Interview mit André Vogt, Direktor EIM bei der CENIT AG
Es vergeht kein Tag, an dem nicht Künstliche Intelligenz, Digitalisierung, BlockChain oder andere Trendbegriffe in Diskussionen und Veröffentlichungen über aktuelle IT-Entwicklungen zur Anwendung kommen. Alle diese Themen haben ihre Berechtigung – ihre Innovationskraft und nutzenstiftenden Eigenschaften stehen außer Zweifel. Zuweilen bekommt man aber fast den Eindruck, dass alles, was „früher“ gut war, heute nicht mehr der Rede wert ist, oder dass die „damaligen“ Entscheidungen alle falsch waren. Im Interview mit André Vogt, Direktor EIM bei der CENIT AG, geht das DOK.magazin der Frage nach, ob dieser Eindruck stimmt.
Herr Vogt, Enterprise Information Management als Summe der auf Daten und Dokumenten basierenden Unternehmensinformationen ist Ihr Thema. Geht der Dokumentenbegriff langsam verloren?
Betrachtet man Dokumente bloß als papiergebundene Erzeugnisse, oder auch ihr Äquivalent – das PDF oder TIFF –, so kann man durchaus sagen, dass eine massive Veränderung stattfindet. Und ja, sie könnte eventuell sogar den Eindruck erwecken, dass der Dokumentenbegriff verloren geht.
Jedoch hat das Verständnis von Dokumenten als Trägern von unstrukturierten Informationen, die in Textform vorliegen und über zusätzliche Attribute in einen fachlichen oder prozessualen Kontext eingeordnet werden, aus meiner Sicht weiterhin eine hohe Bedeutung. Denn auch heute kommen sie weiterhin quantitativ in mehr als 80 Prozent der Unternehmensinformationen zum Einsatz.
Wie würden Sie dann den „gefühlten“ Bedeutungsverlust erklären und – vor allem – warum ist dem Ihrer Meinung nach nicht so?
Im heutigen Umgang ermöglicht die IT, Daten und Dokumente identisch zu unterstützen, im Gegensatz zu der herkömmlichen Trennung der Vergangenheit. Hier resultierte der Unterschied aus den technischen Restriktionen hinsichtlich der Rechtssicherheit und auch der Performance der Systeme und Netze. Die aktuellen technologischen Möglichkeiten der IT hinsichtlich Geschwindigkeit sowie der zu verarbeitenden Datenmengen haben aber nun den eingangs genannten Trendthemen zu ihrer „Omnipräsenz“ verholfen. Ebenso ist das Kunden- bzw. Interaktionserlebnis mit Unternehmen zu einem Unterscheidungs- und damit Qualitätsmerkmal geworden, welches über Erfolg oder Misserfolg entscheidet.
Diese Aspekte – und auch die Berichterstattung der Medien – sind Ursache für den geschilderten Eindruck bezüglich des Bedeutungsverlustes des Dokumentenbegriffes. Es sind die innovativen und disruptiven, neuen, ergänzenden Geschäftsmodelle, über die man lieber spricht, als über die klassischen Automatisierungs- und Effizienzthemen im Umgang mit Informationen. Aber im Kern werden Daten und Dokumente und daraus resultierende Informationen eine eher zunehmende Bedeutung erhalten, da Informationen zu Produkten und Kunden heute im Fokus der Erwartungen stehen und bedient werden müssen. Nur möglicherweise mit anderen Begrifflichkeiten.
BlockChain und KI als Ersatz für alles „Alte“ – ist das auch Ihre Sicht?
Alle unsere Kunden möchten mit uns über diese Technologien und Ideen sprechen – und sicherlich bieten sie perspektivisch eine Menge Potenzial. Aber aktuell begleiten wir keine Projekte, bei denen jemand BlockChain für sein Unternehmen außerhalb eines Piloten nutzt. Der Umgang mit Buchungen und zugehörigen Dokumenten wird immer noch sehr stark mit den „alten“ Mechanismen bedient und, ehrlich gesagt, sehr dokumentenorientiert gelebt.
KI und selbstlernende Systeme sind aus meiner Wahrnehmung da schon eher Realität unserer Projektsituationen, wobei sie nicht als Ersatz für etwas Altes, sondern als Ergänzung oder Beschleunigung genutzt werden. Die Analyse großer Datenbestände – Daten und Dokumente übrigens – mittels KI, Durchführung von wiederkehrenden Tätigkeiten mittels Robotic Process Automation (RPA) und Nutzung natürlicher Sprache im Umfeld von Dialogsystemen oder ChatBots werden stark nachgefragt. Aber eigentlich ist das nicht so neu und auch nicht substituierend zu verstehen, denn das wurde bisher genauso umgesetzt. Im Input Management wurde die Bilderkennung ebenfalls mittels selbstlernender Systeme implementiert und die Ideen von Big Data sind auch nicht neu.
Und was ist dann das „Neue“?
Neu sind eigentlich nur die stärkere Nutzung der Cloud sowie die Inanspruchnahme von Micro-Services aus der Cloud. Bilderkennung, Dialogsteuerung, GPS-Dienste sind einige Beispiele für ergänzende Informationen, welche, aus der Cloud kommend, in einer As-a-Service-Form in den Unternehmenskontext integriert werden. Das heißt, neue aber auch bestehende Lösungen werden durch diese Integration mit zusätzlichen Funktionen und weiteren fachlichen Zusammenhängen angereichert. Das hat Einfluss auf das Kundenerlebnis und sorgt für Effizienz in der Multikanal-Welt, in der wir alle agieren.
Welche Entwicklungen erwarten Sie in den kommenden Jahren?
Eine Vielzahl von technologischen Entwicklungen wie Digital Twins, 3D-Druck, VR und KI sind mehr als marktreif. Die intelligente Kombination und Interaktion der einzelnen strategischen Technologien wird der Schlüssel sein für den Erfolg von Unternehmen in den kommenden Jahren. Außerdem: Die Plattform für die kommenden Jahre ist Cloud, wobei im B2B-Bereich die HybridCloud gemeint ist. KI und intelligente Apps sowie IoT werden außerhalb der Cloud nicht einsetzbar sein und das wird auch der Auslöser sein, warum die aktuellen Datenschutz- und sonstigen „Sorgen-Diskussionen“ abebben werden.
VR und Augmented Reality, Digital Twins und Blockchains werden „alte“ etablierte Prozesse zunächst ergänzen und perspektivisch mittelfristig ablösen und so die Überführung in die Digitale Welt abschließen. Über die Dauer dieser Transformation vermag ich keine Aussage zu treffen.
Wie steht es in diesem Kontext um das „Dokument“?
Im Zuge dieses Wandels geht möglicherweise auch der Dokumentenbegriff weiter verloren, aber seine Bedeutung ist wichtiger denn je. Genau genommen, werden technologisch erst jetzt die Visionen, die früher als „papierloses Büro“ und Enterprise Information Management-Vision tituliert wurden, umsetzbar in einer vernünftigen Kosten-Nutzen-Ratio.
Nun, das ist die Vision der Zukunft. Was bietet sich auf diesem Weg an konkreten Lösungen an?
Bis dahin wird der Fokus der Kunden und Anbieter auf der Vernetzung von Insellösungen, Plattformen, Architekturen und Security liegen, da der „Wettstreit“ der Software-Anbieter um die eine zentrale IT-Plattform in der Cloud noch nicht gewonnen wurde – und sich wahrscheinlich auch nicht einstellen wird. Wir bei CENIT fokussieren uns dazu auf die 360-Grad-Kundenkommunikation und -interaktion. Dabei vertrete ich die Ansicht, dass die cloudbasierten Entwicklungsplattformen inklusive ihrer KI-Lösungen, wie beispielsweise IBM Bluemix oder die Microsoft Angebote, in Kombination mit Analytics die nötigen Innovationen und Effizienzgewinne ermöglichen werden, um unseren Kunden ihre Wettbewerbsposition für die kommenden Jahre abzusichern – den Großen wie den mittelständischen Unternehmen gleichermaßen.
360-Grad-Kundenkommunikation – in Kombination mit cloudbasierten Lösungen (CENIT)
Ihr Unternehmen will Berater und Partner in der Digitalen Transformation sein – wie stellen Sie diese Rolle sicher und welchen Nutzen stiften Ihre Lösungen bei Ihren Kunden?
Wir bedienen zwei große Themenfelder: PLM und EIM. Im PLM-Umfeld steht aktuell die Digitalisierung des Produktentstehungsprozesses (PEP) im Mittelpunkt. Der EIM-Bereich fokussiert sich auf die Kundenkommunikation und -interaktion. Die Neuausrichtung des EIM-Bereichs vor mehreren Jahren führte zu einer neuen Aufstellung inklusive neuer Leistungen – ohne das vorhandene Spektrum zu vergessen. Unsere Historie im Archiv- und BI-Umfeld vernachlässigen wir natürlich nicht, aber wir haben es geschafft, den Schritt vom Reseller zum Lösungsanbieter zu vollziehen und als Trusted Advisor unserer Kunden agieren zu dürfen. Im Zeitverlauf haben wir zudem den Anteil der eigenen Software-Lösungen erfolgreich ausgebaut und zusätzlich als SaaS cloudfähig in den Markt getragen. Unsere eigene Software ECLISO als zentraler Dreh- und Angelpunkt für alle nicht ERP-relevanten Daten einer Organisation, ist inzwischen mittels additiver Module im Input-Bereich und auch im Output-Bereich derart integriert, dass wir geschlossene Kundenkommunikationsprozesse mittels unserer Lösungen unterstützen können – unabhängig vom Kommunikationskanal. Weiterhin haben wir auch unsere Investitionen in Innovationsthemen, speziell im Umfeld der Prozessautomatisierung und KI, gesteigert und mit den Analytics-Expertisen zusammengeführt. ChatBots, KI-basierte Dialogsysteme und Prozessintegrationen in Bestandsführungssysteme der Versicherungswelt sowie in klassische Output-Management-Systeme haben uns bei unseren Kunden in die Situation gebracht, dass wir gemeinsam in den Kernprozessen unserer Kunden Nutzen stiften und uns partnerschaftlich weiterentwickeln. Unser Ziel, mit unseren Kunden gemeinsam ihre Digitalstrategie – nach innen wie nach außen – zu diskutieren und Beiträge für deren Weiterentwicklung zu liefern, ist erreicht.
Herr Vogt, wir danken Ihnen sehr für dieses Gespräch.
CENIT ist der Partner für die erfolgreiche digitale Transformation. Innovative Technologien aus den Bereichen Product Lifecycle Management, Digitale Fabrik und Enterprise Information Management schaffen dafür die Basis. CENIT beschäftigt rund 800 Mitarbeiter, die weltweit Kunden aus den Branchen Automobil, Luft- und Raumfahrt, Maschinenbau, Werkzeug- und Formenbau, Finanzdienstleistungen, Handel und Konsumgüter betreuen.