Eine Einschätzung
von
Andreas Klug, CMO, ITyX Solutions AG
“Endlich beginnen wir zu diskutieren – und erkennen, dass in Deutschland und Europa entscheidende Weichen für moderne Arbeitsformen gestellt werden müssen.”
2019 wird ein wichtiges Jahr für die Künstliche Intelligenz. Denn endlich werden wir zu verstehen beginnen, dass Maschinen und Menschen keine Rivalen um Arbeitsplätze sind. Wir werden begreifen, dass die Gestaltung einer Mensch-Maschine-Zusammenarbeit zu unseren größten Herausforderungen der kommenden fünf Jahre gehören wird. Eine neue, moderne Arbeitsform entsteht.
“Was wir brauchen: Die Bereitschaft, mit alten Denkmustern zu brechen. Neugierde. Den Mut, neue Formen der Mensch-Maschine-Zusammenarbeit zuzulassen.”
Werfen wir einen nüchternen Blick auf unsere Evolution: Seit jeher steht der technische Fortschritt im Zentrum unserer Bemühungen. Schon immer dachten wir über Werkzeuge nach, die unser Leben einfacher gestalten und besser machen sollten. Wir lernten, Feuer zu machen und mit Speeren zu jagen. Wir entwickelten die Elektrizität. Wir bauten Fortbewegungsmittel. So revolutionär wir heute die Zusammenarbeit mit Maschinen und Künstlicher Intelligenz empfinden, so ungeheuerlich kam den Menschen einst die Fahrt in einer Eisenbahn vor. Auf jeden Fortschritt folgten heftige gesellschaftliche Diskussionen. 1834 fuhr die erste Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth mit bis zu 60 km/h. Menschen dachten damals, dass der Körper bei einer solchen Geschwindigkeit kollabieren müsste.
Die Angst vor Maschinen ist uralt. Angesichts der Diskussion über Künstliche Intelligenz wird sie erneut entfacht: Nun sprechen wir über die Angst, dass Maschinen uns die Arbeitsplätze rauben. Doch der Blick in die Geschichte zeigt: Auf jeden technologischen Fortschritt folgte die Schaffung neuer Arbeitsplätze.
Rad, Dampfmaschine, Computer: KI ist der nächste Schritt
Doch welche Art von Arbeit ist es, die mit dem Verzicht auf KI gerettet werden würde? Blicken wir auf den Computerarbeitsplatz in Unternehmen, dann sprechen wir von wiederkehrenden Routineaufgaben: Bestellungen annehmen, Daten manuell abtippen, Sachverhalte recherchieren. Die mitunter zeitaufreibende Suche nach passenden Informationen zu einem Kunden, einem Mitarbeiter oder einem Vorgang. Damit verbunden: Medienbrüche, Unterbrechungen und stumpfe Wiederholung. Wäre es nicht besser, Mitarbeiter für Tätigkeiten einzusetzen, die eine höhere Intelligenz, mehr Empathie und eine gute Kommunikationsfähigkeit erfordern?
Es liegen zahlreiche Schätzungen vor, wie viel Arbeitszeit Mitarbeiter in Service, Verwaltung und Back Office in die Suche nach Informationen und Zusammenhängen investieren. Von bis zu 39 Prozent ist die Rede. Das mag einigen zu viel erscheinen. Aber selbst, wenn es nur 20 Prozent sind: Warum erledigen wir diese Aufgaben immer wieder manuell, obwohl es dafür intelligente Assistenten gibt?
Dringend gesucht: Intelligente Maschinen, qualifizierte Mitarbeiter
Angesichts des Fachkräftemangels dürfen sich Unternehmen selbst diese 20 Prozent nicht mehr erlauben. Dass weite Teile der Wirtschaft unter einem Mangel an geeigneten Mitarbeitern zu leiden haben, scheint unbestritten. In Gesprächen und Vorträgen über KI und die zu erwartenden Umwälzungen für die Arbeit im Umfeld von Service und Back Office haben die meisten Führungskräfte bestätigt, wie hoch die Herausforderungen angesichts des Fachkräftemangels sind. Laut aktueller Umfragen kämpfen rund 38 Prozent der Unternehmen damit, geeignete Mitarbeiter zu finden [1]. Besonders gefragt: Kundenversteher und Vorgangsabwickler.
“Der immer absurdere Kampf um Talente wird im Jahr 2019 dazu führen, dass Unternehmen den Nutzen intelligenter Systeme nüchterner betrachten.”
Der immer absurdere Kampf um Talente wird im Jahr 2019 dazu führen, dass Unternehmen den Nutzen intelligenter Systeme nüchterner betrachten und die Vorteile von KI in den Mittelpunkt stellen werden. Doch die Einsicht und eine höhere Investitionsbereitschaft allein werden nicht ausreichen. Es muss auch Fachkräfte geben, die mit intelligenten Systemen umzugehen wissen. Denn die Digitalisierung hat dazu geführt, dass heute qualifizierte Mitarbeiter fehlen. Die wenigen „digitalen Talente“ unter den Fachkräften haben die Wahl: Sie werden sich künftig bewusst jenen Unternehmen anschließen, die eine Kultur der maschinellen Unterstützung am Arbeitsplatz unterstützen und stetig weiterentwickeln.
Offen diskutieren, neue Berufsbilder schaffen
Aber was passiert mit jenen Unternehmen, die dieser Entwicklung hinterherhinken, sie gar bis jetzt verschlafen haben? Hier sind gemeinsame Maßnahmen von Politik und Wirtschaft gefragt. Noch versagen unsere Bildungssysteme. Es reicht heute nicht mehr, Menschen aus Braunkohle und Leiharbeit zu Buchhaltern umzuschulen – auch dieser Traditionsberuf ist heute ohne Zukunft. Was wir brauchen, sind neue Berufsbilder und eine breit gesteuerte Offensive für die Berufe und Anforderungen einer digitalen Gesellschaft. Der erste Schritt: eine offene und aufgeklärte Diskussion über die optimale Zusammenarbeit von Menschen und Maschinen.
Lernen, wie Menschen und Maschinen zusammenarbeiten
Denn hier liegt die Herausforderung der kommenden Dekade. Menschen haben Talente und besondere Fähigkeiten. Maschinen ergänzen und verbessern die Arbeit des Menschen. In manchen Tätigkeiten sind sie besser als wir. Hier sollten wir nicht den Fehler machen und aus Angst auf sie verzichten. In der Produktion haben Cobots – das sind Robots, die in unmittelbarer Nähe zum Menschen wirken und seine Aktivitäten unterstützen – längst bewiesen, dass ihr Einsatz um 85 Prozent produktiver ist als der Einsatz von Menschen, aber auch von Robotern alleine. Ähnlich kann es an unseren PC-Arbeitsplätzen in der Verwaltung, im Service und in vielen weiteren Bereichen aussehen.
Intelligente Maschinen erweitern unsere Fähigkeiten und lösen aufwendige Prozesse auf. Dank KI können wir Medienbrüche überwinden und zahlreiche Routine-Prozesse abgeben. Das schafft Raum und Zeit für kreative Prozesse, strategische Tätigkeiten und herausfordernde Aufgaben. KI nimmt uns aber nicht nur Aufgaben ab, die uns lästig sind. KI löst auch zahlreiche aktuelle Probleme, wie die exakte Bearbeitung üppiger Daten in extrem kurzer Zeit.
Zukunftsweisend für viele Branchen
Wird KI ‚intelligent‘ in Arbeitsroutinen integriert, lassen sich viele Szenarien dafür finden, wie Mensch und Maschine vorteilhaft zusammenarbeiten: So können KI-Anwendungen Banken bei der automatischen Erfassung von Darlehens- und Baufinanzierungs-Anträgen unterstützen. Intelligente Algorithmen erkennen dabei relevante Daten aus allen Belegen und übertragen sie automatisch in den Antragsprozess. Oder – ebenfalls ein viel versprechender Ansatz – private Krankenversicherungen, die auf eine automatisierte Tarifberatung setzen. KI identifiziert in diesen Anwendungsfällen Versicherte und ihre Anliegen und führt im Hintergrund eigenständig Angebotserstellungen aus.
Auch Bestellprozesse im B2B-Bereich lassen sich automatisieren. Intelligente Anwendungen erkennen Daten aus verschiedenen Quellen (Fax, Mail, Scan) und unterschiedlichsten Formaten (Vordruck, Freiform, Liste) und übertragen relevante Daten automatisch in den Bestellvorgang. Vergleichbar funktionieren KI-Lösungen bei Energieversorgern: Hier werden Kundenmitteilungen automatisch erfasst und aufbereitet. Ob im allgemeinen Posteingang oder im Kundenservice – KI erkennt eingehende Nachrichten, legt automatisch Kundenvorgänge an, extrahiert Fach- und Personendaten ins Ticketsystem und bereitet Mitteilungen an den Kunden vor.
Erkenntnisse reifen – aber klare Statements fehlen
Viele Entscheider wissen, dass KI Muster in E-Mails und Dokumenten erkennen kann und diese Muster mit anderen, ähnlichen Text-Informationen oder Daten-Quellen in Bezug gesetzt und präzise gedeutet werden können – inklusive der im Text enthaltenen Daten zu Absender und Sachverhalt. Und Ihnen ist bewusst, welche Vorteile der Einsatz von intelligenten Systemen mit sich bringen könnte. Dennoch herrscht vielerorts nach wie vor finanzielle Zurückhaltung. Manchmal wurden zahlreiche Pilot-Projekte angestoßen, aber ein klares Bekenntnis zur Mensch-Maschine-Zusammenarbeit fehlt. Noch.
Die Zurückhaltung wird 2019 weichen
Der KI-Masterplan der Bundesregierung hat viele Entscheider und Führungskräfte aus ihrem Dornröschen-Schlaf geweckt. Endlich beginnen wir zu diskutieren – und erkennen, dass in Deutschland und Europa entscheidende Weichen für moderne Arbeitsformen gestellt werden müssen. Auch die Entschlossenheit der Managements steigt. Das konnte ich bei Webinaren über die Automatisierung von Antragsstrecken und Dokument-Verarbeitung mittels KI feststellen. Fast 30 Prozent der Teilnehmer gaben auf Nachfrage an, dass sie in KI investieren wollen. Bereits vorgesehene Budgets werden jetzt abgerufen. Denn die Angst vor dem Ende des wirtschaftlichen Aufschwungs wird größer und führt dazu, dass Unternehmen Budgets ausschöpfen, bevor sie möglicherweise eingefroren werden.
Zudem werden Maschinen seltener als Bedrohung wahrgenommen. Beim Verbraucher könnte dies an der Macht der Gewohnheit liegen. Wir haben im vergangenen Jahr so viel über KI gelesen, gehört und gesehen, dass nun fast jeder weiß: Sie wird kommen und steckt eigentlich schon längst in „vielem“ drin. Unternehmen blicken daher, aus einem gewissen Zugzwang heraus, sachlicher auf KI und sehen ihren Mehrwert immer deutlicher.
Wir brauchen eine Agenda 2025
Intelligente Maschinen sind die Lösung für den akuten Fachkräftemangel in unserer Wirtschaft. Sie werden uns nicht ersetzen, sondern unsere Arbeit ergänzen und optimieren. Sinnvoll eingesetzt, das heißt in einer gelungenen Symbiose mit dem Menschen, sind sie der entscheidende Produktivitätsschlüssel für wirtschaftlichen Erfolg in Zeiten des digitalen Wandels. Es reicht aber nicht, massiv in KI zu investieren. Wir müssen gleichzeitig in unsere Mitarbeiter und ihre Fähigkeiten zu investieren – in ihre digitale Weiterqualifizierung.
In meinen Augen ist eine Agenda 2025 zur Schaffung qualifizierten Personals dringend nötig. Wir brauchen Mitarbeiter, die KI erklären, ihre Fähigkeiten erkennen und sie optimal in der Mitte zwischen Mensch und Maschine einsetzen können. Erst wenn sie mit ihren Fähigkeiten optimal durch Maschinen unterstützt werden, schaffen wir eine höhere Produktivität, mehr Innovationskraft und höhere (Mitarbeiter-)Zufriedenheit.
Was wir dafür brauchen: Die Bereitschaft, mit alten Denkmustern zu brechen. Neugierde. Den Mut, neue Formen der Mensch-Maschine-Zusammenarbeit zuzulassen. Erst wenn das gelingt, werden Unternehmen deutschlandweit das Potenzial intelligenter Maschinen am Arbeitsplatz wirklich erkennen.
ThinkOwl ist die erste Service Desk Software aus der Deutschen Cloud, die Kunden und Mitarbeiter versteht. ThinkOwl gibt einen 360° Überblick über Kunden, geführte Dialoge und Kanäle (E-Mail, Brief, Chat & Chatbot, Messenger & Social Media). ThinkOwl basiert auf Künstlicher Intelligenz (KI) und lernt vom Mitarbeiter, und der Mitarbeiter lernt von der Software. Die perfekte Verbindung von Mensch und KI.
Referenzen
[1] Tara Sinclair auf Basis von Daten des IFW und Indeed, 2016