How soon is now? Die Digitalisierung ist jetzt!

Autorin – Katja Gros, Projektleiterin bei der Messe Berlin

Sie schreitet voran, die Digitale Transformation, aber noch immer ist der Wandel in deutschen Unternehmen zu langsam: Während die Digitalwirtschaft in Villarriba mit Unternehmen wie 6 Wunderkinder oder SoundCloud kreative Blüten treibt und geschäftstüchtig Allianzen mit Unternehmen der Old Economy schmiedet (man denke an die Kooperationen von Axel Springer, Daimler oder Deutsche Telekom mit Start-ups), hinkt die große Mehrheit dem Innovationsschatz hinterher. Selten ist sie dabei kreativ: „Bei vielen deutschen Unternehmen hapert es noch im Bemühen, das eigene Geschäftsmodell an die Digitalisierung anzupassen. Sie kopieren lieber neue Ideen statt selbst innovativ zu sein, sind dabei aber häufig nicht schnell genug und deshalb auch meist nicht erfolgreich“, bilanzierte etwa der Wirtschaftsprüfer KPMG in seiner Umfrage Survival of the Smartest 2.0 [1].

Dennoch ist man sich auch in Villabajo einig, dass sich die Digitalisierung positiv auf die Gesellschaft und wirtschaftliche Entwicklung auswirkt: Die zeitliche und räumliche Unabhängigkeit beim Arbeiten mit der Cloud ermöglicht neue Arbeits(-zeit)- und Geschäftsmodelle und schafft neue Arbeitsplätze, finden 45 Prozent der von ibis research befragten Unternehmen [2].

Adapt or die

Was genau heißt „Digitalisierung“? KPMG definiert den Prozess als „wachsende Vernetzung von Mensch und Maschine durch das (mobile) Internet“ [1], in der Datenerhebung und -auswertung vermehrt automatisiert erfolgt, Informationen elektronisch umgewandelt werden und die Funktions- und Prozesssteuerung ebenfalls zunehmend automatisiert geschieht. Digitalkompetente Unternehmen sind demnach jene, die „zentrale Geschäftsprozesse weitestgehend digitalisiert und vernetzt haben, Änderungen ihres Geschäftsmodells auf verschiedenen Ebenen anstoßen, Innovation vorantreiben und die Bedürfnisse von digitalen Kunden in den Mittelpunkt stellen“ und diesen auch gerecht werden. Immerhin 70 Prozent der vom Branchenverband BITKOM befragten Unternehmen [3] sehen den Prozess als größte Herausforderung – daneben fehlt es offenbar an Expertise: 70 Prozent gaben in KPMGs Studie [1] an, dass sie große Probleme haben, qualifiziertes Personal zu finden.

Ausmaß der Prozessänderung (© KPMG 2014)
Ausmaß der Prozessänderung (© KPMG 2014)

Wenn sich also eigentlich alle einig sind, dass die Digitalisierung allen hilft – warum ist Deutschlands Wirtschaft ein kleiner Fleck auf der Digitalisierungslandkarte? Als stärkste Wirtschaft Europas müssten wir eigentlich an der Spitze mitmischen – allein die Angst hält uns zurück: Der Wandel beginnt im Kopf. Und er braucht Mut: Festgefahrene Strukturen müssen aufgebrochen, Routinen verändert, neue Technologie ins Haus gebracht und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschult werden. Und was ist mit dem Datenschutz?

Eigentlich ist es doch ganz einfach: machen. Innovation speist sich aus Neugierde und dem Willen nach Veränderung und Verbesserung. Gepaart mit einer Fehlerkultur, die Scheitern nicht als Manko sondern als weitere Chance versteht, gelingt die Evolution.

Durchschnittlicher Digitalisierungsfortschritt nach Branchen (© KPMG 2014)
Durchschnittlicher Digitalisierungsfortschritt nach Branchen (© KPMG 2014)

Der Wandel beginnt im Kopf

Wie genau sieht Digitalisierung in Unternehmen aus? Pauschal lässt sich diese Frage natürlich schwer beantworten – jedes Unternehmen muss selbst entscheiden, wie hoch der Digitalisierungsgrad sein soll bzw. welche Prozesse sinnvoll digitalisiert werden können. Im Vordergrund sollten folgende Fragen stehen: Was gewinne ich daraus? Was verbessert sich? Wie viel Nutzen können meine Teams daraus ziehen?

Gute Lösungen verbessern die Zusammenarbeit, sind jedem zugänglich und beschleunigen Abläufe im Unternehmen. Einige weitere helfen eventuell bei der Akquise neuer Kunden. Wichtig ist jedoch, dass die Einführung neuer Tools, Software oder Cloud-Systeme transparent kommuniziert wird, dass Mitarbeiter abgeholt werden und verstehen, wie die Anwendungen zu nutzen sind, welche Vorteile sich daraus ergeben – und dass die Geschäftsführung voll hinter dem Prozess steht und Innovation als Chance begreift.

Ausmaß der Geschäftsmodelländerung (© KPMG 2014)
Ausmaß der Geschäftsmodelländerung (© KPMG 2014)

Einige Unternehmen haben erkannt, dass das Potenzial für Innovation abteilungsübergreifend vorhanden ist: LinkedIn beispielsweise ermutigt seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter quartalsweise zu einem Pitch vor einem Team aus Führungskräften. Ist die Idee überzeugend, kann ein Team gebildet und bis zu drei Monate am Projekt gearbeitet werden. Nur wenn der Wandel also in den Köpfen vom Management angekommen ist und von dort auch gelebt wird, haben neue Prozesse wirklich eine Chance. Anhand einiger Beispiele lässt sich ganz gut nachvollziehen, was möglich ist.

Fortschrittsindikator der Geschäftsmodelländerungen nach Branchen (© KPMG 2014)
Fortschrittsindikator der Geschäftsmodelländerungen nach Branchen (© KPMG 2014)

Digitalisierung rund um HR-Management

Geht es um das Bewerber-Management, verschenken viele Unternehmen noch immer ihre Ressourcen. Dabei erleichtern mittlerweile zahlreiche Anwendungen den gesamten Personalplanungszyklus: Abseits von Xing oder LinkedIn und jenseits von Excel erleichtern SaaS-Lösungen (Software as a Service) den Überblick und die Planung. Softgarden aus Berlin unterstützt Unternehmen bei der Stellenausschreibung und -veröffentlichung online und in sozialen Netzwerken, bietet eine Plattform für die Bewertung von Bewerberinnen und Bewerbern und stellt ein Empfehlungsprogramm von Mitarbeitern für potenzielle Mitarbeiter vor. Die Macher von 4Scotty drehen den Spieß gleich ganz um und ermöglichen Unternehmen einen direkten Zugang zu IT-Experten. Detaillierte Bewerberprofile zeigen aufschlussreich die jeweiligen Expertisen potenzieller Mitarbeiter, die von Unternehmen direkt zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden können.

Eine digitale Personalakte (wie die Leipziger forcont business technology gmbh sie für die T-Systems entwickelte) schafft nicht nur Platz im Büro – sie ermöglicht einen dezentralen Zugriff, Einsichtnahme von befugten Dritten wie Führungskräften oder Betriebsrat, schützt vor Verlust und schafft eine standardisierte Datenerhebung für alle Beschäftigte. Digitale Zeiterfassungstools wie mite des Berliner Unternehmens Yolk berücksichtigen individuelle und stationär unabhängige Arbeitszeiten, ermöglichen Zeitmanagement in Echtzeit, lassen sich an individuelle Bedürfnisse anpassen und können projektbasierte Arbeit wesentlich umfassender abbilden als eine Stechuhr.

Ein Buchhaltungstool, wie etwa Smoice oder Lexoffice es anbieten, ist praktisch und leicht verständlich. Webbasierte Abrechnungstools wie die Lösung des Essener Unternehmens FastBill verlagern Rechnungserstellung und Mahnwesen ebenso wie die Erfassung und Archivierung von Belegen ins Netz, bilden Umsätze wie ausstehende Zahlungen übersichtlich ab und versenden den Monatsabschluss per Knopfdruck ans Steuerbüro. Personalmanagement-Software wie Bamboo HR oder HR Works verlegen Urlaubsplanung oder Krankmeldungen ins Netz – ebenso wie Projektmanagement-Tools wie BlueAnt von Proventis langwierige Meetings zumindest teilweise ersetzen, die Absprache mit Freelancern und Ressourcenplanung vereinfachen, Unterlagen und Informationen über Unternehmens-, Länder- und Zeitgrenzen hinweg verfügbar machen und E-Mail-Fluten eindämmen können.

Teamwork geht auch dezentral

Jenseits von Skype und Webkonferenztools wie etwa GoToMeeting behelfen sich Unternehmen auch außerhalb der Projektmanagement-Lösungen mit webbasierten Anwendungen. SMASHDOCs, ein Tool aus München, vereinfacht das Verfassen umfangreicher Textdokumente: Über die Cloud können Teams in Echtzeit das Dokument erstellen, ändern und ergänzen, sich parallel dazu im Chat austauschen und einzelne Passagen kommentieren. Das Tool bildet den jeweiligen Wissensstand der Beteiligten ab. Speziell für Programmierer eignet sich das Kollaborationswerkzeug SubEthaEdit, bei dem Dokumente in Gruppen oder öffentlich bearbeitet werden können. Auch hier sorgt eine Rechteverwaltung für die nötige Kontrolle.

Das Hamburger Unternehmen TeamDrive macht Data-Sharing über Betriebssystemgrenzen hinweg möglich: Große Datenmengen können entsprechend aktueller Datenschutzregeln und verschlüsselt in einer frei wählbaren Cloud gelagert und individuell verfügbar gemacht werden. Weil die Hamburger Lösung datenschutzkonform ist, bietet sie eine sichere Alternative zu Dropbox oder WeTransfer für jene, die mit sensiblen Daten hantieren.

Supply Chain meets Operations meets SaaS in der Cloud

Als DHL Worldwide innerhalb kürzester Zeit eine Plattform zur Abwicklung einer internationalen Rückrufaktion benötigte, beauftragte der Konzern die InfoTip Servicegesellschaft aus Hattingen: Mehrere Millionen Artikel mussten zeitgleich aus ganz Europa zurückgerufen, Betroffenen Verpackungen für die Rücksendung bereitgestellt und Werkstätten Kapazitäten für die Reparatur zur Verfügung gestellt werden. Hierzu registrierten sich betroffene Kunden selbst über die Plattform oder über ein Callcenter, ihre Daten mussten verifiziert und mit der weltweiten Datenbank abgeglichen werden. Die Pakete wurden dann mit DHL und anderen Dienstleistern an diverse Werkstätten verschickt. Der gesamte Prozess musste dokumentiert, überwacht und im Anschluss ausgewertet werden können. Zu Beginn der Rückrufaktion verzeichnete InfoTip mehr als 600 Aufrufe pro Sekunde: Dank Cloud-Technologie konnten gleichzeitig mehr als 20.000 virtuelle Frontend-Server erreichbar gemacht werden, um den Peak zu bewältigen und auch anschließend auf die unterschiedlichen Lastspitzen reagieren zu können. Am ersten Tag erfasste die Plattform mehrere Zehntausend Geräte.

Automatisierung von Prozessen – und mehr Transparenz

Die Digitalisierung wirkt sich auch auf die IT-Abteilungen in Unternehmen aus: End-to-End-Lösungen verkürzen Entwicklungsprozesse- und Testphasen, erleichtern den Arbeitsaufwand und schaffen Freiraum. Automatisierte, agile Testruns oder Bugfixing lassen Platz für neue Entwicklungen, umfassendes App-Testing führen Unternehmen wie Applause in verschiedenen Bereichen mit Hilfe der Crowd durch – und die eigene Webseite wird zukünftig einmal aufgesetzt und passt sich automatisch an verschiedene Formate und Bedingungen an.

Für Marketing-Abteilungen bedeutet die Digitalisierung ebenfalls eine Entlastung: Kampagnen lassen sich mit direkter Ansprache an Kunden richten, zeitgleich zeigen A/B-Testings, welche Variante beim Kunden besser ankommt – Dienstleister wie MailChimp machen es möglich. Andere Systeme personalisieren das Kundenerlebnis zusätzlich, weil die intelligenten Helfer wissen, was Kunde A und B unterscheidet und wer was bevorzugt. Integrierte CMS-Systeme und Social-Media-Management-Plattformen erlauben Marketing- und PR-Abteilung die Arbeit Hand in Hand: Mit Hootsuite und Co. lassen sich Tweets, Blogposts, Videos etc. längst automatisieren und timen und die Streuung des eigenen Contents analysieren. Laut einer Umfrage von Statista geben 75 Prozent der befragten Kleinunternehmen an, dass sich durch die Digitalisierung vor allem die eigene Außendarstellung im Netz verbessert hat. 69 Prozent nehmen eine Verbesserung bei der Kundenbetreuung wahr, 66 Prozent profitieren von einer besseren Kommunikation mit Partnern und Lieferanten [4].

Dank der Digitalisierung werden immer mehr Transaktionen komplett online abgewickelt – das schafft Transparenz: „Wenn Überweisungen und Kreditkarten die Bargeldzahlung ablösen, macht das Zahlungsflüsse transparenter und nachvollziehbarer“, beobachtete Technologie-Redakteur Stephan Dörner im Magazin t3n kürzlich. Für den Handel bedeutet die Digitalisierung ein direkter Kontakt zu internationalen Kunden, verschiedene Bezahlmöglichkeiten und eine vernetzte Kommunikation mit Kunden offline wie online – über Beacons und Smartphones etwa. Und das hat auch Auswirkungen auf die Schattenwirtschaft [5].

Insbesondere in den letzten Jahren hat die Geschwindigkeit, mit der immer neue Lösungen auf den Markt gebracht werden, zugenommen. Dieser Trend wird anhalten – und die Innovationszyklen sich noch verkürzen.

Tipp: Diese Unternehmen lohnen einen Blick

Marketing & Sales Finance & Controlling HR & Collaboration IT & Tech Operations & Supply Chain
uberMetrics FastBill SMASHDOCs SubEthaEdit ShipCloud
Pipedrive Seneca TeamDrive Sevenval InfoTip
Spoteffects Qlik Bamboo HR RhodeCode Inventorum

Quellen und Links:
[1] Studie „Deutsche Unternehmen tun sich schwer in Sachen Digitalisierung“, www.kpmg.com/de/de/bibliothek/presse/
[2] Studie Digitalisierung 2014, ibi research: http://www.ecommerce-leitfaden.de/download/studien/Digitalisierung2014.pdf
[3] http://www.bitkom.org/de/presse/8477_81806.aspx
[4] http://de.statista.com/statistik/daten/studie/374566/umfrage/durch-digitalisierung-optimierte-unternehmensprozesse/
[5] http://t3n.de/news/digitalisierung-konsequenzen-kolumne-603219/?utm_content=buffer3ecd8&utm_medium=social&utm_source=twitter.com&utm_campaign=buffer

DOK. verlost 5 Tickets für den Besuch der tools!
Bis 1. Juni 2015 E-Mail an redaktion@dokmagazin.de – betreff: Tools

tools Expo + Konferenz, 16. und 17. Juni 2015, Berlin

Die tools Expo + Konferenz schafft mit ihrem Mix aus Ausstellern, Fachbeiträgen und Demo-Workshops eine Austauschplattform für den Sprung in die Digitalisierung. Für einen Überblick der unterschiedlichen Lösungen für verschiedene Abteilungen – von HR & Collaboration über Marketing & Sales, Finance & Controlling bis zu IT & Tech und Operations & Supply Chain lohnt der Besuch der Fachmesse. Nahezu 100 Aussteller, Workshops und Fachbeiträge zu thematischen Schwerpunkten zeigen, wie die Digitalisierung abseits von der Theorie im Mittelstand aussieht.

www.tools-berlin.de

Katja Gross, Jahrgang 1978, ist seit zehn Jahren Projektleiterin bei der Messe Berlin. Seit über zwei Jahren verantwortet sie die tools und leitet die Entwicklung neuer Messen. Mit der tools verantwortet sie eine wichtige Plattform für webbasiertes Arbeiten und hat daher täglich mit den neusten Tools und webbasierten Softwarelösungen zu tun.