Autor – Adrian Jennings, Vice President Manufacturing Industry bei Ubisense
Für viele Hersteller ist Industrie 4.0 die Zukunft – und die Messlatte für neue Produktkonzepte. Dabei geht es zu einem großen Teil um die Personalisierung und Individualisierung, eine entscheidende Wende in der bisherigen industriellen Produktion. Bislang waren die herkömmlichen Fertigungslinien für die Massenfertigung immer gleicher Produkte ausgelegt. „Customizing“ dagegen verlangt nun flexibel aufgebaute Arbeitsstationen, bei denen unterschiedlichste Komponenten in verschiedenen Endprodukte verbaut werden.
Diese Herausforderungen zeigen sich auch in der Automobilindustrie, wo eine neue Ordnung – oder Anordnung – der Montagestraßen notwendig wird. Gefragt ist hier, neue Strukturen in die Prozesse zu integrieren. Dabei ist Flexibilität entscheidend, und dafür benötigen die Verantwortlichen digitales Fingerspitzengefühl und einen tiefen Blick in ihre Abläufe.
Echtzeit-Lokalisierung bei Fertigungsprozessen
Die individuelle Fertigung der Produkte macht die Prozesse länger, komplexer und anfälliger für Fehler. Im Rahmen der Neuorganisation wird daher mithilfe flexibler Arbeitsstationen die Produktion entlang der Fertigungslinien neu organisiert. Dazu werden Monitoring-Systeme eingesetzt, die die für Industrie 4.0 notwendigen Einblicke bis tief hinein in die Montageprozesse ermöglichen.
Die technische Lösung sind aktive Transponder, sogenannte Tags, die vor der Fertigung an den Fahrzeugen befestigt werden. Fahrzeug und Tags werden von Sensoren lokalisiert, beobachtet und die Software wertet die Positionsdaten kontinuierlich in Echtzeit aus. Dieses sogenannte „Echtzeitortungssystem“ ist in der Lage, Komponenten und Fahrzeuge entlang des Fertigungsprozesses zu lokalisieren, sie zu beobachten und durch die Fabrik zu begleiten – ein grundsätzlich neues Konzept und eine völlig neue Qualität innerhalb der Fertigung.
Die Systeme werten ab diesem Zeitpunkt die Lokalisierungsdaten permanent aus und verlinken sie mit den Daten aus der Produktionssoftware oder aus den ERP-Systemen. Auf diese Weise erhält man einen detaillierten Überblick über die Prozesse in der Montagehalle und über alle Abläufe an den Fertigungslinien. Auf umgekehrtem Weg können die Verantwortliche auch direkte Eingriffe in die Prozesse vornehmen. Darüber hinaus werden auf diesem Fundament im nächsten Schritt zusätzliche Anwendungen, Applikationen und Analysesysteme aufgebaut, die ohne diese Lokalisierungssysteme nicht denkbar wären.
Virtuelle Ansicht der flexiblen Arbeitsstationen
Flexible Arbeits- und Produktionsabläufe
Eine der neuen Qualitäten von Industrie 4.0 ist die Auflösung der starren Montageprozesse. Die Fahrzeuge werden nicht mehr von Station zu Station weitergereicht, um nach fixen Zeit- und Ablaufplänen montiert zu werden. Vielmehr kreieren die Anwender eine eigene, flexible Arbeitsstation rund um jedes Fahrzeug, an der verschiedenste Komponenten für die unterschiedlichsten Fahrzeuge verbaut werden. Grundsätzlich müssen dazu folgende Voraussetzungen geschaffen werden:
• In der Logistik, bei den Speditionen und im Lager sind die Behälter für die Komponenten mit Tags ausgestattet. Kontinuierlich wird der Standort der Komponenten innerhalb des Lagers gemeldet. Eine Inventarisierung des Lagers ist jederzeit per Mausklick möglich, ebenso die Recherche nach dem genauen Lagerort der Komponenten.
• An der Montagelinie ersetzt der flexible Arbeitsplatz die festzementierten Abläufe. Die Fertigungen stellen auf kabellose Werkzeuge um; sie schaffen das Barcodescannen ab. Entlang der Fertigung zeigen Monitore die exakte Montage der Komponenten an der jeweiligen Arbeitsstation. Das Ergebnis ist ein fließender Prozess aller individuell gebauten Fahrzeuge entlang der Fertigungsstraßen – ohne Stillstand, ohne Fehler und mit geringer Nachbearbeitung.
• Nach der Montage werden die Fahrzeuge weiterhin lokalisiert, bis sie das Gelände verlassen. Solange sie auf dem Firmengrund geparkt sind, sind sie über die Tags exakt auf einer Karte zu lokalisieren. Die Mitarbeiter erfahren mit einem Mausklick den Status jedes Fahrzeuges – und ob es beispielsweise noch in die Nachbearbeitung geht. Das System sendet einen Alarm, wenn das Fahrzeug zu lange steht oder einen Termin zur Nachbearbeitung verpassen könnte.
Die Tags werden erst in dem Moment aus dem Fahrzeug entfernt, in dem es das Firmengelände verlässt. Der Fertigungsprozess ist damit offiziell abgeschlossen, das Produktionssystem gibt die Daten in die Buchhaltungssysteme weiter.
Fazit
Die Herstellung von personalisierten und individualisierten Produkten – die zentrale Maxime des zugrunde liegenden „Industrie-4.0“-Konzeptes – erfordert einen völlig neuen Ansatz für ihre Fertigung. Die Umgestaltung der Prozesse wird unter anderem durch ein Echtzeitortungssystem ermöglicht, mit dem Hersteller entlang ihrer Fertigungsstraßen die flexible Produktion ihrer Erzeugnisse realisieren.
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Adrian Jennings, Vice President Manufacturing Industry bei Ubisense. Ubisense brachte 2003 das erste weltweit verfügbare präzise Echtzeit-Ortungssystem (RTLS – Real Time Location System) auf den Markt und hat sich seither zum international führenden Lösungsanbieter für ortungsgesteuerte Fertigungslösungen entwickelt. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Cambridge (GB) betreut über 500 Kunden weltweit und ist mit rund 200 Mitarbeitern in Europa, Nordamerika und Asien vertreten.