Smart Information: ‚Smart enough‘ für den wirtschaftlichen Erfolg?

    Interview mit

    Eva Bischoff, Geschäftsführerin der BCT Deutschland GmbH

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    Für Unternehmen ist die Digitalisierung immer noch ein durchaus umstrittenes Thema – doch gerade junge Unternehmen nutzen ihre Möglichkeiten und richten ihre Geschäftsmodelle entsprechend der neuen Ansprüche und Bedarfe ihrer Kunden, Lieferanten und Partner aus. Und langfristig, so prognostizieren vor allem die Verfechter eines „Digitalen Darwinismus“, führe ohnehin kein Weg an ihr vorbei, um als Unternehmen langfristig am Markt zu bestehen.

    Das DOK.magazin traf Eva Bischoff, Geschäftsführerin der BCT Deutschland GmbH, zu einem intensiven Gespräch über Wissen als wichtigste Handelsware, vernetzte Arbeitsprozesse und die Zukunft bestehender Geschäftsmodelle.

    Frau Bischoff, Verfechter des „Digitalen Darwinismus“ behaupten: „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.“ Ein ernstzunehmendes Szenario oder übertriebene Dramatisierung?

    Natürlich klingt diese Aussage im ersten Moment nach einer höchst alarmierenden Prognose; im Kern steckt aber ein ernstzunehmender Ansatz, bei dem vor allem die zahlreichen Kommunikationskanäle eine wichtige Rolle spielen: Sie ermöglichen (potenziellen) Kunden beispielsweise aktiv über Social-Media-Portale auf das Unternehmen zuzugehen und Anfragen, aber auch Lob und Kritik öffentlich zu äußern. Dienstleistungen müssen somit wesentlich schneller, transparenter und kundenbezogener ausgerichtet werden. Gleichzeitig nimmt die Fülle der täglich das Unternehmen erreichenden Dokumente und Daten geradezu explosionsartig zu.
    Die Herausforderung liegt nun in der Analyse dieser großen Menge, um das in ihr enthaltene Wissen zu filtern – und vor allem für einzelne Arbeitsprozesse und somit wirtschaftlich nutzbar zu machen. Wissen und Informationen sind zur wichtigsten Handelsware von Unternehmen geworden; zielgerichtet genutzt bieten sie einen eindeutigen Wettbewerbsvorteil.

    Wie können Unternehmen die Herausforderung der Digitalisierung meistern?

    Um die Digitalisierung im Unternehmen voranzutreiben, muss die Informationslandschaft als solche, aber auch das Arbeiten in den einzelnen Abteilungen standardisiert werden. Unternehmen müssen also zunächst klären: Welche Daten sind wichtig und valide, welche weniger? Die Qualität der Daten ist entscheidend. Mithilfe eines ganzheitlichen Enterprise Information Management (EIM) wird aus Big Data Smart Data: Statt einzelner, statischer Insellösungen in verschiedenen Abteilungen gibt es eine zentrale Software. Sie erkennt den Prozess, in dem sich der Sachbearbeiter befindet, und weiß, welche weiteren Arbeitsschritte folgen bzw. erledigt werden müssen. Für die Verkettung von Prozess-Sachbearbeiter-Content sucht sie die benötigten Informationen hinsichtlich Aktualität und Vollständigkeit aus allen genutzten Systemen und Wissensquellen zusammen. Der jeweilige Sachbearbeiter bekommt diese automatisch kontextsensitiv, nachvollziehbar und zum richtigen Zeitpunkt bereitgestellt, um sie zu bearbeiten. Und das auch zeit- und ortsunabhängig.
    Stichwort Mobility: In cloudbasierter Form kann die EIM-Software als funktionsspezifische Apps genutzt werden, die auf die Arbeitsweisen der jeweiligen Mitarbeiter zugeschnitten sind. Intuitiv zu bedienen, unterstützen sie ihn bei seinen täglichen Abläufen. Bestehende Workflows werden alternativ auch mittels modularer Webportale optimiert. Als Arbeitsplattformen sind sie wiederum nützliche Omni-Channel-Werkzeuge, um Serviceanfragen kanalunabhängig in Echtzeit zu bearbeiten. Hier werden alle Kommunikationswege, Anliegen und Inhalte zentral und einheitlich verzeichnet – auch langfristig für zukünftige Mitarbeiter.
    Eine EIM-Lösung strukturiert neben innerbetrieblichen Informationsflüssen also auch jene zwischen Unternehmen und allen relevanten Akteuren der Wertschöpfungskette und fördert die ganzheitliche Vernetzung nach innen wie außen. EIM ist eine Art virtuelle Organisation, bei der Informationen transparent, benutzerfreundlich und schneller ausgetauscht werden können.

    Nehmen wir Unternehmen, die bereits erste digitale Schritte gegangen sind: Wie können diese ihre vorhandenen Technologien nutzen, um die eigene Digitalisierung weiter voranzutreiben?

    Einige Unternehmen nutzen beispielsweise als Einstieg ins neue Arbeiten ein digitales Archiv, in das alle ein- und ausgehenden Dokumente in digitalisierter Form abgelegt werden. Zusätzlich zu den vorhandenen Technologien können Schnittstellen zu weiteren Software-Komponenten geschaffen werden. Dazu zählen etwa Input-Management-Tools, die papiergebundene und elektronische Korrespondenzen und Unterlagen klassifizieren, anschließend die enthaltenen Daten extrahieren und in nachgelagerte Systeme – DMS, FiBu, ERP, CRM etc. – exportieren. Mithilfe dieser und weiterer Lösungen werden alle Informationen in vorhandene Prozesse und Workflows eingebunden. Wiederkehrende Abläufe werden digital abgebildet und unternehmensweit standardisiert. Auf diese Weise lässt sich die bestehende IT-Infrastruktur nach und nach ausbauen, sodass schlussendlich selbst die letzten Prozesse im Unternehmen mit passenden Tools gesteuert werden.
    Eine digitale Transformation mit der Einführung neuer Arbeitsstrukturen erfolgt schrittweise, gleicht grundsätzlich aber einer smarten Revolution, die schließlich sogar über Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens entscheidet. Für einen dauerhaft wirtschaftlichen Erfolg muss ein Unternehmen sich kontinuierlich weiterentwickeln. Wichtig ist es, ein digitales Bewusstsein zu schaffen – bei der Geschäftsführung genauso wie bei allen Angestellten. Dazu müssen als Vorarbeit folgende Fragen beantwortet werden: Was ist der Status quo des Unternehmens und welche Ziele sind mit der Einführung des digitalen Arbeitens verknüpft? In welchen Bereichen, in welchen Abteilungen müssen Änderungen stattfinden? Welche konkreten Maßnahmen müssen dazu erfolgen? Wie lässt sich der Erfolg der Umstrukturierung messen? Und: Wer soll überhaupt die entwickelte Transformationsstrategie intern begleiten und vorantreiben?
    Darüber hinaus haben wir mit Bricks, Bytes und Behaviour drei strategische Säulen als wichtige Maßnahmen für die Umsetzung einer digitalen Transformation im Unternehmen definiert. Gemeint ist damit eine flexible Gestaltung der Arbeitsplätze (Bricks) als Einzelarbeitsplatz, Team-Office oder im Homeoffice, die Etablierung effektiver IT-Lösungen (Bytes) für ein vernetztes, mobiles und zielgerichtetes Agieren im und über das Unternehmen hinaus sowie die Verwirklichung einer gemeinsamen Unternehmensvision (Behaviour), bei der klassische hierarchische Strukturen flexiblen Netzwerken weichen.

    Sind Unternehmen am Ende der Entwicklungsleiter angekommen, wenn sie ein ganzheitliches Informationsmanagement etabliert haben?

    Am Ende sind sie sicherlich noch nicht, aber sie haben mit der Etablierung eines Informationsmanagements definitiv eine neue Erfolgsebene erreicht. Eine Transformation ist eine langfristige, zukunftsorientierte Umgestaltung, bei der Unternehmen flexibel auf Veränderungen und Tendenzen am Markt sowie neue technologische Entwicklungen reagieren müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Stillstand ist Rückschritt, wenn man so will. Daher ist es wichtig, die eigenen Strategien regelmäßig zu evaluieren und sie über Abteilungs-, Prozess- und sogar Unternehmensstrukturen hinaus auszurichten. Auf diese Weise können Geschäftsmodelle an den Bedarf der Kunden angepasst oder sogar ganz neue Unternehmensformen etabliert werden.
    Inzwischen gibt es bereits einige Unternehmen, die die klassischen Geschäftsformen am Markt hinterfragen und disruptive Businessmodelle entwickelt haben: Streaming-Portale wie Netflix lösen mit dem flexiblen On-Demand-Fernsehangebot den klassischen Videotheken-Service ab; Uber bietet mit seinem online vermittelten Fahrdienst eine Alternative zum regulären Taxiservice; Steuerberater stellen ihren Mandanten cloudbasierte Plattformen zur Verfügung, über die Dokumente und Informationen wesentlich schneller und effizienter ausgetauscht werden können.
    All diesen neuen Angeboten ist gemein: Sie stellen den Kunden und seine digitalisierten Bedürfnisse in den Mittelpunkt ihrer Produktentwicklungen und Dienstleistungen. In diesem Zusammenhang sowie bei der Verbesserung der Servicequalität sind auch Co-Creation, die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen, und Inter-Creation, die Zusammenarbeit dieser im Netzwerk agierenden Firmen untereinander, wichtige Treiber.

    Und wohin wird die digitale Reise noch gehen?

    Mit dem Bitkom Digital Office Index wurden im Mai 2016 neue Zahlen zum ‚Stand der Digitalisierung in deutschen Unternehmen‘ veröffentlicht und siehe da: 87 Prozent der befragten Teilnehmer verstehen den digitalen Wandel der Gesellschaft und der Arbeitswelt als große Chance für das eigene Unternehmen. Etwa die Hälfte nutzt IT-Lösungen für die Bearbeitung und Archivierung von Dokumenten bzw. Informationen sowie für die Prozesssteuerung, etwa bei der Freigabe von Rechnungen. Gleichzeitig nimmt das Arbeiten in der Cloud weiter zu – ein wichtiger Beschleuniger des Informationsmanagements. Im Mai dieses Jahres veröffentlichte die Deutsche Gesellschaft für Personalführung erste Zahlen aus ihrer Studie „Mobiles Arbeiten“, die die wachsende Bedeutung von Mobile Devices am Arbeitsplatz stützen. Über die Hälfte der befragten Beschäftigten nutzen täglich unter anderem Laptops, Smartphones und Tablets, und das an wechselnden Arbeitsplätzen.
    Diese Ergebnisse stimmen mich auch für die Zukunft durchweg positiv. Gerade was den globalen Wandel zum mobilen und cloudbasierten Arbeiten betrifft, glaube ich, dass wir in den nächsten fünf Jahren ähnliche Veränderungen erleben werden wie bei der Umstellung von DOS auf Windows. Allerdings wird auch deutlich: Je größer das Unternehmen, umso ausgefeilter und fortgeschrittener ist die bereits vorhandene Digitalisierungsstrategie. Für den Mittelstand und kleinere Unternehmen müssen wir als Software-Anbieter gemeinsam mit unseren Partnern weiter Aufklärungsarbeit leisten und sie noch umfassender auf ihrer digitalen Reise begleiten.

    Frau Bischoff, wir danken Ihnen sehr für Ihre Einschätzungen zum Stand der Digitalisierung!

    www.bctsoftware.com

    Eva Bischoff ist seit 2010 Geschäftsführerin der BCT Deutschland GmbH. Mit seinen komponentenbasierten Produkten bietet BCT Unternehmen jeder Größe ein umfassendes Enterprise Information Management, um bestehende Geschäftsmodelle an den digitalen Wandel anzupassen oder gänzlich neu zu definieren. Neben dem 1985 gegründeten Hauptsitz in den Niederladen verfügt BCT auch über eine weitere Niederlassung in Belgien.