Die Technische Kommunikation befindet sich in einem immerwährenden Transformations-prozess. Mit fortschreitender Digitalisierung wird gedruckte Dokumentation zunehmend durch online verfügbaren intelligenten Content ersetzt. Gleichzeitig haben sich neue Standards entwickelt, um diese Austauschprozesse zu normieren, allem voran iiRDS und VDI2770.
Autorin – Martina Tomaschowski, Chief Marketing Officer und Senior Vice President Marketing der Empolis Information Management GmbH
Die Nutzer wollen keine „Dokumentations-Monolithe“ mehr, wie z. B. Betriebs- und Wartungshandbücher in gedruckter Form oder als PDF, sondern Informationen zielgerichtet und kontextbezogen erhalten. Der Kontext entsteht z. B. durch das konkret verwendete Produkt oder durch die Aufgabe und Rolle des Nutzers. Daraus ergibt sich für die technische Kommunikation die Notwendigkeit zur Topic-Orientierung.
Informationen in passgenauen Einheiten
Ein Topic ist ein Informationshäppchen, das sich auf eine Frage konzentriert – und dieses Topic gibt eine Antwort auf eine Frage und ist in sich abgeschlossen. Beispiele dafür sind: Wie nehme ich mein Handy das erste Mal in Betrieb? Wie funktioniert Bluetooth? Welche Bluetooth-Standards unterstützt mein Handy? Was mache ich, wenn die Bluetooth-Verbindung nicht aufgebaut werden kann? Die gewählten Beispiele zeigen die unterschiedlichen Topic-Typen auf: Aufgabe (anleitender Charakter), Beschreibung (erklärender Charakter), Referenz (nachschlagender Charakter) und Störungsbeseitigung. Metadaten werden für diese Er- und Bereitstellung von Content immer wichtiger.
Aus dieser Erwartungshaltung an die Content-Bereitstellung ergeben sich entsprechende Anforderungen an die Inhaltserstellung und das Selbstverständnis der Technischen Kommunikation. Es geht darum, Mehrwert zu erzeugen und sich von der Denkweise zu verabschieden: „Diesen Content müssen wir ausliefern, weil es die Vorschriften erfordern.“
Die Technische Kommunikation gewinnt an Stellenwert und generiert Wettbewerbsvorteile, indem sie technische oder Produkt-Informationen neuen Ziel- und Nutzergruppen bereitstellt, beispielsweise Kunden, Systemintegratoren oder Partnern. Damit können Unternehmen neue Serviceprodukte anbieten und innovative Geschäftsmodelle aufbauen. Seien es Self-Service-Portale, mit denen die Nutzer selbstständig nach der Lösung suchen, oder intelligente Assistenzsysteme, die anhand der vorhandenen Datenbasis Kundenanfragen automatisiert beantworten.
Teambuilding: Redaktion und Technischer Service
Um zum Beispiel in der Fertigungsindustrie das tatsächliche Potenzial voll auszuschöpfen, müssen Technische Redaktionen und Service allerdings noch stärker zusammenarbeiten.

Bislang sinddiese Bereiche klassisch voneinander getrennt. Jedoch können Mitarbeiter im Kundenservice, Servicetechniker und Hotline-Support wichtige Akteure bei der Content-Erstellung für die Technischen Redaktionen sein. Dem Nutzer oder Anwender ist es letztendlich gleich, aus welcher Quelle die Information stammt, die ihm bei seinem Problem weiterhilft. Die Erstellung von technischen Anleitungen sollte nicht mehr allein bei der Technischen Redaktion liegen, das Silo- oder Hoheitsdenken für technische Informationen muss abgeschafft werden.

Die typischen Aufgaben Technischer Redakteure liegen darin, Informationen sinnvoll zu strukturieren und mit den richtigen Metadaten anzureichern. Oftmals fehlen jedoch genau die Informationen, die aus dem Kundendienst gewonnen werden können, für deren Wiederverwendung in der Dokumentation und in Anleitungen. Dieses essenzielle Wissen und die wertvollen Informationen müssen zur Technischen Redaktion zurückfließen, um die Dokumente nutzenorientierter erstellen zu können.
Umorganisation von Prozessen und Aufgaben
Für ein modernes Informationsmanagement müssen Prozesse, Systeme und Datenströme aufeinander abgestimmt werden. Eine Systemintegration, die Medienbrüche vermeidet und an gewissen Stellen Automatisierung ermöglicht, wird daher unumgänglich – denn es werden gute Prozesse benötigt, um dieses Wissen einzusammeln, sinnvoll zu strukturieren und die bestehende Dokumentation anzureichern.
Das bedeutet gleichzeitig, dass die Technischen Redakteure mehr in die Prozess- und Systemorganisation eingebunden werden müssen, um ihre praktische Erfahrung beim Erstellen von Dokumentationen einbringen zu können. Diese Verantwortung kommt zusätzlich zu ihrem normalen Aufgabenspektrum hinzu – Unternehmen, die hierfür keine Ressourcen frei machen, riskieren damit, nicht für die zukünftigen Anforderungen der Digitalisierung gewappnet zu sein.
Aktuelle Zahlen zeigen Handlungsbedarf
Aber wie ist es in den Unternehmen um die Prozesse und Strukturen hinsichtlich der Technischen Kommunikation bestellt? Wie arbeiten Technische Redaktionen und Technischer Service in den Unternehmen zusammen? Hierzu hat Empolis anlässlich der tekom-Jahrestagung 2019 Messebesucher zum Stand der Technischen Kommunikation in ihren jeweiligen Unternehmen ausführlich befragt [1]. Ziel der Befragung war eine Momentaufnahme darüber, wie die Technische Kommunikation in Unternehmen organisatorisch und prozessual gestaltet ist.
Die Kernfragen waren dabei: Wie steht es um die Zusammenarbeit zwischen Technischer Redaktion und Technischem Service? Wie wird Servicewissen in den Unternehmen erfasst? Wie schätzen die Befragten den Prozess bei der Erfassung von Servicewissen in ihrem Unternehmen ein?
Die Key Facts und Ergebnisse der Studie lassen sich kurz zusammenfassen: Die Technische Redaktion ist überwiegend verantwortlich für die technische Kommunikation in Unternehmen. Über 87 Prozent der Befragten arbeiten in der Technischen Redaktion bzw. Technischen Dokumentation. Fast zwei Drittel der Teilnehmer geben darüber hinaus an, dass die Zusammenarbeit zwischen Technischer Redaktion und Technischem Service nicht vorhanden bzw. schlecht ist. Die Zusammenarbeit besteht bei knapp 43 Prozent der Befragten in der gegenseitigen Wiederverwendung von Inhalten.

Voraussetzung für Zusammenarbeit muss geschaffen werden
Laut 65 Prozent der Befragten planen Unternehmen die Kooperation zwischen Technischer Redaktion und technischem Service. Jedoch geben über 35 Prozent der Teilnehmer an, dass es noch keine zeitliche Festlegung gäbe. Als Hauptgründe für die fehlende Zusammenarbeit nennen die Befragten unterschiedliche Organisationsstrukturen (45 Prozent), den Einsatz unterschiedlicher Tools (35 Prozent) sowie unterschiedliche Denkweisen der Abteilungen (29 Prozent). Die Prozesse bei der Erfassung von Servicewissen haben noch großes Optimierungspotenzial: Nur 20 Prozent der Befragten bewerten diese in ihren Unternehmen als gut strukturiert. Nicht ein einziger Umfrageteilnehmer sagte aus, dass die Prozesse sehr gut strukturiert seien.
Bei über 60 Prozent der Befragten ist die Technische Redaktion die verantwortliche Stelle für die Erstellung von neuem Servicewissen. Über die Hälfte (56 Prozent) sagt, dass in ihrem Unternehmen noch keine Freigabeprozesse implementiert sind. In 39 Prozent der Fälle wird auch noch keine Knowledge Base eingesetzt. Dies geht damit einher, dass laut 80 Prozent der Teilnehmer kein Content Delivery Portal genutzt wird und über die Hälfte der Befragten den iiRDS-Standard noch nicht kennen. Über 43 Prozent der Befragten geben aber an, dass bereits ein Filesharing/Ablagesystem genutzt wird. 33 Prozent verfügen über ein zentrales Portal mit Suchfunktion.
Außerdem ist für über 67 Prozent der Befragten Mehrsprachigkeit von wichtiger bis sehr zentraler Bedeutung. Als Datenformate werden laut 90 Prozent der Befragten unstrukturierte PDFs genutzt, gefolgt von weiteren Office-Formaten und XML. In den Unternehmen liegen demnach viele unstrukturierte Dokumente vor.
Erfassung von Servicewissen mit zentralen Tools
Die Ergebnisse der Studie liefern wichtige Indizien, dass in der Zusammenarbeit zwischen Technischer Redaktion und Service noch ein großes Optimierungspotenzial besteht. Die Hürden sind: unterschiedliche Organisationsstrukturen, unterschiedliche Tools sowie unterschiedliche Denkweisen. Die Unternehmen müssen sich demnach folgende Fragen stellen: Wie lassen sich diese Silos auflösen? Zentrale Tools können hier eine Lösung sein, um Akzeptanz zu erzeugen.
Wesentliche Fragen bei Auswahl und Implementierung sind: Wie lassen sich Tools implementieren, mit denen von Servicetechnikern erstellte Notizen und Wissensartikel zentral erfasst und für alle Mitarbeiter nutzbar gemacht werden können? Welche Tools und Prozesse benötigen Unternehmen, um den Rückfluss von praktischem Wissen vom Kunden- und Außendienst sinnvoll und zielgerichtet zu steuern? Wie können eingesetzte Systeme durch Erweiterungen mit Künstlicher Intelligenz profitieren, beispielsweise durch semantische Vernetzung von Informationen?
Fazit
Die Einbindung von Wissensmanagementlösungen in die Technische Kommunikation ist für Unternehmen von essenzieller Bedeutung. Sie sind gerade im Service darauf hingewiesen, dass Content für jeden Nutzer strukturiert erfasst, zentral verfügbar und an jedem Ort erreichbar sind. Nur so wird die Technische Kommunikation nutzenorientierter und zu einem wichtigen Bestandteil der Digitalisierung.
[1] https://www.service.express/studie-die-zukunft-der-technischen-kommunikation/
Empolis: Exchange Technical Summit 2020
Am 17. und 18. September findet der Empolis: Exchange Technical Summit 2020 als virtuelles Event unter dem Motto „Turnaround im Service – Wie Sie durch die Digitalisierung eine agile Serviceorganisation schaffen“ statt.
https://www.empolis.com/empolis-exchange/
Die Empolis Information Management GmbH hat Anfang 2020 die intelligent views GmbH erworben. Mit dem Zusammenschluss der beiden deutschen KI-Pioniere stehen mittelständischen Unternehmen standardisierte Softwarelösungen zur Beschleunigung der Digitalisierung zur Verfügung.