Robotic Process Automation ist heute bereits mehr als ein Hype: Skalierbare Multi-Skill-Roboter arbeiten selbständig im Hintergrund und führen wiederkehrende sowie regelbasierte Arbeitsprozesse mit hohem Volumen zu hundert Prozent fehlerfrei aus. Gleichzeitig kann die Technologie Unternehmen und Mitarbeitern eine enorme Zeitersparnis verschaffen. Interessant ist dabei, dass RPA all dies leistet, ohne dass das Anwenderunternehmen grundlegende Änderungen an seiner IT-Infrastruktur vornehmen muss.
Autor – Hans Martens, Gründer von Another Monday
RPA kann – sofern durchdacht geplant und ausgeführt – einen positiven Beitrag für Kostenstruktur, Kundenbeziehungen und Risikomanagement leisten. Behandeln Unternehmen RPA dabei als eine ganzheitliche Lösung mit einer umfassenden Methodik – und nicht nur als reines Technologie-Tool –, kann das gesamte Potenzial zum Tragen kommen, der Hype in gelebte Realität verwandelt werden. Das DOK.magazin sprach mit Hans Martens, Gründer von Another Monday, über die Komplexität, aber auch über das Potenzial der RPA-Technologie.
Herr Martens, eine kurze Frage am Anfang: RPA ist in deutschen Unternehmen keine Unbekannte mehr?
Nein, im Gegenteil. Eine Umfrage unter Mitarbeitern in deutschen Unternehmen ergab [1], dass jeder zweite Befragte bereits mit den Vorteilen dieser Technologie vertraut ist. Und laut „ISG Automation Index“ wollen bis 2019 rund 72 Prozent der befragten Unternehmen aus den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland RPA im laufenden Betrieb oder als Test in Pilotprojekten nutzen.
Nun, der Grund für diese Entwicklung liegt auf der Hand: Software-Roboter gelten als schnell, flexibel und zukunftsfähig … ohne Frage, das Potenzial dieser Technologie ist enorm. Doch erfordert ihr Einsatz eine klare Strategie und eine umfassende Methodik.
Wie äußert es sich, wenn Unternehmen die RPA-Technologie missverstehen?
Die Auswirkungen sind vielfältig. Im schlimmsten Fall läuft das Projekt schief, und es geht viel Geld, aber auch Vertrauen in die RPA-Vorteile verloren. RPA-Implementierungen können durch eine falsche Prozessauswahl nebst mangelndem Prozessverständnis und fehlender Business Case-Validierung stark behindert und sogar vollständig torpediert werden.
Ein großer Irrglaube ist hierbei, dass RPA lediglich als Technologie zu betrachten ist. Ja, natürlich sind Software-Roboter ein technologisches Tool. Jedoch sollte bei jedem RPA-Projekt das große Ganze, die Strategie und Methodik im Mittelpunkt stehen. Für eine erfolgreiche Implementierung sind eine ausführliche Prozessanalyse und ein robuster Governance-Rahmen erforderlich. Innerhalb des Governance-Modells gilt es, alle Änderungen sorgfältig zu planen, klar zu kommunizieren und gründlich zu testen. Technisch gesehen lassen sich zwar fast alle administrativen Geschäftsprozesse automatisieren, allerdings ist nicht jeder einzelne Prozess automatisch geeignet. Oftmals sind lediglich die zeitaufwändigsten Arbeitnehmertätigkeiten lohnende RPA-Projekte.
Weitere Gründe für das Scheitern so manchen Pilotprojekts: Firmen unterschätzen die Komplexität der zu automatisierenden Prozesse, sie erliegen dem Trugschluss, ohne Programmierkenntnisse, RPA implementieren zu können und beziehen ihre Mitarbeiter zu wenig mit ein. Prozessverständnis und Kommunikation sind jedoch der Schlüssel zum Automatisierungserfolg.
Welche Vorrausetzungen muss ein Unternehmen erfüllen, damit RPA überhaupt seinen vollen Nutzen entfalten kann?
Wie bereits erwähnt: Auf die Methodik kommt es an. Bevor Unternehmen die Automatisierung von Arbeitsprozessen planen, sollten sie abklären, in welchen Funktionsbereichen es Prozesse mit repetitiven, langwierigen und wenig wertschöpfenden Aufgaben gibt. Danach muss ein strategisches Ziel festgelegt werden: Soll durch die Prozessautomatisierung eher eine Kostenersparnis erreicht werden oder geht es primär um eine Qualitätssteigerung? Firmen sollten zudem alle Mitarbeiter, Bereiche, Rollen und Ansprechpartner wie IT-Abteilung, Benutzer, Betriebsräte und die Personalabteilung bei der RPA-Planung berücksichtigen.
Gibt es weitere Faktoren?
Ja, auch Anbieter und Technologie spielen eine wichtige Rolle. Egal, ob ein RPA-Anbieter eine Standard- oder eine Komplettlösung anbietet, gibt es hinsichtlich der technischen Funktionen einiges zu beachten. So haben das Design und die Struktur der Architektur Auswirkungen darauf, wie und wo sie eingesetzt werden kann – also als begleitete Nutzung am Desktop eines Mitarbeiters oder als unbegleiteter Betrieb auf einem Server. Im Idealfall kann der Anbieter mit einer Architektur unterstützen, die es beiden Lösungstypen ermöglicht, einander zu ergänzen.
Benutzerfreundlichkeit ist ein weiterer nicht zu unterschätzender Aspekt. Abhängigkeiten von Konfiguration und Deployment können dem RPA-Erfolg zusätzlich im Weg stehen. So sind beispielsweise Funktionen notwendig, die den Editier- und Konfigurationsprozess beschleunigen und vereinfachen. Das Designen und Testen neuer Robotic-Automation-Prozesse ist sinnvoll, wiederverwendbare Bausteine und code-freie Lösungen empfehlenswert. Last but not least, müssen Sicherheitsaspekte Berücksichtigung finden. Da es bei RPA fast immer um das Verarbeiten von Daten geht, und diese der DSGVO oder anderen Vorschriften unterliegen, sind Absicherungsmethoden essentiell.
Software-Roboter gewinnen im Bereich Kundenservice neben Chatbots immer mehr an Bedeutung. Warum ist das so?
Diese Entwicklung ist sowohl den stetig steigenden Kundenansprüchen als auch größerem Wettbewerbsdruck und anderen Faktoren geschuldet. Doch die Bedienung zahlreicher IT-Systeme bei gleichzeitig größerer Arbeitslast der Mitarbeiter und immer höheren Anforderungen an Datenqualität und -verfügbarkeit verlängert die Bearbeitungszeit von Kundenanfragen. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden und die tägliche Arbeit der Mitarbeiter zu erleichtern, setzen Unternehmen im Kundenservice vermehrt auf digitale Assistenten. So wollen sie beispielsweise die Datenqualität erhöhen, Bearbeitungszeiten verringern und letztendlich den Service für den Kunden verbessern.
Mithilfe von RPA lassen sich Prozesse automatisieren, Kunden besser adressieren und die Effizienz im Customer Service steigern. Software-Roboter fungieren diesbezüglich als vielseitig einsetzbare Mitarbeiter im Hintergrund. Bei der intelligenten Prozessautomatisierung werden wiederkehrende und regelbasierte Arbeitsprozesse mit hohem Volumen zu hundert Prozent fehlerfrei und zeitsparend ausgeführt. Zudem sind intelligente RPA-Lösungen einfach skalierbar und in allen Branchen und Unternehmensbereichen anwendbar. Die Auslagerung des Call-Centers in Niedriglohnländer war viele Jahre ein Trend so mancher Kundendienstorganisation. Heute setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass RPA die günstigere und zuverlässigere Alternative zum Off-Shoring ist.
Welche Rolle spielen sogenannte Recherchebots bei der Auftragsplanung im Kundenservice?
Ein Recherchebot ist beispielsweise sinnvoll, wenn die für einen Vorgang erforderlichen Daten in verschiedenen Systemen verteilt sind. Via Recherchebot kann der Nutzer beispielsweise eine Kundennummer in eine für diesen Zweck entwickelte Webseite eingeben und damit eine Recherche in x-beliebigen Systemen anstoßen. So ist es möglich, unterschiedliche Applikationen in einer übersichtlichen, erweiterbaren Weboberfläche zu vereinen, um dem Mitarbeiter alle notwendigen Informationen für die Auftragsplanung konsolidiert und innerhalb kürzester Zeit zur Verfügung zu stellen.
Der Schlüssel zu gutem Service und motivierten Mitarbeitern liegt oftmals in der Reduktion von Komplexität. Durch die Implementierung von Recherchebots können sich Mitarbeiter wieder auf wertschöpfende Aufgaben konzentrieren. Die Bedienung einer Vielzahl neuer IT-Systeme erfordert zumeist einen hohen Schulungsbedarf, steigende Bearbeitungszeiten und führt zu mehr Fehlern. Ein Recherchebot hilft, Systeme teilweise oder umfassend zu automatisieren, Mitarbeiter zu entlasten und Kunden einen besseren Service zu liefern.
Um noch einen anderen Begriff in diesem Zusammenhang anzusprechen: Was verbirgt sich hinter Personal Interactive Assistants (PIA), und wie unterstützen sie Mitarbeiter im Arbeitsalltag?
Personal Interactive Assistants (PIA) können als Verbindung eines persönlichen Assistenten mit RPA beispielsweise helfen, die Arbeitslast der Mitarbeiter zu reduzieren und die Kundenzufriedenheit durch eine höhere Datenqualität sowie kürzere Bearbeitungszeiten zu erhöhen. Das ist besonders dann interessant, wenn sich nur Teile eines Prozesses automatisieren lassen, eine menschliche Entscheidung aber weiterhin unabdingbar ist. Hierbei findet das tatsächliche Agieren des PIA im Hintergrund statt, sodass der Mitarbeiter währenddessen parallel weiterarbeiten kann.
Ich schildere Ihnen dazu einmal einen aktuellen Anwenderfall eines Unternehmens aus der Telekommunikationsbranche. Hier unterstützt PIA den Servicemitarbeiter im Kundengespräch mit Hinweisen, ob in den Stammdaten des Kunden eine Rückrufnummer hinterlegt ist. Wenn nicht, markiert PIA das entsprechende Feld im CRM-System gelb und gibt dem Servicemitarbeiter so ein visuelles Feedback. Der Mitarbeiter kann sofort im Telefonat die Rückrufnummer abfragen, im System hinterlegen und so die Datenqualität erhöhen.
Des Weiteren kann ein PIA in Kombination mit einem Recherchebot bei Hardwarebestellungen unterstützen. Hat der Kunde beispielsweise ein Gerät bestellt, wird im Hintergrund direkt ein virtueller Mitarbeiter beauftragt, die Verfügbarkeit und Lieferzeit zu recherchieren. Gleichzeit wird überprüft, ob das gewünschte Endgerät zum bestehenden oder bestellten Internetvertrag passt. Dies erfährt der Servicemitarbeiter noch im Gespräch. Die Kundenzufriedenheit ließ sich durch den RPA- und PIA-Einsatz in diesem konkreten Fall um 20 Prozent erhöhen. Durch Prozesserweiterungen ließen sich zudem neue Dienstleistungen anbieten und Kosten um 40 Prozent senken. Diese automatisierte Arbeit entspricht 50 Vollzeitäquivalenten.
Herr Martens, das sind vielversprechende Aussichten. Wir danken Ihnen für Ihre aktuellen Erläuterungen, Einschätzungen und Anwendungsbeispiele.
Another Monday ist der Pionier für intelligente Prozessautomatisierung mit langjähriger Erfahrung in den Segmenten Robotic Process Automation (RPA), Machine Learning und Mobile Integration. Bevor er sich auf den Bereich RPA fokussiert hat, war Martens 20 Jahre in leitenden Positionen bei weltweit führenden Banken tätig, wo er sich auf Global Business Development, Structured Finance and M&A konzentrierte.
Referenzen
[1] https://www.anothermonday.com/news/rpa-studie-von-another-monday/