Autor – Dr. Kay Knoche, Principal Solution Consultant bei Pegasystems
Der Einsatz von KI in Unternehmen scheint mittlerweile Standard – zumindest in der Theorie – und auch bei der digitalen Transformation der Kundenkommunikation spielt diese Technologie eine entscheidende Rolle. Zudem gibt es immer mehr Best Practices, die von Unternehmen aktiv genutzt werden, eine Entscheidung, die sich in den letzten Wochen ausgezahlt hat.
Denn auf zahlreiche Unternehmen und Organisationen rollt seit Beginn der derzeitigen Ausnahmesituation eine regelrechte Flut an digitalen Anfragen zu. Kunden möchten beispielsweise von Reiseveranstaltern wissen, wie es mit ihrem geplatzten Urlaub weitergeht; Versicherte erkundigen sich bei ihren Krankenkassen nach Testmöglichkeiten auf den Coronavirus; Selbstständige und Firmen stellen bei Behörden Anträge auf finanzielle Unterstützung.
Kommunikation nach definierten Standards
Beim Gros dieser Anfragen handelt es sich um standardisierte Anliegen, die am Ende alle nach den gleichen Vorgaben beantwortet werden. Doch auch unter ‚normalen Umständen‘ könnten rund 80 Prozent der eingehenden E-Mails wahrscheinlich mit Hilfe KI-basierter Entscheidungssysteme vollautomatisch bedient werden, ohne dass dazu irgendein menschlicher Eingriff erforderlich ist.
KI-basierte Systeme sind hier in der Lage, die eingehenden Anfragen zu sortieren: die unproblematischen mit vorbereiteten Texten selbstständig zu beantworten und die problematischen zur manuellen Nachbearbeitung weiterzureichen – sei es zur Betrugserkennung, weil es sich um einen doppelten Antrag handelt, oder weil wichtige Informationen fehlen. Das ermöglicht es Unternehmen und Organisationen, sich vor allem auf die kritischen Anfragen zu konzentrieren.
Der Faktor ‚Empathie‘ gehört zur Textanalyse
Dazu analysieren diese Systeme in einem ersten Schritt die eingehenden unstrukturierten Texte hinsichtlich Sentiment und Intent, klassifizieren sie und identifizieren Entitäten. Dazu gehört auch, den Faktor ‚Empathie‘ zu berücksichtigen. Hier geht es vor allem darum, dass sich Kunden verstanden fühlen – und damit um die Voraussetzung, dass relevante, personalisierte und kundenorientierte Entscheidungen getroffen werden können.
Die Sentimentanalyse ermittelt daher die emotionale Disposition des Absenders und stellt beispielsweise fest, dass er den Text in einem verärgerten Zustand geschrieben hat. Die Analyse des Intent dient dazu, das Problem des Absenders herauszufinden – also, ob er etwa Informationen benötigt, kündigen möchte oder etwas beantragen will. Die Klassifizierung wiederum dient dazu, das Thema des Textes zu ermitteln: geht es um eine Reise, einen Coronatest oder finanzielle Unterstützung.
Training der Antwort-Algorithmen
Zur Erkennung von Sentiment, Intent und Klassen kommt ein Mix aus regelbasierten Verfahren, analytischen Modellen und verschiedenen KI-Algorithmen zum Einsatz. Im Zentrum stehen dabei vortrainierte Machine-Learning-Algorithmen. Sie werden zunächst mit einer ausreichenden Anzahl an Beispieltexten „gefüttert“, zu denen ihnen jeweils Sentiment, Intent und Klassen mitgegeben werden. Diese Texte werten die Algorithmen mit Hilfe komplexer mathematischer Verfahren dann hinsichtlich typischer Wörter, Worthäufigkeiten und Wortabständen aus. Auf Basis der Ergebnisse können die Algorithmen dann neue Texte, deren Sentiment, Intent und Klassen unbekannt sind, analysieren und in sehr vielen Fällen richtig zuordnen.
Die Ermittlung von Entitäten wie Namen, Telefonnummern oder Kreditkartennummern schließlich dient dazu, die Absender eindeutig zu identifizieren. Das geschieht mit einem Mix aus regelbasierten Verfahren, Abgleichen mit Wörterbüchern und analytischen Modellen. Sie sind in der Lage, beispielsweise anhand der Struktur zu erkennen, ob es sich bei einer Zahl um eine Postleitzahl, eine Telefonnummer oder eine Kontonummer handelt. Durch den Abgleich mit Wörterbüchern lassen sich Vornamen identifizieren und daraus dann wiederum auf die Nachnamen schließen.
Integration vorhandener Informationen
In einem zweiten Schritt reichern die Systeme die Ergebnisse dieser Analysen mit bereits vorhandenen Informationen zum Absender aus der Datenbank an. Dadurch wird beispielsweise ersichtlich, ob es sich um einen Premiumkunden des Reiseveranstalters handelt, welche Reise er aktuell gebucht hat, ob er bereits Mitglied der Krankenkasse ist oder ob er schon einmal einen Antrag bei der Behörde gestellt hat.
‚Next-Best-Action-Engine‘ liefert Entscheidungen
In einem dritten Schritt schließlich leitet eine Next-Best-Action-Engine aus diesem Datenpaket die bestmögliche Aktivität ab. Das kann heißen, die Anfrage mit einer vorbereiteten E-Mail inklusive personalisierter Anrede automatisiert zu beantworten, sie zur manuellen Weiterbearbeitung an einen Mitarbeiter weiterzuleiten oder aber sie priorisiert an das First-Class-Servicecenter zu übergeben.
Hinter diesen Entscheidungen stehen komplexe Regelwerke und vordefinierte Fälle. Die zuständigen Experten aus den Fachabteilungen definieren vorab alle typischen Fälle von Kundenanfragen und formulieren dafür jeweils passende Antworten vor. Die Next-Best-Action-Engine überprüft dann für die jeweiligen Datenpakete, ob es ein Eins-zu-Eins-Mapping gibt, sprich: ober es zu einem der vordefinierten Fälle und seiner vorbereiteten Antwort passt. Trifft das zu, beantwortet das System die Anfrage automatisch; es sei denn, aus den Informationen der Datenbank geht hervor, dass es sich um einen Premiumkunden handelt und in den Regelwerken ist eingestellt, dass sich um die Anliegen solcher Kunden immer Mitarbeiter der First-Class-Servicecenters persönlich kümmern. Dann leitet das System die Anfrage dorthin weiter.
Ist die Datenlage diffus und die Next-Best-Action-Engine kann kein Eins-zu-Eins-Mapping zu einer Kundenanfrage feststellen, stellt das System die Anfrage zur weiteren Bearbeitung an den zuständigen Mitarbeiter durch. Das ist aber erfahrungsgemäß nur bei rund 20 Prozent der Anfragen erforderlich.
Fazit
Ein erfolgreiches Management von Kundenbeziehungen kann heute nur noch mittels KI-basierter Systeme bewältigt werden, bei denen möglichst viele Prozesse automatisiert erfolgen. Für die Akzeptanz auf Kundenseite ist es dabei wesentlich, dass die Lösungen in der Lage sind, die Maximen einer kundenzentrierten Kommunikation konkret und zuverlässig umzusetzen.
Sichtbar wird diese Vorgabe vor allem in Situationen mit einem erhöhten E-Mail-Aufkommen wie der Corona-Krise: Diejenigen Unternehmen und Organisationen, die sich auf eine echte Digitalisierung unter Einbeziehung eines KI-basierten Decision-Managements vorbereitet haben, sind „State of the Art“ – und stehen deutlich besser da. Und für diejenigen, die das noch nicht getan haben, wird es höchste Zeit.
Dr. Kay Knoche ist Principal Solution Consultant bei Pegasystems, einem führenden Anbieter von Kundenbindungs-Software für Vertrieb, Marketing, Service und Operations. Die Pega-Lösungen in den Bereichen CRM und Intelligent Automation beinhalten Artificial-Intelligence-Technologie und Roboterautomatisierung für ein optimiertes Kundenerlebnis – kanalübergreifend und in Echtzeit. Pega-Anwendungen sind On-Premise oder in der Cloud verfügbar und werden auf der einheitlichen Pega PlatformTM entwickelt.