Kollaboration und mobiles Arbeiten – bereits in den letzten Jahren waren diese Themenein ‚Dauerbrenner‘. Doch mit dem Lockdown Ende März wurde es konkret: Unternehmen benötigten innerhalb kürzester Zeit Lösungen, um auch im Home-Office effiziente und sichere Prozesse zu gewähr-leisten. Laut einer Sonderauswertung des Bitkom-ifo Digitalindexes arbeiteten im April diesen Jahres 75 Prozent aller Unternehmen von zu Hause aus – in der Informations- und Kommunikations-technikbranche waren es sogar 94 Prozent.
Was Unternehmen aus der Krise lernen können und wie sie langfristig im Digital Office erfolgreich sind, darüber sprach das DOK.magazin mit Thomas Kuckelkorn, Manager PR & Kommunikation bei der BCT Deutschland GmbH, im Interview.
Herr Kuckelkorn, gab es in den vergangenen Monaten eine erhöhte Nachfrage nach Technologien im DMS-, ERP- und Hardware-Bereich?
Ja, gerade zu Beginn der Krise gab es eine unerwartet hohe Nachfrage nach Digital-Office-Lösungen – besonders nach cloudbasierten Software-komponenten. Denn die Kunden unserer Partner mussten aus der Not heraus schnell neue Arbeits- und Kommunikationsweisen etablieren. Ich denke, dass wenige Unternehmen auf die teils radikale Umstellung ihrer Prozesse technisch, juristisch und organisatorisch vorbereitet waren. Die meisten haben wohl nur vorübergehende Lösungen gesucht, die die nötigsten Funktionen abdecken.
Inzwischen geht es aber nicht mehr allein um ‚kreative‘ Wege der Zusammenarbeit während der Krise, sondern auch darum, einen Grundstein für die Zeit danach zu legen. Denn auch dann ist ein nachhaltiges Informationsmanagement unerlässlich für den wirtschaftlichen Erfolg.
Die ‚neue‘ Arbeit findet meistens im Home-Office statt. Welche Rolle spielt dabei das Thema Datenschutz?
Eigentlich – wie auch im ‚normalen‘ Arbeitsalltag – sollte der Datenschutz eine sehr wichtige Rolle spielen. Ich befürchte, die Entscheidungen der Unter-nehmen in den vergangenen Monaten dienten allerdings primär dazu, das Business aufrechtzuerhalten. Das ist verständlich und richtig. Aber: Diskussionen und entsprechende Maßnahmen, wie sie es etwa im Zusammenhang mit der DSGVO gab, sind in den Hintergrund gerückt – und das ist gefährlich. Lang-, aber auch mittel- und kurzfristig sollten Unternehmen für eine gesetzeskonforme Kommunikation und Kollaboration sorgen. Und das ist vor allem möglich, wenn Informationen gemäß den Richtlinien der Bereiche Governance, Riskmanagement und Compliance verwaltet, ausgetauscht und gespeichert werden.
Wie sieht das sichere Arbeiten im Home-Office konkret aus?
Alle Fachanwendungen sollten beispielsweise auf einer verschlüsselten Datenbank und -übertragung basieren sowie auf einer zweistufigen Identifizierung beim Log-In und einem rollenbasierten Rechtekonzept. Kurz gesagt: Es empfiehlt sich, Lösungen zu nutzen, die dem ‚Privacy and Security by Design‘ entsprechen. Darüber hinaus gelten auch im Home-Office Datenschutz-Regelungen. Arbeitgeber sollten Mitarbeitern Computer oder Laptops zur Verfügung stellen, damit keine Privatgeräte genutzt werden, und diese unter anderem mit einer aktuellen Version einer Anti-Virensoftware sichern. Daten sollten ausschließlich über ein verschlüsseltes Virtual Private Network ausgetauscht werden und Arbeitgeber sollten noch einmal den sorgsamen Umgang mit Firmendaten anordnen. Außerdem haben Mitarbeiter auch am heimischen Arbeitsplatz zu verhindern, dass Dritte – etwa Familienmitglieder oder Mitbewohner – auf Daten zugreifen, indem sie ihren Rechner sperren.
Wagen Sie eine Prognose: Wie geht es auf technologischer Ebene für Unternehmen weiter?
Als Softwareanbieter stehen wir wie die übrigen ITK-Unternehmen sozusagen am ‚Digital Turning Point‘: Alles ist auf Digital umgestellt; nun müssen wir dafür sorgen, dass der angestoßene Wandel ins Digital Office auch nachhaltig wirkt. Derzeit beschäftigen wir uns mit den Fragen, wie sich die Corona-Pandemie auf den Markt der Digital-Office-Lösungen strategisch auswirkt und welche Rolle der Faktor Cloud dabei spielen wird. Die Entwicklungen in den vergangenen Monaten zeigen, dass einige Unternehmen durchaus auch bürounabhängig funktionieren. Das gilt definitiv nicht für alle Branchen und teils auch nicht für alle Abteilungen eines Unternehmens. Aber die Frage, die sich jede Geschäftsführung stellen muss, ist: Kehren wir wieder zu alten Arbeitsweisen zurück oder behalten wir flexible und virtuelle Workflows – dauerhaft oder temporär – bei?
Welche Entscheidung halten Sie für wahrscheinlicher?
Ich vermute, dass gerade Unternehmen, die das neue Arbeiten als notwendiges Übel erfahren haben, zum ‚Business as usual‘ zurückkehren werden. Es ist beispielsweise möglich, dass ihre geltenden Compliance-Anforderungen den Einsatz digitaler Lösungen erschwert haben.
Viele Unternehmen werden wahrscheinlich eine Art ‚hybriden Mix‘ aus alten und neuen Arbeitsweisen etablieren. Kleinere Digital-Office-Services aus der Cloud haben sich bei ihnen bewährt, andere nicht. Oder man möchte aus wirtschaftlichen, praxisrelevanten oder betriebskulturellen Gründen nur bedingt auf sie vertrauen. Aktuell mussten sie abrupt auf digitale Tools umstellen; jetzt wünschen sie sich ein schrittweises Vorgehen, bei dem sie gefühlt mehr Kontrolle über Abläufe und Daten haben.
Bei einigen Unternehmen wird es allerdings auch den Effekt eines ‚rise of the cloud‘ geben. Bei denen hat sich die erzwungene neue Arbeitsweise und der damit verbundene verstärkte Nutzen von Cloud Services im Bereich Digital Office als produktiv und wirtschaftlich lohnend erwiesen. Fehlte ihnen zuvor der Mut oder der Anreiz, etwas Neues auszuprobieren, hat Corona ein neues Bewusstsein für die Cloud und den Umgang mit digitalen Informationen und Prozessen hervorgerufen.“
Welche konkreten Empfehlungen haben Sie für die Rückkehrer zu alten Arbeitsweisen und die ‚hybriden‘ Unternehmen?
Gerade den ‚Rückkehrern‘ würde ich eine kontrollierte und schrittweise Implementierung digitaler Lösungen empfehlen. Eine Capture-Software ist beispielsweise ein guter Start, um zunächst papiergebundene Dokumente in digitale Informationen umzuwandeln. Auf diese Weise lässt sich eine ganzheitliche digitale Geschäftskommunikation etablieren. Bei diesen Anwendern müssen Softwareanbieter aber verstärkt eine positivere Grundeinstellung gegenüber dem Digital Office schaffen.
Unternehmen, die nach Corona das Digital Office zumindest in Teilen weiternutzen wollen, empfehle ich ‚defensives Cloud Computing‘. Damit ist gemeint, sekundäre Prozesse, also all jene Geschäftsaktivitäten, die das Kerngeschäft unterstützen, in die Cloud auszulagern. Diese finden beispielsweise in den Bereichen Facility, Finance, HR, IT oder Administration statt. Die hier verwendeten IT-Systeme sind etwa Büro- und Mail-Programme wie Microsoft 365 oder eine Finanzbuchhaltungssoftware. Aber auch Lösungen für das Digital Office zählen dazu, wie etwa Archivierungssysteme, eine DMS-Software oder Cloud-Services, zum Beispiel aus dem Capture-Bereich. Sie können statt über den eigenen Server in der Cloud gehostet werden. Auf diese Weise machen Unternehmen bei Bedarf auch eine langfristige digitale Transformation möglich.
Gibt es auch für die Cloud-Affinen weitere digitale Schritte?
Unternehmen, die bereits ihre sekundären Prozesse über die Cloud hosten, können wiederum zusätzlich ihre primären Anwendungen auslagern, also die, die ihr Kundengeschäft direkt betreffen. Hierzu zählen etwa die Bereiche Produktion, Einkauf und Vertrieb. Die für diese geschäftskritischen Prozesse genutzten IT-Anwendungen sind zum Beispiel CRM- und ERP-Systeme. Mit diesem ‚offensiven‘ Cloud Computing etablieren Unternehmen neue Denk- und Handlungsmodelle der Zusammenarbeit: Sie lösen sich von traditionellen Informations- und Kommunikationstechniken und können Prozesse über die Unternehmensgrenzen hinaus agil verknüpfen. Wertschöpfungsketten können neugestaltet werden, um die Kundenzufriedenheit zu steigern und auch neue Zielgruppen zu erschließen.
Bedeutet das auch für Ihr Unternehmen, dass Sie Ihr Cloud-Angebot systematisch ausbauen werden?
In Bezug auf Flexibilität und Skalierbarkeit, Kosteneinsparungen und vor allem Sicherheit bieten virtuelle Arbeitsumgebungen viele Vorteile gegenüber der klassischen Vor-Ort-Installation von IT-Anwendungen. Informationen können intern wie extern schnell, transparent und ortsunabhängig ausgetauscht werden.
Durch die Entwicklungen der vergangenen Monate sehen wir uns daher in unseren Plänen bestärkt, kurz-, mittel- und langfristig weitere cloudbasierte Softwarekomponenten anzubieten. Diese sind zum Beispiel sehr nützlich für die Konvertierung von Dokumenten in ZUGFeRD- oder XRechnung-Formate. Aber auch die Anonymisierung personenbezogener Daten in Dokumenten oder die Archivierung wollen wir in der Cloud ermöglichen.
Herr Kuckelkorn, vielen Dank dass Sie sich die Zeit für uns genommen haben.
Thomas Kuckelkorn ist Manager PR & Kommunikation bei BCT Deutschland, der Aachener Niederlassung des niederländischen Softwareanbieters BCT. Mit seiner branchenübergreifenden Informationsmanagement-Technologie sorgt das Unternehmen seit 1985 für transparente, sichere und effiziente Informationsprozesse. Partner erweitern mit den Softwarekomponenten der Innovationstreiber ihr vorhandenes Produkt- und Dienstleistungsportfolio oder entwickeln in Co-Creation mit BCT digitale Geschäftsmodelle.