Interview mit
Christof Förtsch, Geschäftsführer der IRS, einem Unternehmen der Laudert-Familie
„Print ist zu einem echten Premium-Kanal herangewachsen.“
Programmatic Printing ist eines der Buzzwords der vergangenen Monate. Das Konzept verspricht passgenaue 1:1-Kommunikation mit Kunden über Print. Das DOK.magazin hat mit Christof Förtsch, Geschäftsführer des Nürnberger Programmatic Printing-Spezialisten Integrated Realization Services GmbH (IRS) gesprochen und nachgefragt, warum gerade dieser Kanal die individuelle Kundenansprache retten könnte.
Herr Förtsch, Online und Social Media boomen, das Smartphone ist zum Kommunikationskanal Nummer eins geworden. Warum erreichen Unternehmen gerade mit Druckbotschaften die Kunden?
Kein Zweifel, wir leben in einem digitalen Zeitalter. Dank ihrer umfangreichen Möglichkeiten zur Analyse entstehen in den digitalen Kanälen wie von selbst detaillierte Kundenprofile. Relevante Werbebotschaften und Kaufempfehlungen lassen sich dadurch ableiten: Die Voraussetzungen zielgenauer Kommunikation sind da.
Gleichzeitig stehen dem Online-Marketing hohe Hürden gegenüber, teilweise wird ihm schon Blindflug unterstellt. Double-Opt-In, Adblocker, DSGVO und der schiere Konkurrenzkampf um Werbebanner und sonstige Sichtbarkeit erschweren den Zugang zu potenziellen Kunden – und der Inhalt der Botschaften verkommt zu einem Preiskampf.
In diesem Kontext ist Print zu einem echten Premium-Kanal herangewachsen. Papier ist emotionaler und erhöht Wahrnehmung und Haltbarkeit. Voraussetzung für diese Wirkung ist die Relevanz des Contents. Und hier kommt Programmatic Printing als Teil des Marketing-Mixes ins Spiel. Es sprengt die Grenzen des Online-Marketings, indem es seine Datentiefe in einen völlig neuen Bereich transferiert und ausspielt – fernab reiner Preis- und Rabattkämpfe. Ein hocheffektives Kommunikationswerkzeug, das Steuerverluste und Gießkannenprinzip des klassischen Prints negiert und Kunden zielgenau erreicht.
Welche Voraussetzungen gibt es für den Einsatz der Technologie?
Programmatic Printing ist datengetrieben. Grundlage für jede Art individueller Mailings sind also Informationen zu Artikeln einerseits und Kunden andererseits. Die beste Anlaufstelle dafür ist der Webshop, der das Kundenverhalten und das Produktinteresse belegt. Strukturierte Daten aus Systemen wie PIM, DAM oder CRM sowie aus Analytics oder Recommendation Enginges bieten in der Regel zahlreiche Informationen, die sich für den Programmatic-Printing-Einsatz verwerten lassen.
Mit nur wenigen Daten als Grundlage steht einem Pilotprojekt mit Programmatic Printing eigentlich nichts im Wege.
Wie könnte ein solches Pilotprojekt aussehen?
Am Markt gibt es viele Unternehmen, die mit Programmatic Printing werben, aber am Ende nur einfache Serienbrief-Funktionalitäten oder Segmentierungen umsetzen können. Aus unserer Sicht entspricht das nicht der Definition von „Programmatic“. Als einfacher Start in die Möglichkeiten des Programmatic Printing taugt die Segmentierung allerdings schon – z.B. durch Mailings nach Geschlecht, Produktgruppe oder Kundenscoring.
Begonnen wird mit einem kleinen Budget und wenig Implementierungsaufwand. Der Pilot ist auch dazu da, die Wirksamkeit unter Beweis zu stellen und Vertrauen in die Lösung zu erlangen. Durch die Nutzung der vorhandenen Feeds, Systeme und Schnittstellen oder dem Ausweichen auf einfache Datenexporte wird der technische Aufwand minimiert. Zusätzliche Automatisierungsmaßnahmen sind auch später noch umsetzbar.
Mit der Pilotierung wird die Akzeptanz des Print-Kanals bei den ausgewählten Empfängergruppen evaluiert. A/B-Testing hilft dabei, die geeigneten Versandzeitpunkte, aber auch die richtigen Mailingformate zu erproben. Durch die Auswertung der Ergebnisse der Pilotphase werden die Grundlagen für den Start in den Regelbetrieb gelegt: Maßnahmen zur Verbesserung der Empfehlungsqualität und zur weiteren Automatisierung werden definiert und umgesetzt.
Welche Aspekte sollten Ihrer Meinung nach im Regelbetrieb weitere Beachtung finden?
Im Regelbetrieb wiederholen sich die genannten Schritte immer wieder, wobei Mailings zunehmend verfeinert werden. So wird die Kommunikation zielgenauer, bis eine echte 1:1-Kommunikation erreicht wird – und das bei enorm hohem Automatisierungsgrad.
Wichtig ist aus meiner Sicht noch, dass man sich bei der Wahl eines geeigneten Partners für das Pilotprojekt auf ein Unternehmen einlässt, dass druckereiunabhängig arbeitet und auch für spätere Mailings weit über die Segmentierung hinaus das Know-how und die technologischen Systeme bietet, damit man nach der Segmentierung nicht an seine Grenzen stößt. Erst in der hyperpersonalisierten Ansprache von Einzelkunden erzielt Programmatic Printing seine volle, messbare Wirkung.
Wie sehen Programmatic-Printing-Mailings aus? Welche Formen gibt es?
Mailings können sehr unterschiedlich aussehen. Optische und inhaltliche Qualität und ein zur Zielgruppe passendes Design sind natürlich wichtigster Faktor für den Erfolg. Deshalb sehen wir uns als Laudert und IRS in einem Wettbewerbsvorteil: Konzeption, Kreation und Prozessexpertise aus IT- und Workflowsicht treffen auf jahrelange Kundenerfahrung und Know-how im Programmatic-Bereich.
Theoretisch sind den Formaten im Programmtic Printing keine Grenzen gesetzt. Alles, was gedruckt werden kann, ist möglich. In unseren Workflows entstehen automatisiert PDF-Dateien, die letztendlich von jeder Druckerei oder in Eigenregie gedruckt werden können.
Gerne stelle ich aber einige Formate vor, die aktuell bei unseren Kunden im Einsatz sind, um die Bandbreite zu verdeutlichen: Für einen Kunden aus der Modebranche produzieren wir faltbare Selfmailer, d.h. mehrseitige Mailer, die mit tagesaktuellen Preisen und Verfügbarkeiten je sechs konkrete, individuelle Kaufempfehlungen für den jeweiligen Kunden ausspielen. Ein weiteres Modeunternehmen setzt auf hochindividualisierte Mini-Magazine in Kleinstauflage. Mit eigener Titelseite und persönlicher Ansprache, für den Kunden relevanten Kaufempfehlungen, individuellem Gutschein-Code und regionalem Content, etwa Hinweis auf die nächstgelegene Filiale.
Ein weiteres Beispiel sind Next-Best-Offer-Mailings: Ein Kunde aus der Elektronik-Branche nutzt Programmatic Printing sehr zielgenau durch DIN-A4-Mailings mit hochindividualisierten Kaufempfehlungen auf Basis der Kaufhistorie. Gerade für Spezialisten (z.B. Gamer, Modellbaufans, Notebook-Enthusiasten) lassen sich durch die Next-Best-Offer-Analyse Angebote mit hohen Conversion Rates ausspielen.
Gibt es darüber hinaus noch weitere Szenarien, in denen Unternehmen aktiv werden?
Ein Klassiker im Programmatic Printing ist die Abbrecher-Postkarte, die wir für zahlreiche Kunden umsetzen. Anhand von gefüllten, aber nicht ausgelösten Warenkörben werden individuelle Mailings erstellt, häufig verbunden mit zusätzlichen Incentives wie Rabatten oder Gutschein-Codes.
Aber auch die sogenannten Upselling-Mailings zeigen Wirkung, das sieht man an einer Aktion, die wir mit einem Kreuzfahrt-Unternehmen durchgeführt haben. Es dient insbesondere der Kundenbindung und fasst individuell gebuchte Reiseverläufe zusammen, liefert Wetterdaten zur Reisezeit, individuelle Upselling-Angebote, Ansprechpartner im örtlichen Reisebüro und mehr.
Letztendlich werden Form und Inhalt von Programmatic-Printing-Mailings durch die vorhandenen Daten und die gewünschte Einsatzform bestimmt: Welche Trigger möchte ich für meinen potenziellen Kunden nutzen und wie spiele ich ihn optisch am besten aus, um meine Ziele zu erreichen?
Besteht im Bereich des Programmatic Printing noch Entwicklungspotenzial?
Programmatic Printing ist eine hyperindividualisierte Ansprache von Kunden über automatisiert erstellte Mailings auf Basis von Daten. Das ist die Definition und in dieser ausgefeilten Form die Krone des Print. Die Entwicklungsmöglichkeit aber liegt in der Akquise, Granularität und Form von Daten, die für das Programmatic Printing genutzt werden können. Das wird sich immer weiter entwickeln und immer mehr vertiefen.
Die Möglichkeiten des Programmatic Printing sind immer an die vorhandene Datenlage gekoppelt – wobei nicht unerwähnt bleiben sollte: Auch durch Programmatic Printing selbst entstehen Daten und Ergebnisse, die für weitere Mailings genutzt werden können.
Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung bezüglich der Drucktechnologie ein?
Der Digitaldruck wird den klassischen Offset-Druck in Zukunft komplett ablösen. Schon jetzt liegen wir mit Druckkosten und Druckqualität gleichauf. Dadurch wird es möglich sein, jedes Druckprodukt direkt auf den Empfänger zuzuschneiden, selbst Zeitschriften, Magazine und Kataloge. Dadurch entstehen neue Plattformen für die persönliche Kundenansprache.
Alles, was gedruckt wird, kann in Auflage 1 zielgenau abgebildet werden: Das wird der neue Standard. Wer dann darauf nicht vorbereitet ist, wird mit dem Gießkannendruck werblich untergehen. Wir sind uns sicher, dass durch die Einbindung emotionaler und relevanter Print-Ansprachen Verkaufserfolge erzielt werden können, die durch reine Online-Werbung derzeit nicht möglich sind.
Herr Förtsch, vielen Dank für dieses Interview.
IRS ist seit Juli 2021 Teil der Laudert Unternehmensfamilie und seit über 30 Jahren verlässlicher Lösungspartner im Marketing. IRS führte bereits bei zahlreichen Unternehmen, wie z.B. adidas, Baby Walz, Bundesagentur für Arbeit, DATEV eG, Iveco, Walbusch und Würth E.G Lösungen für die softwaregestützte Medienproduktion ein. Herzstück des in Nürnberg ansässigen Unternehmens bildet vor allem die selbstentwickelte Cloud-Lösung genow, die der softwaretechnische Kern des umfassenden Programmatic Printing Angebots von Laudert ist