Collaboration. Stark durch KI & kognitive Systeme

Thomas Rickert, Executive Collaboration Architect bei Axians IT Solutions

 

Mitarbeiter können heute an beliebigen Orten und zu jeder Zeit produktiv sein: Teammitglieder sind über die ganze Welt verstreut und treiben gemeinsam Projekte voran. All das erfordert neue, digitale Formen der Zusammenarbeit. Collaboration heißt das Zauberwort. Mit Lösungen für die effizientere Zusammenarbeit und Kommunikation sparen Unternehmen merklich Zeit und Geld. Mit künstlicher Intelligenz werden die Mehrwerte in Zukunft zusätzlich skalieren und, laut Analysten, das gesamte Wirtschaftswachstum angetrieben.

Wie die aktuellen Trends und die Zusammenarbeit der Zukunft aussehen, beantwortet Thomas Rickert, Executive Collaboration Architect bei Axians IT Solutions, im Interview mit dem DOK.magazin.

Herr Rickert, wie sieht der Status quo in Sachen Collaboration und digitaler Zusammenarbeit aus?

Den Status quo bildet ein mittlerweile klassisches Anwendungsbeispiel für Collaboration am Arbeitsplatz ab: Meetings in virtuellen Konferenzräumen. Sie können so gestaltet sein, dass Mitarbeiter sich begegnen, als säßen sie im selben Raum – obwohl sie sich an unterschiedlichen Standorten befinden. Über ein interaktives, vernetztes Whiteboard können verteilte Teams sowohl ein (Life-)Bild von sich selbst als auch Inhalte teilen. Solche regelmäßigen virtuellen Meetings sparen Zeit und Wege- beziehungsweise Reisekosten, denn es ist nicht mehr nötig, für eine Besprechung zusammen an einen Ort zu kommen. Alle Teammitglieder sind so auf dem gleichen Stand und können sich jederzeit miteinander abstimmen, sodass Projekte schneller und effizienter vorangetrieben werden können.

Neben virtuellen Konferenzen und Videotelefonie umfasst Collaboration heute unter anderem E-Mail, Kalender, Chat, File Sharing und interne soziale Netzwerke. Es gibt kaum ein Unternehmen, das nicht schon irgendeine Art von Collaboration-Lösung einsetzt. Viele nutzen jedoch nur einen kleinen Teil dessen, was eigentlich möglich wäre. Wir sehen aber eine zunehmende Bereitschaft, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Das liegt zum einen daran, dass Mitarbeiter, insbesondere die viel zitierten Digital Natives, im Privatleben bereits Gruppenkommunikation, beispielsweise via WhatsApp oder Filesharing gewohnt sind und solche Möglichkeiten auch am Arbeitsplatz einfordern. Zum anderen ist es dank Cloud-Technologie für jedes Unternehmen deutlich einfacher geworden, Collaboration-Tools zu implementieren.

Welche Trends sind momentan im Gespräch?

Ein Collaboration-Trend geht mit dem Thema Cloud einher: Die Cloud ist für viele Unternehmen selbstverständlich geworden. Und gerade im Bereich Collaboration spielt die digitale Datenwolke ihre Vorteile voll aus. So können Mitarbeiter von beliebigen Orten und beliebigen Endgeräten schnell und einfach auf dieselbe Plattform und aktuelle Datenbestände zugreifen. Über ein Rechte-Management ist es jederzeit möglich, auch externe Partner einzubinden. Meine Erfahrung zeigt, dass gute Collaboration-Lösungen aus der Cloud heute rund 70 bis 80 Prozent der gängigen Anwendungsfälle auf ihrem Gebiet abdecken. Es lohnt sich also für alle Entscheider zu prüfen, ob das nicht für ihre Bedürfnisse ausreicht, bevor sie Geld für eine individuellere Lösung ausgeben.

Wie zudem die Studie „Social Collaboration“ der TU Darmstadt und Campana gezeigt hat, sind Unternehmen besonders effizient, wenn sie Collaboration-Tools verschiedener Hersteller ihren Anforderungen entsprechend kombinieren können [1]. Das bestätigt einen weiteren aktuellen Trend: die Forderung nach offenen Schnittstellen. Anwendungen müssen sich möglichst einfach miteinander verknüpfen und in bestehende Geschäftsprozesse integrieren lassen. Dank offener Schnittstellen (APIs) können Unternehmen sich heute ihren Workflow-Prozess aus verschiedenen Tools so zusammenstellen, wie es ihren Anforderungen am besten entgegenkommt.

Werden sich einige der aktuellen Trends in Zukunft durchsetzen?

Ja, das werden sie. Die Cloud beispielsweise fördert schon immer die Innovationsbereitschaft von Unternehmen. Denn bei Cloud-Diensten gibt es keine klassischen Release-Zyklen mehr, sondern die sogenannte „Continuous Delivery“. Das setzt sich auch bei Collaboration-Tools durch: Anbieter schalten laufend neue Funktionen in ihren Collaboration-Services frei. Anwender haben dadurch einen großen Anreiz, die neuen Möglichkeiten auch auszuprobieren. In Sachen Schnittstellen gehen große IT-Anbieter wie IBM diesen Weg konsequent mit und haben verschiedene Partnerschaften mit anderen Herstellern geschlossen, um die Kombination von IBM-Collaboration-Tools mit Drittanwendungen zu erleichtern.

Doch der größte Technologie-Trend ist momentan das Thema Künstliche Intelligenz (KI). Kognitive Systeme, die dazulernen und selbstständig Entscheidungen treffen können, haben viele potenzielle Einsatzgebiete. Beispielweise setzen viele Unternehmen im Kundenservice bereits Chatbots ein, die auf der Basis künstlicher Intelligenz agieren. Sie sind in der Lage, auf wiederkehrende Kundenfragen zu antworten und einfache Konversationen zu führen.

Stichwort Künstliche Intelligenz: Wie kann KI die Zusammenarbeit in Unternehmen unterstützen?

Künstliche Intelligenz heißt ja eigentlich: Das System nimmt uns zu gewissen Teilen das Denken ab. In Bezug auf Collaboration geht es dabei vorwiegend um Assistenzfunktionen. Wir kennen das bereits ein Stück weit von Sprachsteuerungen wie Siri, Cortana oder auch Alexa. Ein kognitives System kann Informationen einfacher für uns aufbereiten, vielleicht vorsortieren und uns zum Beispiel aus einer Unmenge von Nachrichten genau jene vorlegen, die am wichtigsten für uns sind. Dadurch wird unser Arbeitsalltag viel einfacher.

Entscheidend ist, dass ein solches KI-System lernfähig sein muss. Es erkennt anhand von Reaktionen und Feedback des Anwenders, ob es eine richtige Entscheidung getroffen hat – zum Beispiel ob eine Nachricht, die es als „wichtig“ klassifiziert hat, auch wirklich wichtig war. Stuft der Anwender die Meldung anders ein, lernt das System ebenso dazu. Aus den Verhaltensmustern des Nutzers gewinnt es Informationen, die es in einem Profil speichert. So wird es nach und nach immer treffsicherer.

Gibt es bereits Collaboration-Tools, bei denen KI zum Einsatz kommt? Und wenn ja, wo setzt die künstliche Intelligenz bei diesen Lösungen an?

Noch ist künstliche Intelligenz in Collaboration-Tools eher eine nützliche Ergänzung als ein Muss. Es zeichnet sich jedoch ein klarer Trend ab: Viele große Hersteller von Enterprise-Software werten ihre Produkte derzeit durch KI-Funktionalität auf. Das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen IDC prognostiziert, dass kognitive Collaboration-Tools bis in fünf Jahren allgegenwärtig sein werden [2]. Sie haben das Potenzial, den Arbeitsplatz massiv umzugestalten und ihn agiler zu machen.

Wie Künstliche Intelligenz das tägliche Arbeiten heute schon verbessern kann, zeigen einige Beispiele: Wir alle bekommen täglich Unmengen an Nachrichten. In der Inbox werden sie automatisch nach Aktualität sortiert. Die neueste Meldung steht oben. Das kann jedoch schnell unübersichtlich werden. KI kann die Inbox anhand von Erfahrungswerten nach Relevanz sortieren. Für seine Entscheidungen bezieht es verschiedene Informationen ein, zum Beispiel den Absender, Inhalt oder das bisherige Nutzerverhalten. Ein weiterer wichtiger Anwendungsbereich von Künstlicher Intelligenz ist die Verbesserung der Mensch-Maschine-Kommunikation. Im Idealfall kann der Anwender genauso einfach und in natürlicher Sprache mit einem Collaboration-Tool kommunizieren wie mit einem menschlichen Kollegen. Solche virtuellen Assistenten sind in der Lage, wiederkehrende Fragen zu beantworten, Informationen herauszusuchen oder einfache Aktionen für den Anwender durchzuführen – zum Beispiel bei der Terminplanung zu unterstützen.

Können Sie konkrete Beispiele nennen, bei denen KI eingesetzt wird und wie?

Watson Workspace von IBM ist beispielsweise eine Collaboration-Plattform, die Zusammenarbeit als Konversation organisiert. Sie bündelt die Kommunikation aus verschiedenen Quellen unter einer Oberfläche. Nachrichten aus E-Mail-Programmen, Instant-Messaging-Services oder Social-Media-Anwendungen laufen in einem zentralen Strom aus Informationen und Neuigkeiten zusammen. Dank offener Schnittstellen lassen sich auch Applikationen anderer Hersteller einbinden, zum Beispiel Slack, Salesforce oder Redbooth. Per Drag and Drop können Nutzer Elemente in die Oberfläche hinzufügen. Anwender haben die Möglichkeit, sogenannte Spaces anzulegen: geschlossene Bereiche, in denen bestimmte Nutzergruppen oder Teams Informationen teilen.

Watson Workspace basiert auf den Watson Services, einer vorgefertigten Sammlung von Diensten, die kognitive Funktionalität zur Verfügung stellen und sich per API einbinden lassen. Dadurch wird die Collaboration-Plattform intelligent. Dank Tonalitäts-Analyse weiß es beispielsweise, welche Emotionen vorherrschen. Ein solcher „Tone Analyzer“ kann für verschiedene Anwendungsgebiete genutzt werden. Ein Mitarbeiter kann zum Beispiel eine E-Mail, die er verfasst hat, prüfen lassen, bevor er sie versendet. Ist sie vielleicht zu hart formuliert, sodass der Empfänger die Nachricht als unfreundlich empfindet? Ist dies der Fall, zeigt das System die Passagen an, die noch einmal überarbeitet werden sollten. Eine besonders große Hilfe kann der Tone Analyzer bei E-Mails in einer Fremdsprache sein. Schon feine Nuancen können einen großen Unterschied machen und zu Missverständnissen führen. Auch eingehende Nachrichten kann das System analysieren. So wird auf einen Blick erkennbar, ob eine E-Mail oder ein Kommentar zustimmend und fröhlich oder vielleicht wütend und fordernd formuliert ist.

Außerdem kann Watson Workspace erforderliche Aktionen identifizieren. Steht in einer Nachricht zum Beispiel: „Guter Punkt, lass uns einen Termin aufsetzen, damit wir das weiter diskutieren“, erkennt das System „Termin aufsetzen“ als notwendige Aktion und hilft dabei, die beste Zeit für den gemeinsamen Termin zu finden. Kognitive Bots übernehmen hier die Rolle von virtuellen Assistenten. Sie erleichtern die Mensch-Maschine-Kommunikation und können wiederkehrende Aufgaben automatisiert ausführen. Entwickler können Bots in Watson Workspace nach ihren eigenen Bedürfnissen erstellen.

Wie wird die Zukunft der Zusammenarbeit aussehen?

Der Trend geht hin zu konversationsorientierten und kognitiv unterstützten Systemen. Anwender gewinnen damit mehr Übersicht über ihre Konversationen, sparen Zeit und optimieren Prozesse. Künftig werden sich zunehmend auch Chatbots in den Kommunikationskanälen tummeln, die die Teilnehmer mit Informationen unterstützen. Dabei wird Sprachsteuerung eine wichtige Rolle spielen. Ähnlich wie „Hey Siri, zeig mir mal den Weg“, könnte man dann sagen: „Hey SAP, such mir mal die Information zu Kunde XY heraus.“ Dann würde vieles im Berufsalltag deutlich schneller und einfacher gehen.

Noch steckt KI in Collaboration-Tools in den Kinderschuhen. Aber das Potenzial ist groß und in den nächsten Jahren wird hier viel passieren. Ich würde allen Kunden empfehlen, einfach einmal zu testen, was derzeit schon möglich ist und dem eigenen Unternehmen nützen kann. Nahezu jeder Hersteller bietet eine 60- oder 90-Tage Testversion. Kein Unternehmen wird von heute auf morgen komplett auf eine intelligente Inbox umsteigen. Doch wer selbst einmal gesehen hat, wie KI den Arbeitsalltag erleichtert, wird schnell überzeugt sein. Langfristig gesehen liegt hier die Zukunft.

Herr Rickert, wir danken Ihnen sehr für diesen Blick auf die viel versprechenden, zukünftigen Collaboration-Technologien.

www.axians.de

Axians in Deutschland ist ein agiles Unternehmensnetzwerk aus spezialisierten ICT-Dienstleistern und Softwareherstellern unter der globalen ICT-Marke Axians der VINCI Energies. Das Netzwerk begleitet seine Kunden – privatwirtschaftliche Unternehmen, kommunale Verwaltungen, öffentliche Einrichtungen, Netzbetreiber und Service Provider – während der gesamten ICT-Prozesskette mit einer Kombination aus Beratung, Implementierung, Service und Betrieb.

Quellen

[1]              https://www.campana-schott.com/fileadmin/user_upload/Graphics/Publications/Social_Collaboration_Studie/Broschuere_DSCS_2017.pdf

[2]              http://idcdocserv.com/download/US42370817.pdf