sie dies auch von ihrem Arbeitgeber. Unternehmen müssen ihre IT-Ausstattung prüfen und ob ihre Apps und Systeme den Erfolg am digitalen Arbeitsplatz vorantreiben. Sie müssen Echtzeitanalytik bieten sowie Arbeitsautomatisierung und Collaboration ermöglichen. Das sichert nicht nur die Qualität der Ergebnisse, sondern führt im zweiten Schritt oft auch zu kulturellen Veränderungen in der Organisation: Teammitglieder sind inspirierter und motivierter.
Sie arbeiten im Silicon Valley – welche Arbeitsplatztrends gibt es dort aktuell, welche werden 2019 stärker, welche werden wieder verschwinden? Denken Sie, dass zum Beispiel die Automatisierung in der Wissensarbeit 2019 weiter zunehmen wird?
Meine Erwartung ist, dass Unternehmen ihre Talente in Zukunft katalysieren und disruptive, digitale Technologien dafür nutzen, um ihre zukunftsgestaltenden Ideen umzusetzen und schnell zu skalieren. Betriebe werden vielmehr zu Brutkästen der Innovation. Die Geschwindigkeit des Arbeitslebens wird weiterhin zunehmen, allerdings wird unsere Arbeit weniger aus Routine und Standardaufgaben bestehen, denn hier wird weiterhin viel automatisiert werden. Ich bin mir allerdings sicher, dass drei Bereiche nicht von Maschinen übernommen werden können: Das sind Empathie, Strategie und Kreativität. In diese Fähigkeiten sollte jeder Arbeitnehmer und jedes Unternehmen investieren.
Worauf sind Sie 2019 gespannt?
2019 wird ein bedeutendes Jahr für die Geschlechter-Gleichstellung werden, denn in Kalifornien tritt ein neues Gesetz in Kraft, nach dem Unternehmen, die an einer großen US-Börse notiert sind und entweder komplett in Kalifornien sitzen oder dort ihren Hauptsitz haben, bis Ende des Jahres 2019 mindestens ein weibliches Vorstandsmitglied haben muss und weitere bis Ende 2021. Dieses Gesetz wird viele Unternehmen, Tochtergesellschaften sowie Start-ups mit hohem Wachstum betreffen – auch außerhalb Kaliforniens.
Das Interesse an Quotenregelungen ist zwar politisch motiviert, wird aber auch die Wirtschaft voranbringen: Eine Studie von Ernst & Young aus dem Jahr 2016 zeigte, dass die Erhöhung des Frauenanteils in Top-Führungspositionen von 0 auf 30 Prozent mit einer Steigerung der Rentabilität von 15 Prozent verbunden ist. Im Jahr 2019 wird der Einfluss von Frauen sowohl auf der oberen als auch auf der mittleren Ebene noch größer werden, eine Entwicklung, die ich persönlich sehr begrüße.
Herr Filev, wir danken Ihnen sehr für diesen viel versprechenden Ausblick in das kommende Jahr!
Wrike ist eine cloud-basierte Projektmanagement- und Collaboration-Lösung, die Unternehmen dabei unterstützt, kontinuierlich exzellente Ergebnisse zu erzielen. Die Lösung wird von über 18.000 Unternehmen in 130 Ländern genutzt. Zahlreiche Auszeichnungen dokumentieren die Führungsstellung von Wrike im Bereich kollaboratives Arbeitsmanagement.