„Mein Name ist Bot. Chat Bot.“

    Steigerung der Customer Experience, Effizienzoptimierung und Kostenreduzierung sind nur drei Begriffe, die im Rahmen von End-to-End Ansätzen zur Digitalisierung der operativen Geschäftsprozesse einer Versicherung immer wieder angeführt werden. Doch die Realität sieht vielfach anders aus: Kann ein Versicherungsnehmer seinen Kfz-Schaden per App zwar schnell und einfach melden, führt die weitere Kommunikation, die über die Beschreibung des Schadens und die Übermittlung von ein paar Bildern hinaus geht, schnell zum Medienbruch und dem Ende der digitalen Kommunikation.

    Autor – Timo Fiedler, Senior Manager Digital Finance bei der CENIT AG

     

    Häufig denkt man beim Schlagwort ‘Digitale Schadenmeldung‘ an naheliegende Anwendungsfälle, wie die Sofortmeldung eines Kfz-Sachschadens über eine App. Ein weiterer Standardprozess in der Versicherung, der heute weitestgehend digital abgewickelt wird, ist das Einreichen von Arztrechnungen bei einer Privaten Krankenversicherung. Diese einzelnen und einfachen Prozessschritte werden Versicherungsnehmern heute von so gut wie von jedem Unternehmen angeboten. Wie funktioniert es aber, wenn es sich um komplexere Vorgänge mit mehreren Parteien und unterschiedlichen Dokumenten handelt?

    Zwar erfolgt der Einstieg in der Regel digital …

    So zum Beispiel bei einem Verkehrsunfall mit gleichzeitigem Personenschaden: Der Versicherte ist mit dem Fahrrad unterwegs und wird von einem Auto angefahren. Dann beinhaltet der Schadensfall mehr Aspekte als nur das Melden des Schadens und das Einreichen von Arztrechnungen über die App. Für die vollständige Erfassung sind weitere Informationen und Dokumente Dritter beizubringen, wie der Bericht der Polizei, Informationen zum Halter des beteiligten Fahrzeugs oder, bei schwereren Personenschäden, die Dokumente zur Einweisung in ein Krankenhaus. Bei der zusätzlichen Einbindung eines Anwaltes müssen darüber hinaus die Daten und die entsprechende Korrespondenz und natürlich auch die Erklärung für die Freigabe der Daten gegenüber Dritten angefordert werden.

    Die Customer Experience reduziert sich dann schnell auf die Zusendung von weiterführenden analogen Fragebögen – bestenfalls noch als Download per PDF. Oft erhält der Versicherungsnehmer diesen auch noch in Papierform.

    … doch Medienbrüche behindern zügige Weiterbearbeitung

    Für den Versicherungsnehmer hat dieses Vorgehen einen entscheidenden Nachteil: Die Kommunikation erfolgt in unterschiedlichen Formaten – Papierformular, PDF, Online-Formulare – und ist dazu auch meist zeitversetzt. Das erschwert den Überblick über den aktuellen Stand des Verfahrens.

    Ähnlich verhält es sich auf Seiten des Versicherers: Die für die Bearbeitung erforderlichen Unterlagen kommen über unterschiedliche Kanäle und in unterschiedlicher Form und Qualität beim Sachbearbeiter an. Nicht selten muss sich dieser die einzelnen Dokumente über eine Vielzahl an Kanälen und Systemen hinweg zusammensuchen. Dies behindert die zeitnahe Bearbeitung und führt zu erhöhten Aufwänden bzw. Rückfragen.

    Das Ziel muss es also sein, alle einen Schaden- bzw. Leistungsfall betreffenden Informationen durch entsprechende Technologie strukturiert, digital zu erheben und direkt und zentral zuzuordnen.

    Erreicht ist dies, wenn die kompletten Unterlagen – ebenso wie die Kontaktdaten aller Beteiligten – für die weitere Schadenabwicklung und Leistungserstattung jederzeit zentral verfügbar sind. Intern für den Sachbearbeiter und extern für den Versicherungsnehmer. Das garantiert die schnelle und korrekte Abwicklung des Schadens und dem Versicherungsnehmer stets den Überblick über den aktuellen Stand des Prozesses. Damit ist auch ein großer Schritt Richtung Customer Experience gegangen. Für den Versicherer ist zudem die Grundlage für Prozesseffizienz und Kostenreduzierung gelegt.

     

    KI-basierte Prozesssteuerung mit intelligentem Chatbot

     

    Bleiben wir bei dem oben angeführten Beispiel eines Kfz-Unfalls mit Personenschaden und stationärer Folgebehandlung unter Beteiligung Dritter: In dieser Konstellation ergeben sich allein durch die Anzahl der beteiligten Parteien und der dadurch notwendigen Informationen und Dokumente komplexe Zusammenhänge und Abhängigkeiten. Bietet der Versicherer seinen Versicherungsnehmern einen intelligenten, KI-gesteuerten Chatbot an, der nicht nur in der Lage ist, eine einfache Schadensbeschreibung aufzunehmen und Fotografien zu interpretieren, sondern tief in die operativen Systeme vernetzt ist, kann dieser die Führung in der Kommunikation und Sammlung der Daten übernehmen.

    Der Chatbot kann dabei die Aufgabe der strukturierten Erfassung von reinen Informationen, wie zum Beispiel Schadenhergang, -ort, oder auch Kontaktdaten der Beteiligten durchführen, idealerweise alternativ per Text- oder Spracheingabe. Weiterhin muss die Möglichkeit gegeben werden, Dokumente über den Chatbot hochzuladen sowie auch die Abfrage weiterer Informationen (Rechtsschutzversicherung, Rechtsanwalt) zu initiieren. Notwendige Freigaben, wie zum Beispiel die Weitergabe von Informationen an Dritte im Falle der Einschaltung eines Rechtsanwaltes, sollen über denselben Weg abgewickelt werden. Die dazu notwendigen Unterschriften werden ebenfalls digital unter Führung des Chatbot erfasst.

    Notwendig dazu ist eine Integration in die bestandsführenden Systeme, in welchen die Versicherten- und Produktdaten hinterlegt sind (Core-Systeme). Damit kann der Chatbot zum einen die Identifikation des Versicherungsnehmers übernehmen, zum anderen auch den bestehenden Versicherungsschutz abgleichen und – bei positivem Ergebnis – die weitere Anlage des Schadenfalles veranlassen. Für eine zeitversetzte Erfassung muss der Chatbot die Möglichkeit haben, Checkpoints zu setzen, um bei einer Nachlieferung von offenen Informationen oder Dokumenten wieder in den Prozess einsteigen zu können. Hierzu ist im Vorfeld auch die Frage zu beantworten, in welche Schnittstelle zum Kunden (Portal, Website, Aufruf über Barcode, etc.) der Chatbot integriert werden soll, damit der Versicherungsnehmer diesen optimal nutzt.

    Die Auswahl des Digitalen Assistenten richtet sich nach den gesetzten Zielen (© CENIT AG, Stuttgart)

     

    Durchgängige Workflows mit der E-Akte

    Setzt der Versicherer eine digitale Aktenlösung und ein entsprechendes Workflow-System in Verbindung mit dem Chatbot ein, kann dieser, die Integration in die bestandsführenden Systeme vorausgesetzt, direkt für den neuen Schadenfall eine dem Versicherungsnehmer zugeordnete digitale Schadenakte anlegen. Diese wird dem Versicherungsnehmer über das Kundenportal zugänglich gemacht.

    Damit sind alle Daten an einem zentralen Ort digital und strukturiert abgelegt und sowohl für den Zugriff durch den Versicherungsnehmer, aber vor allem für den Sachbearbeiter verfügbar. Prozesse für Schadenbearbeitung oder Fristen für Nachforderungen etc. können direkt angelegt und angestoßen werden. Manuelle Erfassung und Prüfung entfällt weitestgehend. Die notwendigen Sachbearbeitungskapazitäten verlagern sich hin zur digitalen automatisierten Abwicklung durch den KI-gesteuerten Assistenten (Customer Self Service).

    In solch einem Szenario darf ein Chatbot also nicht nur Ja/Nein-Fragen beantworten, allgemeine Informationen zur Verfügung stellen oder an einen Ansprechpartner verweisen. Für eine echte Schadenaufnahme und Führung durch den gesamten Prozess gilt es, den Chatbot als Alternative zum persönlichen Kontakt des Versicherungsnehmers zu seiner Versicherung zu etablieren.

    Sachbearbeiter mit ‚neuer‘ Jobbeschreibung

    Verlagert ein Versicherer die Sachbearbeitung durchgängig auf digitale Assistenten, ist ein verändertes Rollenverständnis des Sachbearbeiters die Folge, da er den Versicherungs-nehmer nicht mehr durch den gesamten Prozess führen muss, sondern eher im Einzelfall bei gezielten Nachfragen oder einzelnen Problemstellungen unterstützen soll. Damit verbunden ist in erster Linie auch die notwendige Kenntnis der Prozessabläufe und Arbeitsweise des Chatbots. In jenem Fall kann der Sachbearbeiter dem User gezielt helfen, wenn es zum Beispiel darum geht, ein bestimmtes Dokument nachzuliefern, einen Überblick über offene Punkte oder den Status der Schadenbearbeitung zu bekommen.

    Ein wichtiger Punkt darf allerdings an keiner Stelle vergessen werden: Der User muss die Möglichkeit haben, trotzdem auf Wunsch jederzeit auszusteigen. Entweder, weil er nicht alle Informationen hat, gerade unterbrochen wird, oder weil er einfach lieber mit einem „echten“ Menschen sprechen möchte. Hilfreich kann hier die Einbindung einer „Emotionserkennung“ sein, die registriert, wenn der User ungeduldig wird und der Kontakt zu einem „echten“ Sachbearbeiter herstellt werden sollte.

    Technologie kommt aus der Cloud

    Die technische Umsetzung wird im Allgemeinen durch geeignete Micro-Services aus der Cloud bewerkstelligt. Schnelle Bereitstellung, vortrainierte Bausteine und auf europäische Datenschutz-Anforderungen zugeschnittene Konzepte begünstigen auf diese Weise ein agiles und anwendernahes Vorgehensmodell mit serviceorientierten und nutzenbasierten Ansätzen. Die Bereitstellung der verwendeten Komponenten und Dienstleistungen kann dazu entlang von Managed Services erfolgen, was wiederum eine CAPEX- zu OPEX-Verschiebung ermöglicht. Ein weiteres Argument zugunsten KI-gestützter Assistenten in der Kundenkommunikation.

    Fazit

    Das Zusammenspiel aus drei Faktoren mit gleichwertig hoher Bedeutung ist entscheidend bei der optimalen Gestaltung der KI-assistierten Kundenkommunikation: Prozessintegration, technische Umsetzbarkeit mit bewährtem Vorgehensmodell und einem attraktiven Kosten-Nutzen-Aspekt. Dieses Dreiergespann hat sich auch in der Praxis als Ansatz herausgestellt, der Kunden und Versicherern am wirkungsvollsten weiterhilft.

    Parameter für KI-gestützten Prozesse zur Schadensregulierung 

    • Im Rahmen der Schadenaufnahme über einen digitalen Assistenten müssen Stammdaten abgeglichen werden können (z.B. Name des Versicherten, Versicherungsnummer, aktiver Versicherungsschutz).
    • Es müssen neue ergänzende Daten aufgenommen und validiert werden können (u.a. Schadendatum und Ort, polizeiliche Angaben).
    • Werden Fotos oder Dokumente direkt mit hochgeladen, müssen Fotos ebenfalls unter Nutzung einer KI online analysiert werden, so dass der Anwender direkt eine Rückmeldung erhält, falls das Bild nicht lesbar sein sollte oder evtl. die gesuchte Information (beschädigtes Auto) nicht enthalten ist.
      Außerdem gilt es, eingereichte Dokumente zum Beispiel unter Einsatz von KI-basierten Komponenten auf deren Echtheit (Fraud-Detection) hin zu untersuchen und entsprechend zu reagieren.
    • Es ist zwingend eine Möglichkeit der zentralen Ablage (Digitale Schadenakte) zu etablieren, damit nachhaltig der Zugriff auf Dokumente und Informationen sichergestellt werden kann.
    • Es muss jederzeit die Möglichkeit vorhanden sein, zu einem „echten“ Ansprechpartner zu wechseln.

    www.cenit.com

    Die CENIT AG ist ein Anbieter für die erfolgreiche Optimierung von horizontalen und vertikalen Geschäftsprozessen. Innovative Technologien aus den Bereichen Product Lifecycle Management, Digitale Fabrik und Enterprise Information Management schaffen dafür die Basis. Als ganzheitlich aufgestellter Partner seiner Kunden übernimmt CENIT die Verantwortung von der Beratung über die Einführung innovativer IT-Lösungen bis zum wirtschaftlichen Betrieb.