Ein Appell an den digitalen Weitblick

So weit – so (gut) digitalisiert.

Und jetzt?

Es hat eine Weile gedauert – aber nun scheint die „Digitalisierung“ angekommen in deutschen Unternehmen. Beobachtet man die aktuelle Entwicklung, muss mittlerweile niemand mehr überzeugt werden, etwas zu tun. Interessant ist jedoch der Fokus der Bestrebungen: Der größere Anteil der Unternehmen zielt weiterhin auf Aktivitäten rund um Optimierung, Effizienzsteigerung und Qualitätsbestrebungen ab. Tatsächliche Innovationen und disruptive Veränderungen scheinen in Deutschland weiterhin schwerer zu fallen.

Im Gespräch mit dem DOK.magazin betrachtet André Vogt, Direktor des Bereichs Enterprise Information Management bei CENIT, die bisherige Entwicklung und bewertet das Heute und Morgen.

André Vogt, Direktor Enterprise Information Management bei der CENIT AG

 

Herr Vogt, welche sind heute die größten Herausforderungen, die Unternehmen im Hinblick auf die Digitale Transformation bewältigen müssen?

Nun, auch wenn Unternehmen mittlerweile sich intensiv mit der Digitalisierung auseinandersetzen, gewinne ich partiell den Eindruck, dass wir die Weltmeister im Risikosuchen und Planen sind – und dabei die Chancen außer Acht lassen: In einem „neuen“ Marktsegment kann man die Chancen, welche auf der Markt- und Kundenseite definitiv existieren, nicht perfekt planen, abschätzen und vorhersagen. Das führt gerne dazu, den Fokus auf die etablierten Themen wie Optimierung der IT, Prozesse und Organisation zu überführen – auch bei der „Umsetzung“ der Digitalen Transformation.

Damit geht die Innovationskraft verloren – und Potenzial wird vergeben. Also sind der Umgang mit Veränderung und mutiges Agieren im veränderten Umfeld weiterhin die Herausforderung. Das ist auch die Ursache, warum alle nach der Strategie, der Lösung, der Innovation im Umfeld der Digitalen Transformation fragen.

Was müssen Unternehmen als Nächstes angehen, um diese Herausforderungen zu meistern?

Diese Frage ist nicht allgemein zu beantworten, sondern muss branchen- und unternehmensindividuell betrachtet werden.

Unternehmen mit großem Zielmarkt, beispielsweise im B2C-Bereich, sollten ihre Digitalisierungsstrategie für die Vertriebs- und Kommunikationsprozesse zum Endkunden ausrichten und die damit verbundenen Prozesse automatisieren. Hierbei sind Begriffe wie Multi- oder Omnikanal-Strategie üblich. Der digitale Prozess darf aber nicht absolutistisch verstanden werden – d.h. es muss kein Substitut, sondern eine Ergänzung der bestehenden Abläufe sein. E-Commerce und Handelsvertreter sind weiterhin gut kombinierbar.

Liegt der Unternehmensfokus eher in einer Intellectual Property, also einem speziellen Produkt oder einer Expertise, die sich z.B. durch hohe Individualisierung oder extrem kostenintensive Fertigung auszeichnen, ist die Digitalisierungsbestrebung auf die Produkte und ihre Erstellung zu priorisieren. Die Produktentstehung sowie die Simulation dieses Prozesses bieten hohe Potenziale für Kostenoptimierungen. Die dadurch gewonnene Transparenz erlaubt, die Informationen in die Vertriebsprozesse zu übergeben und damit besser zu vermarkten. Hierbei stehen somit die eigentliche Produktentstehung, die anschließende Fertigungsplanung und danach die Vermarktung im Fokus der Bemühungen.

Für disruptiv halte ich diese Herangehensweisen jedoch nicht. Wirkliche Digitalstrategien, die mit Veränderungen der Geschäftsmodelle und geänderten Wertschöpfungsketten operieren können, wären folgende: Banken, die neue, unerwartete Zusatzleistungen anbieten. Plattformen, die ihren Kundenzugang als Asset für andere Anbieter bereitstellen und damit etablierte Wertschöpfungsketten in neuen Wertschöpfungsnetzen zusammenführen – das ist die eigentliche Innovation – und partiell auch disruptiv.

Blicken wir nach vorn: Was sind die Next Steps der Digitalen Transformation? Oder anders gefragt: Auf welche (technologischen) Entwicklungen und Anforderungen müssen sich Unternehmen in Zukunft einstellen? Was gilt es schon heute zu beachten, um morgen als Unternehmen gerüstet zu sein?

Eine Vielzahl von technologischen Entwicklungen wie Digital Twin, 3D-Druck, Blockchains, VR und KI sind mehr als marktreif. Die intelligente Kombination und Interaktion der einzelnen strategischen Technologien wird entscheidend sein für den Erfolg in den kommenden Jahren.

Darüber hinaus ist die Plattform für die kommenden Jahre die Cloud, wobei im B2B-Bereich die HybridCloud gemeint ist. KI und intelligente Apps sowie IoT werden außerhalb der Cloud nicht einsetzbar sein – und das wird auch der Grund sein, warum die aktuellen Datenschutz- und sonstigen „Sorgen-Diskussionen“ abebben werden. VR und Augmented Reality, Digital Twins und Blockchains werden „alte“ etablierte Prozesse zunächst ergänzen und perspektivisch mittelfristig ablösen, und so die Überführung in die digitale Welt abschließen.

Bis dahin wird der Fokus auf vernetzten Plattformen, Architekturen und Security liegen, da der „Wettstreit“ um die eine IT-Plattform in der Cloud noch nicht gewonnen wurde und sich wahrscheinlich auch nicht einstellen wird. Bis dahin müssen ChatBots, kognitive Services und Datenquellen, wie bisher auch im Big Data bzw. Analytics Umfeld, zusammengeführt werden.

Ich glaube, dass die cloudbasierten Entwicklungsplattformen, ihre KI-Lösungen wie beispielweise BlueMix oder Microsoft eingeschlossen, in Kombination mit Analytics in den nächsten 18 Monaten klare Innovationen und Effizienzgewinne ermöglichen werden. Daher fokussieren wir uns bei CENIT sehr auf Lösungen für Kundenkommunikation und -interaktion. Dies wird es uns wiederum erlauben, mit den entsprechenden Lösungen die Wettbewerbsposition unserer Kunden – der Großen wie der mittelständischen – absichern zu können.

Welche Lösungen sehen Sie für die verschiedenen Unternehmenstypen und Branchen? Wie beraten Sie sie?

Im Sinne einer ganzheitlichen Lösung sollten strategische Vorhaben zu Beginn durch echtes Management Consulting initiiert und begleitet werden. Bei CENIT werden anschließend die fachliche Lösungskonzeption und ihrer Implementierung – oftmals agil – offeriert und mit Managed Services und Betriebsleistungen abgerundet. Die Vorgehensweisen zielen auf die Etablierung einer echten digitalen Strategie ab, sind branchenneutral konzipiert und damit für alle Branchen anwendbar.

Für spezielle Fokusthemen wie die „360-Grad-Kundenkommunikation“ bieten wir sowohl strategische, konzeptionelle Unterstützung an als auch sämtliche Lösungs- und Technologiekomponenten im IT-Umfeld. Beispielsweise haben wir eine Lösung „Personal Interactive Video“ als Zusatzkanal zu den bekannten Social-Kanälen und -Medien. Ebenso bieten wir KI-basierte ChatBots unter dem Titel „SmartChat“ an.

Unsere Herkunft verleugnen wir natürlich auch nicht: klassisches Inputmanagement und Klassifikation sind ebenfalls in unserem Lösungsspektrum enthalten. Nur haben wir diese Leistungen inzwischen alle in die neue, digitale Welt überführt – d.h. Smartphones als Device, KI, Dunkelverarbeitung und Vernetzung mit anderen vorhandenen Datenquellen rund um den Kunden sind in die klassischen ICR/OCR eingeflossen und erlauben eine Customer Experience, die den heutigen Bedingungen angemessen ist.

Ihr Unternehmen will Berater und Partner in der Digitalen Transformation sein – und hier kommt auch der Bereich EIM ins Spiel …

… genau – und lassen Sie mich kurz darauf eingehen. Denn wir bedienen zwei große Themenfelder: PLM und EIM. Im PLM-Umfeld steht aktuell die Digitalisierung des PEP-Prozesses im Mittelpunkt. Der EIM-Bereich fokussiert sich auf die Kundenkommunikation und -interaktion.

Die Neuausrichtung des EIM-Bereichs vor mehr als drei Jahren führte zu einer neuen Aufstellung, neuen Leistungen – ohne das bereits vorhandene Spektrum zu vergessen. Unsere Historie im Archiv und BI-Umfeld vernachlässigen wir natürlich ebenfalls nicht, aber wir haben es geschafft, den Schritt vom Reseller zum Lösungsanbieter zu vollziehen und als Trusted Advisor unserer Kunden agieren zu dürfen. Im Zeitverlauf haben wir zudem den Anteil der eigenen Software-Lösungen erfolgreich ausgebaut und zusätzlich als SaaS cloudfähig in den Markt getragen. Weiterhin haben wir auch unsere Investitionen in Innovationsthemen, speziell im Umfeld der Prozessautomatisierung und KI, gesteigert und mit den Analytics-Expertisen zusammengeführt. Auch die IBM als unser strategischer Partner honorierte unsere Leistungen in 2016 mit einem weltweiten „Partner-of-the-year-Award“. Nicht zuletzt bestärkt uns die Kontinuität im Kundenbestand, diesen Weg zielgerichtet weiter zu gehen.

Die Verleihung des IBM Awards fand 2016 im Rahmen des weltweit größten IBM Events – World of Watson in Las Vegas statt. Das Event diente der IT Fach-Community als Diskussions-Plattform für die kritischsten IT-Fragen von morgen. Welche Trends und Entwicklungen wurden dort diskutiert?

Der Titel war quasi Strategie und Programm. Im Fokus stand Watson als die kognitive Lösung der IBM, auf der IBM-Cloud-Plattform. Positiv ist festzustellen, dass es nicht um IT ging, sondern um Möglichkeiten, die uns selbstlernendende Systeme bieten. Business Cases für die Zukunft und Einsatzbereiche, die schon fertig sind, oder kurz davor stehen, wurden vorgestellt und diskutiert. Dass im Umfeld IoT bereits viele Watson-basierte Lösungen existieren, ist noch nicht allen bekannt. Viele assoziieren Watson noch immer mit dem berühmt-berüchtigten Jeopardy-Experiment – das war aber 2006. Ich habe in Las Vegas mitgenommen, dass durch

  • die Öffnung in Richtung Spark, Open Source und diverser Standards die Entwickler-Community extrem gewachsen ist
  • BlueMix als cloudbasierter Serviceanbieter eine Art Renaissance der SOA-Idee ermöglicht
  • eine kognitive Watson-Lösung somit schnell und einfach in die B2C- und B2B-Prozesse integriert werden kann.

Unsere neusten Branchenlösungen basieren bereits auf diesen Ideen und der entsprechenden Technologie – und unsere Kunden stehen diesen Innovationen positiv gegenüber.

Stellen Sie sich vor, wir haben Ende 2017. Welche Maßnahmen in Bezug auf die Digitalisierung sollen Unternehmen umgesetzt haben? Was sollte Ende 2017 schon fest in Unternehmen etabliert sein?

Es wird keinen festen Meilenstein geben und auch keinen festen Termin. Wir sind in einer anderen Vorgehensweise angekommen. Klassische Meilensteinplanung wurde von explorativen Vorgehensweise abgelöst und damit wird der Fertigstellungsgrad und Fertigstellungstermin nicht mehr mit klassischen Mitteln planbar sein.

Die Erreichbarkeit von Zielen basiert eher auf der Fähigkeit, das Potenzial der Beteiligten zu nutzen und in die richtige Richtung zu lenken. Motivation, Führung und Change sind die Schlüsselfaktoren – und das wäre auch meine Empfehlung für die Planung bis zum Jahresende: Die Verantwortlichen sollten auf ihre Leadership-Kompetenz vertrauen und vor allen Dingen auf ihr Team.

Herr Vogt, wir danken Ihnen für diese offenen Worte!

www.cenit.com

CENIT ist der Partner für die erfolgreiche digitale Transformation. Innovative Technologien aus den Bereichen Product Lifecycle Management, Digitale Fabrik und Enterprise Information Management schaffen dafür die Basis. CENIT beschäftigt rund 700 Mitarbeiter, die weltweit Kunden aus den Branchen Automobil, Luft- und Raumfahrt, Maschinenbau, Werkzeug- und Formenbau, Finanzdienstleistungen, Handel und Konsumgüter betreuen.