Das Automatisieren von Geschäftsprozessen geht auf eine lange Tradition zurück, die in den 90er-Jahren mit dem Business-Process-Management (BPM) begann. Dennoch steckt die Automatisierung vieler geschäftlicher Aufgabenbereiche bis heute in den Kinderschuhen, wie einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey zeigt [1]. Demnach werden aktuell 68 Prozent der Abläufe immer noch manuell ausgeführt.
Autor – Sascha Loewer, Strategic Partner Manager bei Nintex
Meist handelt es sich dabei um Dokumenten-basierende Workflows, bei denen es beispielsweise um das Erfassen von Inhalten, Zuordnen von Aufgaben oder das Abstimmen und Freigeben von Dokumenten geht. Im Gegensatz zu den großen, standardisierbaren Geschäftsprozessen lassen sich diese vielen kleinteiligen, individuellen Tätigkeiten nur schwer automatisieren. Man spricht hier auch vom „Long Tail der Automatisierung“ – analog zur ökonomischen Long-Tail-Theorie.
Großes Automatisierungspotenzial steckt in kleinteiligen Prozessen von Fachabteilungen – dem „Long-Tail“ der Automatisierung
Einstiegspunkt in die Dokumentenautomatisierung
Einen wichtigen Schub bei der Automatisierung von Arbeitsplatzaufgaben und Office-Dokumentenmanagement hat die Ausbreitung des SharePoint Servers gebracht. Microsoft erweiterte ihn ab Version 2007 mit einfachen Workflow-Funktionen, was in der Folge Drittanbieter wie Nintex auf den Plan rief. Während hier über einige Jahre umfangreiche Workflow-Suiten für SharePoint entwickelt wurden, wächst der Markt inzwischen darüber hinaus und deckt auch andere Softwareplattformen ab. So sind hier inzwischen universelle Automatisierungslösungen entstanden, die KI-Fähigkeiten besitzen und damit auch neue Trends wie Robotic Process Automation (RPA) unterstützen.
Im Zug der Ausbreitung von Workflow- und Prozessautomatisierung wurden die Einstiegshürden für die Anwender immer niedriger. Waren hier früher Programmierkenntnisse erforderlich, so sind heute grafische Konfigurations-Werkzeuge üblich, die Kernzielgruppe sind Power-User in den Fachabteilungen. Auf diese Weise lassen sich viele Aufgaben in Marketing, Vertrieb, Personalabteilung, Finanzbuchhaltung oder Entwicklung automatisieren, parallel oder ergänzend zu bestehenden Geschäftsprozessen.
Kernfunktionen von Workflow- und Prozessautomatisierung
Moderne Lösungen für Workflow- und Prozessautomatisierung zeichnen sich durch folgende Kernfunktionen aus:
- Einfache Workflow-Erstellung: Drag-and-Drop-Tools zur Automatisierung und Orchestrierung von Aufgaben;
- Dokumentengenerierung: Automatisches Erstellen komplexer Dokumente wie Verträge oder Angebote;
- Apps und Formulare: Datenerfassung mit Mobilgeräten, online oder offline für Workflows – automatisiert zum Ausfüllen von Formularen oder zum Import aus Drittsystemen;
- Prozesse verwalten: Die Prozessautomatisierung steuern, analysieren und die Ergebnisse nutzen.
Das Zusammenspiel dieser Kernfunktionen kennzeichnet moderne Automatisierungs-lösungen.
Evolution der Prozessautomatisierung
Die IT hat über die letzten Jahrzehnte enorme Effizienzsteigerungen in den Unternehmen ermöglicht, insbesondere im Bereich Geschäftsprozess-Automatisierung. Rückblickend lässt sich diese Entwicklung in mehreren Wellen beschreiben.
Welle 1: Business Process Management (BPM) BPM hat sich in den 90er Jahren zu einer erfolgreichen Softwarekategorie entwickelt, mit der sich zentrale Prozesse im Unternehmen systematisch optimieren lassen. BPM ist auch weiterhin bedeutend, doch gibt es Nachteile – so etwa die Komplexität der Lösungen beim Aufbau und Ausrollen. Daraus resultieren aufwändige Implementierungsprozeduren, die das Einbinden von Analysten und Lösungsarchitekten erfordern. Zunächst müssen die Prozesse definiert und modelliert werden, am Ende übernehmen Entwickler die Lösungsumsetzung.
Welle 2: Business Process Automation (BPA)
Nach BPM folgte BPA als Reaktion auf den Office-Software-Boom in den 90er-Jahren. Die neue Herausforderung waren nun Unmengen an unstrukturierten digitalen Inhalten, die auch viel menschliche Interaktion erforderten. BPA führte hier Automatisierungstechniken ein, die wenig Programmierung erforderten. Weiterhin war man aber auf die Unterstützung aus der IT-Abteilung angewiesen, was die Flexibilität beim Aufbau von Workflows oftmals einschränkte.
Welle 3: Automatisierung des Long-Tails mit ECM
Die zunehmende Content-Automatisierung führte zur Entwicklung von Enterprise Content Management (ECM), und damit zu einer eigenständigen Branchenkategorie in der IT-Industrie. Anders als BPM und BPA adressiert ECM den Long-Tail der vielen nicht standardisierten Prozesse in den Fachabteilungen. Hierbei geht es vor allem um die Vereinfachung von Alltagsaufgaben in Fachabteilungen, beispielsweise bei der Rechnungserstellung, der Vertragsbearbeitung oder dem Mitarbeiter-Onboarding.
Welle 4: Die Zukunft der Automation mit RPA
Die vierte Welle der Prozessautomatisierung ist gekennzeichnet durch den aktuellen Trend zu Workflows und Robotic Process Automation (RPA). Unternehmen können damit ihre Prozesse zukünftig einfacher managen, automatisieren und optimieren, und so die Ziele der digitalen Transformation umsetzen – ohne eine einzige Zeile Code zu schreiben.
Tool-Beispiel für RPA & KI
Bei RPA handelt es sich um die konsequente Fortsetzung von Workflow-Konzepten und Dokumenten-Automatisierung mit modernen Technologien aus der Künstlichen Intelligenz (KI) und Bots. Nintex hat hier sein Portfolio gerade mit der Übernahme des RPA-Spezialisten Foxtrot erweitert. Das in Nintex Foxtrot RPA umbenannte Tool verfügt über hunderte von Automatisierungsktionen, mit denen sich ständig wiederholende Aufgaben am Arbeitsplatz automatisieren lassen, zum Beispiel in Excel-Arbeitsblättern, PDF-Formularen oder anderen Geschäftsanwendungen. Über ein Web-Dashboard werden diese Aufgaben gesteuert und überwacht. Laut Hersteller konnte damit zum Beispiel eine US-Bank 118.000 Änderungen in ihren Kundenkonten über mehrere Banksysteme hinweg binnen weniger Wochen durchführen.
Praxisbeispiel Dokumenten-Automatisierung
Wie Dokumentenautomatisierung bei kritischen Geschäftsprozessen hilft, zeigt das Einsatzbeispiel bei der FEGRO/SELGROS OHG, einem führenden europäischen Großhandelsunternehmen mit 87 Cash & Carry-Märkten in Deutschland, Polen, Rumänien und Russland. Das Sortiment mit 25.000 Food und 28.000 Non-Food-Artikeln generiert enorme Datenbestände, die ständig aktuell gehalten und verwaltet werden müssen. Als besondere Herausforderung gilt hier der Warenrückruf, der in der Vergangenheit mit überwiegend manuellen Prozessen abgewickelt wurde.
Ausgangssituation: Komplizierte Rückrufaktionen
Als Worst-Case in der Lebensmittelbranche gelten verdorbene Waren oder auch Fremdkörper in Produktchargen. Tritt ein solcher Fall ein, muss die Ware so schnell wie möglich aus der Lieferkette genommen werden. Essenziell dafür ist ein zuverlässiger Warenrückruf-Prozess. In der Vergangenheit kamen hier überwiegend manuelle Prozesse zum Einsatz, die über Faxformulare abgewickelt wurden.
Formulare mit Anbindung an die Warenwirtschaft
Um den Warenrückruf-Prozess zu modernisieren, wurden 13 neue Workflows und Formulare erstellt, die mit dem Warenwirtschaftssystem verknüpft wurden, um Warenbestände, Dispositionsvermerke und Kundenadressen abzurufen.
Herzstück der neuen Warenrückruflösung ist eine SharePoint-Intranet-Site, über die die Krisenmanager auf Formulare zugreifen und dort die Rückrufdaten eingeben. Nach der Suche im Warenwirtschaftssystem startet der Warenrückruf und die Filialen werden entsprechend informiert.
Projektergebnis: Jede Information zu jeder Zeit verfügbar
Über die automatisierten Workflows weiß der Krisenmanager zu jedem Zeitpunkt, welche Aufgaben noch offen sind und welche Warenmengen bereits zurückgemeldet wurden. Sobald der Rückruf abgeschlossen ist, wird automatisch eine Excel-Datei für die Einkaufsverwaltung erstellt. Bei FEGRO/SELGROS haben sich mit der neuen Lösung die Rückrufe enorm vereinfacht. Alle Prozesse sind durchgängig digital abgebildet und nachverfolgbar. Bisher nötige manuelle Eingriffe sind überflüssig, der zentrale Datenpool bietet einfachen Zugriff auf alle Dokumente und vereinfacht die Suche.
Fazit
Am digitalen Arbeitsplatz schlummern noch große Automatisierungspotenziale – vor allem bei Dokumenten-Workflows. Der Trend geht dabei zu KI- und Bot-basierenden Tools – aktuell in Richtung Robotic Process Automation (RPA).
Nintex ist ein weltweit führenden Anbieter für Prozessmanagement und ‐Automation. Derzeit setzen über 8.000 Unternehmen und Behörden in mehr als 90 Ländern auf die Nintex‐Plattform, um die Digitale Transformation voranzutreiben und schnell und einfach Geschäftsprozesse zu betreiben, zu automatisieren und zu optimieren.
Referenzen
[1] https://www.mckinsey.com/~/media/mckinsey/featured%20insights/Digital%20Disruption/Harnessing%20automation%20for%20a%20future%20that%20works/MGI-A-future-that-works-Executive-summary.ashx oder https://mck.co/2F6o141