Autor – Matthias Postel ist Gründer und CEO der iCompetence GmbH
Es ist ein lang gehegter Traum, der die Menschen seit vielen Jahrzehnten inspiriert und erst in letzter Zeit mit den gestiegenen Rechnerkapazitäten zunehmend im Alltag angekommen ist: Künstliche Intelligenz heißt das Trendthema des Jahre 2018. Die Vorteile scheinen groß, für Unternehmen wie Kunden, denn KI verspricht einen individuelleren und zugleich kostengünstigeren Service mit Einsatzmöglichkeiten in so unterschiedlichen Bereichen wie Produktion, Lagerlogistik, Chatbots, oder E-Mail-Marketing. Auch das nahtlose und individuelle Einkaufserlebnis, das der Kunde zwischen verschiedenen Endgeräten und im PoS erwartet, wird durch Automatisierung und KI erst möglich.
Diese Szenarien sind längst keine Visionen mehr. In der realen Praxis hapert es allerdings noch vielerorts: So sind die Algorithmen, welche die Lernfähigkeit des Systems bestimmen, an vielen Stellen noch nicht ausgereift. Eine andere Herausforderung für die Mehrzahl der Unternehmen ist die Datengrundlage: Denn nur, wenn die Daten richtig aufbereitet sind, können Systeme aus ihnen lernen und ein Handeln ableiten.
Eine strukturierte, widerspruchsfreie Datenbasis ist folglich der notwendige erste Schritt für den Einsatz von KI im Unternehmen und in der Kundengewinnung. Und hierfür muss zuerst und vor allem der damit operierende Mensch lernen, so dass die Daten richtig zugewiesen werden und die Algorithmen korrekt eingestellt sind. Bei aller Begeisterung für die schier unendlichen Einsatzmöglichkeiten von KI ist dies ein Umstand, der gerne übersehen wird, wenn neue Tools rosige Aussichten versprechen.
Wo entstehen widersprüchliche Daten?
Widersprüchliche Daten entstehen, wenn Begriffe von verschiedenen Abteilungen unterschiedlich interpretiert und daher mit unterschiedlichen Inhalten gefüllt werden. Sie entstehen auch, wenn Daten unsortiert und ungefiltert in ein System einfließen. Der Grund dafür liegt darin, dass jedes Unternehmen in unterschiedlichen Abteilungen kleinere und größere Abweichungen in der Auslegung von Begriffen hat, die aus der Tradition der Datenhandhabung der Abteilungen erklärt werden können: Werden Retouren beim Umsatz mit hineingerechnet oder nicht? Ab wann gilt ein Lagerbestand als kritisch? Und welcher Kunde gilt als „guter Kunde“? Widersprüchliche Daten erzeugen falsche Analysen, die wiederum zu Fehlinvestitionen führen.
Künstliche Intelligenz aber ist besonders anfällig für widersprüchliche Daten. Denn durch Automatisierung wird die Reaktionszeit auf einen Bruchteil der ursprünglichen Zeit reduziert. Die hohe Taktzahl beschleunigt die Geschwindigkeit von Investitionen, potenziert Geschäfts- und gleichermaßen Fehlermöglichkeiten und lässt schnell hohe Kosten entstehen. Deshalb ist es gerade im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz und Automatisierung besonders wichtig, dass die Datenbasis, der sogenannte Single Point of Truth (SPoT), mit der nötigen Sorgfalt aufgestellt wird.
Der Weg zur Datenbasis: Tabula rasa oder Status quo?
Eine Datenbasis erfordert nicht zwangsläufig ein neues Tool. In vielen Unternehmen werden schon lange Daten gesammelt, z.B. in der Business Intelligence oder der Webanalyse. Ob die bestehenden Systeme als Basis für Künstliche Intelligenz ausreichen oder ob es sinnvoller ist, das System von Neuem aufzusetzen, hängt ganz davon ab, wie die Basis bislang angelegt wurde und wie die Struktur der Daten aufgebaut ist. So genügt es manchmal bereits, bestehende Systeme auszubauen, in anderen Fällen kann die Datensituation schneller und nachhaltiger gerichtet werden, wenn die Basis neu aufgesetzt wird.
Eine Voraussetzung dabei ist: Eine widerspruchsfreie Datenbasis benötigt eindeutige Begriffe. Es ist demnach nicht sinnvoll, einfach jede Abteilung ihre Begriffe ungesteuert eingeben zu lassen, sonst kommt es gleich zu Beginn zu widersprüchlichen Daten. Zudem muss vorher festgelegt werden, welche Daten erfasst werden sollen. Denn auch wenn die Versuchung groß ist, möglichst viele Daten zu erfassen, führt das zu einem unübersichtlichen Datenwust, der Erkenntnisse eher verdeckt als erleichtert.
Datenerfassung: Wer gibt die Richtung vor?
Die eigentliche Arbeit für die Datenbasis beginnt daher an der Unternehmensspitze: Wie soll die künftige Strategie des Unternehmens aussehen und welche Daten werden dafür benötigt? Welche Kanäle werden jetzt und in kalkulierbarer Zukunft eine Rolle spielen und müssen daher berücksichtigt werden? Ziele müssen festgelegt werden und auf deren Basis Vorgaben erarbeitet werden, welche Indikatoren für das Unternehmen und die Strategien wirklich relevant sind.
Natürlich werden die Abteilungen dabei nicht außen vorgelassen, und dies um so mehr, als KI inzwischen in alle Unternehmensbereiche hineinreicht und daher die unterschiedlichsten Abteilungen betrifft – angefangen beim Marketing über die Buchhaltung bis zur Logistik. Jede Abteilung, die dabei Daten verarbeitet, sollte zusammenstellen, welche Indikatoren aus welchen Gründen bislang erfasst wurden, welche für die Analysen benötigt wurden und wie die dafür verwendeten Begriffe bislang interpretiert wurden.
Doch im Anschluss an diese Zusammenstellungen müssen die Begriffe zentral eindeutig definiert werden und diese Definition in allen Abteilungen einheitlich umgesetzt werden, damit keine Widersprüche entstehen, Ladenhüter aus Versehen zu Bestsellern werden, volle Regale mit immer neuen Waren überladen werden und Kunden, die mehr kosten als sie einbringen, mit aufwändigen Angeboten hofiert werden.
Die Erfolgsfrage: Was oder wer ist entscheidend?
Der wichtigste Faktor des Erfolges der Künstlichen Intelligenz bleibt aber der Mensch. Denn nur, wenn Mitarbeiter ausreichend geschult werden, wenn Begriffe eindeutig kommuniziert werden und wenn die Einhaltung der Vorgaben und folglich die Richtigkeit der Daten immer wieder geprüft werden, kann Künstliche Intelligenz aus den Daten die richtigen Schlussfolgerungen ziehen und im Sinne des Unternehmens agieren. Wer im Gegensatz dazu teure Tools kauft, aber seine Mitarbeiter nicht im gleichen Maße qualifiziert, bleibt auf der Strecke.
Menschen sitzen darüber hinaus an der Schnittstelle der Künstlichen Intelligenz, sie geben die Bedingungen vor, nach denen die KI handelt. Sie legen die Ziele fest, bestimmen die Strategien, definieren die Begriffe und Erfolgsindikatoren und lenken die KI durch Algorithmen. Zwar mag KI vielerorts an die Stelle menschlicher Akteure treten und in Callcenter, Marketing oder Transport Positionen ersetzen. Auch ermöglicht sie die Reaktion auf eine Vielzahl von Nachrichten in Echtzeit und trifft in der Geschwindigkeit von Sekundenbruchteilen Entscheidungen, die Menschen in diesem Tempo und der Komplexität der Informationslage nie möglich gewesen wären. Aber sie funktioniert nur, weil die Grundlage und die Richtung durch Menschen bestimmt wurden, anderenfalls geht sie von falschen Voraussetzungen aus. Menschen machen Fehler – die KI macht Fehler schneller und braucht deswegen Qualitätssicherung und Richtungsvorgabe.
KI: Wer profitiert?
Stimmt die Basis, kann Künstliche Intelligenz in vielen Bereichen von Unternehmen Kosten sparen, die Tätigkeiten der Mitarbeiter erleichtern und zugleich den Kunden ein einheitlicheres, angenehmeres und schnelleres Einkaufserlebnis ermöglichen – und auf diese Weise Kundenbindung und Umsätze erhöhen.
Aktuell wird KI bereits in der automatischen Optimierung bzw. Personalisierung von Werbung und Webseiten auf die Interessen des Kunden hin genutzt. Newsletter werden individualisiert, Empfehlungen generiert und Gutscheine ausgespielt. Chatbots beraten Kunden, Bestellvorgänge werden automatisiert und das System berechnet die optimale Produktplatzierung im Store. Die strukturelle Optimierung der Warenlager wird durch die Möglichkeit, auf Grundlage von zu erwartenden Bestellungen über Attribution und Predictive Analytics, unterstützt. Und weitere Einsatzbereiche für KI sind denkbar. Warum nicht Produkte entsprechend der Kundenvorlieben anpassen?
Der SPoT ist keine Einbahnstraße, und wer sich an die Vorgaben der Datenbasis hält und Abteilungsdenken hintenanstellt, wird belohnt: Vom Vertrieb, der per App die notwendigen Daten zur Gesprächsvorbereitung abfragen kann, bis zum POS profitiert das gesamte Unternehmen vom SPoT. Heute und mehr noch in der Zukunft, denn der Trend geht zur unternehmensweiten Automatisierung.
Resumé
Für zukünftige Entwicklungen bereitet eine widerspruchsfreie Datenbasis Unternehmen gut vor: Die Anzahl der Daten spielt hier aufgrund der widerspruchsfreien Struktur keine Rolle mehr für den Aufwand der Auswertung. Die Frage, ob Data nun „Big“ ist oder nicht, verliert an Schrecken. So rechnet sich der Aufwand der Mitarbeiterbildung über den aktuellen Zeitpunkt hinaus, denn der SPoT ist nachhaltig.
Ist die Datenbasis erst einmal widerspruchsfrei aufgestellt, so lässt sich alles daran andocken, was auf Daten angewiesen ist oder welche generiert. Unabhängig von der Größe und unabhängig von den technischen Entwicklungen, welche die Zukunft noch bringen wird. Denn wie alle anderen Datenströme zuvor müssen auch diese sich an den Zielen und Begriffen des Unternehmens orientierten.
Das Unternehmen, das seine Datenbasis in Ordnung gebracht hat, kann daher nicht nur mit aktuell höheren Konversionen und niedrigeren Ausgaben rechnen, es ist auch bereit für kommende Technologien und weitere Kanäle, die Daten beisteuern. Was auch immer die Zukunft technisch an Neuerungen und Erfindungen bringen wird, eines ist sicher: Die Technik wird auf Daten angewiesen sein, die Daten auf den SPoT – und damit auf den Menschen.
Die iCompetence GmbH mit Standorten in Hamburg und Frankfurt steht für Digital Intelligence Beratung der nächsten Generation. Als eine der ersten Beratungen hat sie Tag Management in Deutschland eingeführt und berät seit mehr als sieben Jahren Kunden in Fragen der Webanalyse, des Tag Managements und der Datenstrategie. Ihre führenden Köpfe haben das Online- und digitale Marketing seit seiner Entstehung analytisch begleitet und optimiert. Als Ausrichter der Digital Intelligence Conference setzt die iCompetence GmbH seit mehreren Jahren entscheidende Impulse im digitalen Marketing.