Philipp Erdkönig, verantwortet das strategisches Produktmanagement bei Comarch
Industrie 4.0 ist keine Zukunftsmusik, sondern bereits jetzt für mittelständische Unternehmen greifbar. Doch viele Theorien, Konzepte und Diskussionen zum Thema verstellen den Blick auf das Wesentliche: Denn intelligente Maschinen haben bereits den Alltag durchdrungen. Das beginnt schon in den eigenen vier Wänden. Man sitzt zum Beispiel gemütlich auf der Couch, auf einmal hört man den Regen prasseln und denkt sich: „Oh nein! Ich habe das Dachfenster offengelassen.“ Ein smartes Dachfenster „denkt“ hier mit: Es ist mit dem Internet verbunden und öffnet oder schließt sich je nach Wetterprognose selbständig.
Die smarte Produktion ist schon jetzt mit der heutigen Technik umsetzbar: Genauso wie man ein ganzes Haus in ein Smart Home verwandeln kann, lässt sich auch die Produktion umstellen. Die Schlüsseltechnologie dafür sind cyberphysische Systeme, die für den Datenaustausch mit dem Internet verbunden sind. Auch Comarch forscht seit Jahren im Bereich IoT, zuletzt auch in einem Projekt für Nokia, und entwickelt von den ersten Studien bis zur Hardware und der Gesamtlösung rund um ERP alles selbst. So wurde in den vergangenen Jahren eine breite Auswahl an Sensoren für den Datenaustausch auf höchstem Sicherheitsniveau über eine IoT-Plattform zur Steuerung und Datenanalyse geschaffen. Auf Basis dieser technologischen Grundlagen entstanden in den vergangenen Monaten viele Produktneuheiten, wie die Industrial Smart Lighting Solution in Kooperation mit dem Leuchtenhersteller LUG oder eine Lösung für Predictive Maintenance.
ERP-System steuert intelligente Produktionsprozesse
Als Steuerungselement im Unternehmen fungiert das ERP-System. Es steht im Zentrum aller Prozesse und hält die Informationsautorität. Basis für die intelligenten Maschinen ist eine IoT-Plattform. Die Sensoren und Aktuatoren sind darüber hinaus in kleinen lokalen Netzwerken (etwa innerhalb eines Autos, eines Wohnraums oder einer Fabrikhalle) organisiert, innerhalb derer sie über verschiedene Protokolle wie WiFi, Bluetooth oder LoRA über einen Hub untereinander kommunizieren. Dieser Hub, der Comarch Active Beacon, sorgt für die gegenseitige Verbindung der einzelnen Sensoren und Aktuatoren. Die Sensoren und Aktuatoren sind darüber hinaus mit den bestehenden Produktionsmaschinen verbunden (siehe Bild 1). Über die Sensoren sammeln die Beacons Daten und geben sie an die IoT-Plattform weiter. Dort werden diese Informationen interpretiert und fließen in die ausgeführte Business-Logik mit ein.
Ein Beispiel: Ein Werkstück wird im Produktionsprozess mittels RFID-Chip identifiziert, nachdem es zu einer Maschine transportiert wurde. Die IoT-Plattform greift entsprechend auf den Arbeitsplan für das Werkstück zu und sendet Informationen an die Fertigungsinsel (an die Maschinen und Menschen, die an dieser Insel arbeiten), wie das Werkstück zu bearbeiten ist. Diese Informationen stammen aus einem offenen ERP-System wie Comarch ERP Enterprise, an das die IoT-Plattform angebunden ist. Doch das ERP-System liefert nicht nur Informationen an die IoT-Plattform, es wird im Gegenzug auch mit prozessrelevanten Echtzeit-Daten versorgt, beispielsweise zum Fortschritt eines Produktionsprozesses oder über den Bestand in Lagerplätzen, die mittels Sensoren überwacht werden.
IoT-Konzept mit ERP als führendem System
Individuelle Nachrüstung der Anlagen ist kosteneffizient
Die Sorgen um eine teure Neuanschaffung für die Produktion können entkräftet werden: Maschinen lassen sich nachrüsten und zwar mit den verschiedensten Techniken, individuell auf die Geräte, Prozesse und Produktionsumgebungen zugeschnitten.
Eine individuell angepasste Nachrüstung ist bei der Umstellung entscheidend: Schließlich kann je nach Produktionsbedingung und Prozess durch ein genaues Konzept sehr viel Geld gespart werden, das eben nicht in neue Maschinen investiert werden muss. Empfehlenswert ist die Nachrüstung mit einer flexiblen Technik, die sich auch bei etwaigen Änderungen im Produktionsprozess in fünf, zehn oder fünfundzwanzig Jahren flexibel nachjustieren lässt.
Technologische Basis durch differenzierte Sensortechnik
Entscheidend ist hierbei das ERP-System, das alle Prozesse steuert und über die IoT-Plattform mit den Maschinen kommuniziert. Produktionsmaschinen müssen dafür nicht ersetzt werden, sie werden mit Sensoren intelligent gemacht. Diese Sensoren stehen schon heute in den unterschiedlichsten Varianten zur Verfügung (Mechanik, Temperatur, Füllstand, Laser, Luftkonzentration und viele mehr – siehe Übersicht). Dabei richtet sich ihre Beschaffenheit nach der Art der Produktionsanlagen, zum Beispiel je nachdem ob man einen bestimmten Status bei einem mechanischen Prozess, einen Füllstand oder eine Temperatur erreicht hat. Die Möglichkeiten sind also sehr breit gefächert.
Die Sensoren funktionieren dabei wie die menschlichen Sinne, welche die Umwelt wahrnehmen und an das Gehirn, das ERP-System, Signale schicken. Die Intelligenz der intelligenten Produktion liegt also im ERP und in kleinen Sendern und Sensoren und nicht in großen und teuren Produktionsmaschinen. Der Vorteil sind niedrigere Kosten, flexible Anpassbarkeit an die Zukunft und dass auf das ERP viel mehr Mitarbeiter direkten Zugriff haben. Geschäftsführer, IT-Leiter und Fachabteilungen können bequem per Blick in das ERP, mit dem sie immer arbeiten, den Produktionsfortschritt verfolgen.
Fazit
Industrie 4.0 kann sehr schnell und mit überschaubaren Kosten für eine Nachrüstung umgesetzt werden. Unternehmen sollten sich die Modelle live ansehen und dann überlegen, wie sich ihre Prozesse übersetzen lassen. Denn bezüglich der Chancen sind sich nahezu alle Experten einig: Industrie 4.0 wird kommen und die Produktion effizienter, schneller und günstiger machen.
Passende Sensoren für Produktionsumgebungen
Gewicht (Waage)
Ein Sensor kann den Produktionsfortschritt zum Beispiel anhand des Gewichts mit einer Wage erfassen. Sobald eine bestimmte Menge produziert wurde, welche einen zuvor im ERP definierten Gewichtswert erreicht, erfolgt über IoT Rückmeldung ans ERP, dass dieser Produktionsschritt erreicht ist und der nächste Schritt automatisch eingeleitet werden kann. Dies funktioniert bei allen Produktionsgütern, die ein bestimmtes, immer gleichbleibendes Gewicht haben und die man gut abwiegen kann.
Volumen (Füllstandsmesser)
Wenn zum Beispiel ein Silo in einem Produktionsschritt gefüllt wird, so eignet sich der Füllstand, um einen bestimmten Status der Produktion automatisch zu messen. Wenn die produzierten Güter über das Volumen unterscheidbar sind, ist dies eine gute Option.
Temperatur (Thermostat)
Wird im Hochofen bei großer Hitze gefertigt, so kann ein Sensor, der auf Temperatur reagiert, an die IoT-Plattform und das ERP zurückmelden, sobald der Ofen 40 Grad erreicht hat. Diese Bedingungen lassen sich beliebig im ERP festlegen, wie es eben passt, um den Produktionsfortschritt zu messen.
Entfernung (Laser)
Unter bestimmten Bedingungen ist auch der Abstand entscheidend, denn ein Produkt auf einem Fließband noch von der Maschine entfernt ist, zur Messung eignet sich ein Lasersensor.
Bewegung (Lichtschranke)
Genauso kann es eine Bewegung sein, die zeigt, wie weit der Produktionsvorgang fortgeschritten ist. Mit einer Lichtschranke erfolgt dann die Rückmeldung ans ERP.
Mechanik (Druckknöpfe)
Bei einem Fließband macht es aber auch Sinn, einen Sensor einzusetzen, der auf mechanische Signale reagiert. Dies kann ein Druckknopf sein, der auf eine bestimmte Fördermenge reagiert, zum Beispiel, wenn der Beacon am Sensor nach 40 Kisten auf dem Fließband automatisch eine Nachricht an das ERP-System sendet.
Luftkonzentration (Luftmessung)
Bei hoch spezialisierter Produktion besteht aber auch die Möglichkeit, die Konzentration bestimmter Stoffe in der Luft zu messen. Sobald eine definierte Menge an Kohlendioxid, Flüssigkeitsgemisch oder Gasgemisch erreicht ist, meldet es ans ERP-System zurück und stößt den nächsten Produktionsvorgang automatisch an.
Comarch ist ein weltweit aktiver Spezialist für IT-Lösungen mit über 5.000 Mitarbeitern in 25 Ländern. Das Portfolio umfasst z.B. Business-Software für mittelständische Unternehmen (ERP, Finanzen, CRM, BI, EDI und ECM) und IT-Infrastruktur und -Services.