Barrierefreie Kundenkommunikation „durch Einhauchen von Intelligenz …“

 

 

 

Seit Herbst dieses Jahres müssen Behörden und Organisationen des öffentlichen Sektors ihre Kommunikation komplett barrierefrei machen. Das fordert eine aktuelle EU-Richtlinie. Danach haben Inhalte von Papier- und elektronischen Dokumenten genauso wie von Webseiten und Apps allgemein zugänglich, verständlich und robust zu sein. Auch wenn Barrierefreiheit immer noch auf den Aspekt „Behindertengleichstellung“ reduziert wird: Die Forderung nach allgemein zugänglichen Informationen beschränkt sich nicht auf die Bedürfnisse von Menschen mit körperlichem oder geistigem Handicap. Technisch gesehen ist das Thema Inklusion in diesem Zusammenhang ein Nebenschauplatz.

 

Autor und Interviewpartner – Harald Grumser, CEO der Compart AG. 

 

Tatsächlich besitzt barrierefreie Kommunikation mehrere Facetten. Im Kern geht es immer wieder um einen Aspekt: Inhalte müssen heute so intelligent wie möglich erstellt und verfügbar gemacht werden. Das schließt auch die Sprache (Verständlichkeit, Syntax, Mehrsprachigkeit ein). Mit anderen Worten: Gefragt sind Dokumente, die nicht nur mit für die allgemeine Zugänglichkeit gemäß BITV und anderer gesetzlicher Regelungen notwendigen Strukturinformationen „angereichert“ werden, sondern auch mit aussagekräftigen Daten, die extrahiert und nach Belieben miteinander verknüpft werden können, um beispielsweise sehr komplexe und gezielte Informationsrecherchen durchführen zu können.

Barrierefrei heißt auch mehrkanalfähig

Tatsache ist: Die semantische Qualität von Dokumenten spielt auch unabhängig von gesetzlichen Vorgaben eine wichtige Rolle. Zum Beispiel bei Omnichannel. Heute bestimmt der Empfänger den Kommunikationskanal. Das heißt, Dokumentenerstellung und -versand im Unternehmen müssen nicht nur entkoppelt sein, sondern sich von einer bestimmten Seitengröße („A4-Metapher“) lösen, damit die Inhalte auch für andere Medien komfortabel zur Verfügung gestellt werden können. Das geht aber nicht ohne detaillierte Informationen, die dem Dokument auf dem Weg zur Ausgabe beigegeben werden. Damit beispielsweise der IT-affine Mittzwanziger den Kreditvertrag auf seinem Smartphone lesen und unterschreiben kann; damit die Seniorin ihren aktuellen Rentenbescheid wie gewünscht auf dem klassischen Postweg bekommt; und eben auch, damit sich sehbehinderte Menschen die aktuelle Stromabrechnung von einem Screen-Reader vorlesen lassen können.

Deutlich wird: In jedem Fall geht es um das „Einhauchen von Intelligenz“, das Barrierefreiheit im Sinne von Inklusion automatisch einschließt. Das beinhaltet immer die Hinterlegung von Strukturinformationen, im Fachjargon „Taggen“ genannt. Wer also seine Dokumente mehrkanalfähig, ergo responsiv macht, erledigt das Thema Barrierefreiheit gleich mit, quasi im Vorbeigehen.

Stichwort ‚Verwertbare Daten‘

Allein dieser Fakt sollte für Unternehmen Grund genug sein, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Angesichts von Big Data, künstlicher Intelligenz (KI) und anderer aktueller Technologien rücken verwertbare Daten und der Umgang mit ihnen ohnehin in den Fokus jeder ernstzunehmenden digitalen Transformation. Man braucht nicht über Standardisierung und Automatisierung im Dokumenten- und Output-Management zu reden, wenn die dafür notwendigen Daten nicht zur Verfügung stehen.

Ziel ist es letztlich, außer dem Dokument an sich auch die enthaltenen Daten zur Verfügung zu haben. Das Bewusstsein dafür ist branchen- und länderübergreifend durchaus vorhanden. Dennoch sieht die Praxis anders aus. Immer noch existieren in den Firmen etliche „Datengräber“, teilweise sind Dokumente als Imagedateien ohne aussagekräftige Metadaten gespeichert. Insgesamt ist hier immer noch sehr viel Abwarten zu beobachten – was sicher auch mit den historisch gewachsenen Strukturen in der Dokumentenerzeugung (Legacy-Systeme) zu tun hat. Manche scheuen auch den Aufwand, beispielsweise für das nachträgliche Taggen vorhandener Dokumente. Eine Sorge, die nicht ganz unbegründet ist.

Semantisches Web als Vorbild und Trend

Trotzdem: Daten und ihre Verwendung sind ein kostbares Gut. Sie bilden das Fundament, ohne das digitale Technologien ihr Potenzial überhaupt nicht entfalten können. Sie sind das neue Erdöl. Google macht es vor. Mit seiner neuen Suchmaschine Dataset Search bündelt das Unternehmen die unzähligen Anbieter von wissenschaftlichen Datensätzen im Web und ermöglicht vor allem Wissenschaftlern, Journalisten und Studenten eine noch bessere Recherche.

Letztlich steckt dahinter das Phänomen des „semantischen Web“. Dabei geht es darum, nicht nur den Text an sich, sondern auch den Inhalt als Daten so zur Verfügung zu haben, dass sie automatisch in Korrelation zueinander gesetzt werden können. Dadurch wird eine über mehrere Ebenen verlaufende Informationsrecherche überhaupt erst möglich. Zwar ist das semantische Web eines der am meisten unterschätzten Themen. Doch es wird, soviel steht fest, in einigen Jahren unser gesamtes Leben durchdringen. Deutsche Hochschulen bieten bereits Studiengänge zu barrierefreier Kommunikation an, beispielsweise die Universität Hildesheim seit dem Wintersemester 2018/2019.

Startschuss für intelligente Dokumente

Daher ist es höchste Zeit, auch in der Dokumentenerzeugung umzudenken. Der neue Ansatz: Dokumente sind Datenquellen, die den „Rohstoff“ für Unternehmen liefern, um neue Marktpotenziale zu erschließen. Die Technologien dafür sind vorhanden. Es gibt inzwischen genügend Anwendungen und IT-Lösungen, die eine intelligente Dokumentenproduktion ermöglichen. Warum also noch damit warten? Dann ist man auch beim Thema Barrierefreiheit auf der sicheren Seite. Die Vorgehensweise (komplette Erneuerung der Dokumentenerzeugung, nachträgliches Hinterlegen von Strukturinformationen/Metadaten oder beides zusammen) mag von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich sein. Nur beginnen sollte man endlich damit.

Wer barrierefreie Kommunikation nur mit Behindertengleichstellung assoziiert, denkt zu kurz. Tatsächlich geht es dabei um das Aufwerten von Inhalten und Dokumenten zu intelligenten Informationsträgern. Schließlich sind Daten der Rohstoff jeder digitalen Transformation – auch und gerade im Dokumenten- und Output-Management.

„Die Forderung nach Barrierefreiheit ist eine Chance für Modernisierung der Dokumentenerstellung“

Die Forderung nach barrierefreier Kommunikation ist nicht neu – und Behörden sind inzwischen qua Gesetz dazu verpflichtet, Dokumente und Inhalte auch für Menschen mit Behinderung zugänglich, also erschließbar zu machen. Doch gibt es immer noch große Zurückhaltung auf diesem Gebiet.

Warum das so ist, darüber sprach das DOK.magazin mit Harald Grumser, CEO von Compart.

Herr Grumser, wie erklären Sie sich die doch eher schleppende Umsetzung der geforderten Barrierefreiheit?

Nun, zunächst ist das nicht wirklich überraschend. Denn wenn also nicht mal alle Bundesministerien der Forderung nach komplett barrierefreier Kommunikation nachkommen – warum sollte also ein Unternehmen, für das kein Zwang besteht, da vorpreschen? Man schiebt das Thema daher auf die lange Bank.

Manchen ist sicher auch nicht in vollem Umfang bewusst, dass die Forderung nach allgemein zugänglichen Dokumenten eine Chance darstellt, generell über eine Modernisierung der Dokumentenerstellung nachzudenken.

Viele Unternehmen arbeiten in der Dokumentenerzeugung mit Systemen, die 20 Jahre und älter sind. Das heißt, sie stehen vor der Frage, entweder die Dokumentenerzeugung komplett zu modernisieren oder die vorhandenen Dokumente nachträglich intelligenter zu machen. Was empfehlen Sie?

Das muss jedes Unternehmen für sich entscheiden, ein Patentrezept gibt es nicht. Aber egal, wie die Ausgangsbedingungen sind – wichtig ist, dass man einfach damit beginnt, vom Stichtag X an Dokumente zukünftig nur noch nach den genannten Kriterien zu erstellen.

Inzwischen gibt es genügend Anwendungen. HTML5 und andere Standards sind ja geeignete Methoden, um allgemein zugängliche, strukturierte und intelligente Inhalte für alle Medien zu erzeugen. Auch Compart bietet beispielsweise mit DocBridge© Impress eine entsprechende Lösung. Jedes Dokument wird von Beginn an so erstellt, dass es per se auf allen Medien ausgegeben bzw. angezeigt werden kann, dass es allgemein zugänglich ist und dass es mit so viel Metadaten „angereichert“ werden kann, dass eine Weiterverarbeitung von Daten im Sinne eines semantischen Web möglich ist.

Was passiert mit älteren Dokumenten?

Hier liegt sicherlich das größere Problem. Sicher – man könnte alte Dokumente nachträglich „taggen“, auch dafür gibt es inzwischen leistungsstarke Tools wie etwa DocBridge© Mill Plus, wobei solche Verfahren immer fehleranfällig bleiben. Voraussetzung dafür ist, dass die betreffenden Dokumente überhaupt elektronisch vorliegen und entschlüsselt sind, der Inhalt also lesbar und somit verfügbar ist.

Man muss sich aber auch darüber im Klaren sein, dass diese Methode sehr kostenintensiv ist. Lohnt sich der Aufwand also? Oder ist es nicht besser, auf die Möglichkeiten, die das Strukturieren und „Aufwerten“ im Nachhinein bieten, zu verzichten und die unstrukturierten Dokumente beim Status quo zu belassen? Ausschlaggebend für die Entscheidung ist, welche Relevanz die Dokumente besitzen bzw. wie hoch die statistische Wahrscheinlichkeit ist, dass sie für eine gezielte Informationsrecherche weiterhin benötigt werden.

Sie sehen: Nicht immer ist das nachträgliche Einhauchen von Intelligenz der einzig richtige Weg.

Herr Grumser, vielen Dank, dass Sie uns auf die großen Chancen hinweisen, die barrierefreie Kommunikation für Unternehmen bietet, aber auch auf die eventuellen Hürden hinweisen, die auf diesem Weg zu überwinden sind.

Kampagne zur Barrierefreiheit in der Kundenkommunikation: www.compart.com/de/barrierefreie-pdf-dokumente-erstellen

„Barrierefreie Dokumente sind auch mehrkanalfähige Dokumente: Machen Sie aus der Pflicht eine Tugend!“ – unter diesem Motto hat Compart kürzlich eine Kampagne zur Erstellung von allgemein zugänglichen Dokumenten gemäß dem WCAG-Standard PDF/UA gestartet. Aktueller Anlass ist die Pflicht für alle deutschen Behörden, bis Herbst dieses Jahres ihre Kundenkommunikation komplett barrierefrei zu machen. Im Mittelpunkt steht dabei die Erstellung von Dokumenten auf eine Art und Weise, dass sie praktisch auf allen heute zur Verfügung stehenden analogen (Papier) und digitalen Medien ausgegeben werden können und damit auch barrierefrei sind. Mit der Aktion spricht Compart deshalb Unternehmen und Organisationen aller Branchen an.

 

Save the Date: Mehr zum Thema „Barrierefreie Kommunikation“ auf dem Comparting am 15. und 16. November 2018 in Böblingen.

Anmeldungen und Informationen: www.compart.com/de/comparting-2018.

 

www.compart.com

Compart ist ein führender globaler Anbieter von Multi-Channel-Lösungen für das Dokumentenmanagement. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland ist seit mehr als zwei Jahrzehnten im Markt präsent und verfügt über Niederlassungen in Europa und Nordamerika sowie ein Partnernetzwerk in Lateinamerika.