„Ohne ERP-Systeme sind Trends wie RPA und Künstliche Intelligenz nicht umsetzbar.“
Interview mit
David Lauchenauer, Geschäftsführer und Gesellschafter der Myfactory Gruppe
Wer im digitalen Wandel Kunden gewinnen und begeistern will, muss sich stets neu erfinden. Ob Produkte oder Services – echte Innovationen, welche die Bedürfnisse der Kunden in den Fokus rücken, sind der Schlüssel zum Erfolg. Das gilt für jedes Unternehmen unabhängig von der Branche und der Ausrichtung: B2B, B2C oder B2C2B. Doch wie können Unternehmen neue Ansätze und Lösungen entwickeln? Die Antwort darauf ist einfach: Unternehmen brauchen Zeit, sich auf ihr Kerngeschäft und damit auch auf das Innovationsmanagement zu konzentrieren. Doch diese ist oft knapp. Folglich muss an anderer Stelle justiert werden, um Raum für Neues zu schaffen.
Eine Möglichkeit ist der Austausch der bestehenden Unternehmenssoftware, die meist veraltet ist und eher be- als entlastet. Hier können Unternehmen mit Lösungen aus der Cloud nicht nur für die nötige Optimierung sorgen, sondern auch die Weichen für neue Geschäftsfelder stellen. Programme wie zum Beispiel ERP-Systeme können auf diese Weise wieder Platz für neue Aufgaben und Weiterentwicklungen schaffen – mit Funktionen, die Entwicklungen und Trends wie Mobilität, Internet of Things und Robotic Process Automation (RPA) berücksichtigen.
Wie Business Software dabei unterstützen kann und wie Unternehmen mit den richtigen ERP-Funktionen arbeiten können, war Thema eines Gesprächs, das das DOK.magazin mit David Lauchenauer, Geschäftsführer und Gesellschafter der Myfactory Gruppe, geführt hat.
Herr Lauchenauer, ERP-Systeme hatten früher eine klare Aufgabe: Das Planen von Ressourcen, Kapital und Material. Ist dieser Auftrag heute noch zeitgemäß oder muss sich ERP neu definieren?
Ein ERP-System hat mit der Unternehmensplanung immer noch einen klaren Auftrag. Ohne dieses technologische Herzstück sind Trends wie RPA, Künstliche Intelligenz oder digitale Ökosysteme nicht umsetzbar. Jedoch stößt der Alleskönner ERP auch an seine Grenzen – gerade, wenn es um das Thema Daten geht. Darum sollten Unternehmen genau prüfen, welche Optionen sie in diesem Zusammenhang benötigen. Sind weitere Programme erforderlich, sind diese ergänzend zu nutzen. Das hilft auch bei der Auswahl und Einführung von ERP-Lösungen. Doch wer nach der eierlegenden Wollmilchsau sucht, wird diese nicht finden.
Wenn alle Anforderungen mit in einer einzigen Software umgesetzt werden sollen, werden die hohen Erwartungen nur enttäuscht. Ein agiles Auswahl- und Einführungsverfahren sowie eine ERP-Software, die ausreichend Schnittstellen zur Verfügung stellt, führen in Zeiten von Microservices, Digitalisierung und Big Data zum Erfolg. Kurz: ERP-Systeme müssen nicht alles können, aber sich insofern neu erfinden, dass sie immer flexibler und agiler werden und die Anforderungen der Nutzer antizipieren.
Flexibilität und Agilität scheinen die Begriffe der Stunde zu sein. Was genau sind die Treiber dafür, dass Unternehmen sich nicht mehr auf den Lorbeeren der vergangenen Jahre ausruhen können?
Aus meiner Sicht gibt es drei Entwicklungen, die jedes Unternehmen zum Handeln zwingen. Zum einen die Digitalisierung an sich. Sie ist kein Projekt, das irgendwann abgeschlossen ist, sondern ein kontinuierlicher Prozess, in dem Produkte und Services durchgehend den Kundenbedürfnissen angepasst werden müssen. Die zweite Entwicklung schließt unmittelbar daran an: Kundenanforderungen ändern sich in immer schnelleren Zyklen. Dabei erlaubt es die Digitalisierung, das Verhalten von Nutzern zu beobachten, Daten zu erheben und daraus Ideen zu entwickeln. Hinzu kommt – dies der dritte Punkt – noch der steigende Wettbewerb: Gerade in der Finanzbranche graben immer mehr Start-ups den etablierten Firmen das Wasser ab. Warum? Weil sie digitale, vernetzte Unternehmensprozesse haben und mit ihren Lösungen nah am Kunden sind. Zusammengefasst werden Unternehmen also von drei Seiten unter Druck gesetzt: technologisch, kunden- und marktseitig.
Um diese Herausforderungen zu lösen, setzen immer mehr Firmen auf ERP-Systeme aus der Cloud. Auf welche Feature sollten Unternehmen hier achten?
Das hängt vom jeweiligen Betrieb ab. Auch wenn die Entwicklungen für fast jedes Unternehmen gleich sind, hat jede Firma eigene Challenges, die ein System lösen muss. Darum bietet es sich an, vor der Auswahl die Anforderungen an die neue Lösung zu definieren. Aus Erfahrung der letzten Monate kann ich sagen, dass verstärkt Module nachgefragt werden, die bei der Bewältigung der Datenschutzgrundverordnung helfen. Aber auch Funktionen für den Handel und zur Umsetzung von Internet of Things sowie RPA sind beliebt.
Beginnen wir mit der DSGVO. Sie hat nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz für viel Wirbel und Verunsicherung gesorgt. Wie können ERP-Systeme hier unterstützen?
Fast jedes Unternehmen speichert personenbezogene Daten. Um diese korrekt zu verarbeiten, bieten einige ERP-Systeme Löschkonzepte. Über die lassen sich Daten anonymisieren. Ermöglicht wird das durch sogenannte Anonymisierungsassistenten, die Kundendaten unwiederbringlich überschreiben oder löschen. Sie bilden für Unternehmen die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für die Einhaltung des Datenschutzes. Zudem gehört zu den Anforderungen an eine moderne Business Software, Firmen bei der Einhaltung der Aufbewahrungsfrist zu unterstützen. Idealerweise erkennt die Lösung bei Einkaufs- und Verkaufsbelegen sowie bei Verträgen, ob ein damit verknüpfter Datensatz noch eine gültige Aufbewahrungsfrist hat oder nicht.
Das dürfte auch für den Online-Handel sehr wichtig sein. Neben dem DSGVO-Support: Was kann Unternehmenssoftware noch tun, zum Beispiel beim Aufbau eines 360-Grad-Kundenbildes?
Für ein 360-Grad-Kundenbild müssen heute alle Interaktionen zwischen Unternehmen und Auftraggeber zentral gespeichert werden. Dafür bietet sich ein Customer Relationship Management (CRM) an, das idealerweise integriert zum ERP-System gehört. Ziel ist es, neben den Kontaktdaten auch alle Interaktionen, zum Beispiel E-Mails, Online-Anfragen, Servicefälle, Lieferungen, Mahnungen etc. zu sammeln. Die Voraussetzung dafür bildet die Kontaktanlage, die automatisch jegliche Kommunikation einem Kunden oder einem Kontakt zuordnet. So haben Berechtigte die Möglichkeit, alle Aktivitäten einzusehen.
Auch aus Sicht des Datenschutzes ist das relevant. Verlässt ein Mitarbeiter das Unternehmen, kann sein Postfach gelöscht werden ohne dass wertvolles Kundenwissen vernichtet wird. Durch die zentrale Speicherung erhalten neue Teammitglieder einen vollständigen Überblick über die Kundenhistorie.
Bleiben wir beim Thema Commerce. Auch der stationäre Handel spielt für viele Firmen eine zentrale Rolle. Gibt es hier ebenfalls ERP-Ansätze?
Ja und zwar durch Mobilitätslösungen: Auch in der Offline-Welt wird immer mehr in die Customer Experience investiert. Hierbei helfen digitale Tools, wie die mobile Kassenführung über Tablet oder Smartphone. Egal ob im Laden, Großhandel oder im Lager – damit lassen sich Artikel erfassen währenddessen der Verkäufer mit dem Kunden im Geschäft unterwegs ist. Der Kassiervorgang selbst findet am Point of Sale statt, der dank Schnittstellen zwischen Business Software und Hardware wie Displays, Bon- oder Laserdrucker integriert abläuft. Das schafft viele Vorteile. Nutzer können Artikel einfach per Eingabe oder Bildauswahl erfassen. Kunden hingegen profitieren von einer persönlichen Beratung von einem optimierten Einkaufserlebnis, das auch die Loyalität zum Händler stärkt.
Sie haben zudem Internet of Things angesprochen – das Trendthema der letzten Jahre. Können Sie dafür ein Praxisbeispiel nennen und erklären, wie sich dieses auswirkt?
Für die Automatisierung von Prozessen ist der Treiber derzeit das Internet of Things, das über Sensoren die gesamte Produktion vernetzt. Dabei laufen alle Daten am ERP-Knotenpunkt zusammen. Aufgrund seiner zentralen Funktion kann es zur Vollautomatisierung von Prozessen beitragen: Sendet beispielsweise eine mit Sensoren versehene Maschine eine Wartungsanfrage oder eine Fehlermeldung an den Support, wird diese selbstständig erfasst und dem passenden Team in Form eines Tickets zugestellt. Dabei kann ein sogenannter Service Manager helfen. Darüber legen Nutzer ihre Anfragen manuell oder automatisch via eingehende E-Mails an. Letzteres erfolgt anhand der Absenderadresse, die dem jeweiligen Team zugeordnet wird. Die Vorlagen für Antworten vereinfachen die Kommunikation und entlasten das Serviceteam.
Die vorangestellten Beispiele zeigen den Nutzen für das Unternehmen und Endkunden. Können Sie im Bezug zu RPA ein Beispiel geben, was den Anwender unterstützt?
Ein Beispiel sind Chatbots: Business Software ist komplex und bietet eine Masse an Informationen. Um den User schnell zum gewünschten Datensatz zu führen, setzen einige Hersteller auf selbstlernende, text- oder sprachbasierte Dialogsysteme, über die Anwender eine schnelle Eingabemöglichkeit für häufig genutzte Anwendungen erhalten. Die intelligente Funktion verarbeitet als Suchbegriffe eingegebene Sätze und Anfragen und liefert die passenden Ergebnisse. Im Vergleich zur Navigation erspart der Chatbot seinen Nutzern Klicks und damit vor allem Zeit.
Wenn das alles schon heute geht, was sollte das ERP der Zukunft können? Wohin geht die Reise aus Ihrer Sicht?
Das bestimmen vor allem die oben genannten Treiber. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass wir in Zukunft ERP-Systeme haben, die weit mehr können als das Planen von Material, Kapital und Ressourcen. Dafür werden sowohl neue Funktionen sorgen, aber vor allem eine stark wachsende Anzahl an Schnittstellen zu Fremdsystemen, die eine bestimmte Anwendung und damit Anforderung viel besser bedienen können. Gleichzeitig wird das ERP-System der Zukunft weiterhin in der Cloud liegen – jedoch viel leichter zu bedienen sein. Schulungen für Anwender werden immer kürzer, da die Lösungen selbsterklärender und einfacher zu bedienen sind. Zusammenfassend: Das ERP-System der Zukunft muss vor allem auch weiterhin innovative Module für innovative Unternehmen liefern.
Herr Lauchenauer, haben Sie vielen Dank für dieses Gespräch.
Die Myfactory Gruppe ist ein führender Hersteller von webbasierter Business Software für die Cloud. Mit Myfactory Cloud ERP bietet das Unternehmen integrierte und individuell kombinierbare Module. Dazu gehören: ERP, CRM, Finanzbuchhaltung, Produktion, MIS und eCommerce. An den Standorten München (Deutschland) und St.Gallen (Schweiz) betreuen rund 50 Experten zusammen mit über 100 Vertriebspartnern mittelständische Unternehmen im deutschsprachigen Raum.