So wird ERP zum ‚Digitalisierungs-Darling‘
Autor – Dr. Markus Berg, Leiter Softwareentwicklung Produktion bei proALPHA
Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz passen kontinuierlich Geschäftsprozesse an, um dem rasanten Wandel auf ihren Märkten zu begegnen. Die Zahl der Betriebe, die dafür auch ihr ERP-System erweitern, steigt: 62 Prozent planen, ihre ERP-Software in den kommenden zwei Jahren um zusätzliche Funktionalitäten zu erweitern, so eine Studie von Pierre Audoin Consultants (PAC) [1]. Themen, die für Mittelständler aus Fertigung und Handel dabei im Vordergrund stehen, sind Internationalisierung, mobile Einsatzmöglichkeiten, agile und stabile Prozesse in Balance zu halten und den Shopfloor mit dem ERP zu koppeln. Dazu kann ein tief in die Geschäftsprozesse integriertes modernes ERP die datengetriebene Wertschöpfung vorantreiben und eine smarte Produktion effizient unterstützen.
Grundpfeiler sind Agilität und Stabilität
Agilität heißt das Gebot der Stunde. Diese Anforderung steht im Gegensatz zu früheren ERP-Systemen, die sich als monolithische Blöcke mit langen Implementierungszeiten und aufwendigem Customizing erwiesen. Dennoch: Jenseits der gebotenen Flexibilität benötigen Unternehmen stabile Backbone-Systeme, die ihre Geschäftsprozesse zuverlässig und sicher abwickeln. In diesem Spannungsfeld aus Agilität und Stabilität entwickeln sich aktuelle ERP-Systeme hin zu Plattformen mit einem stabilen Kern, die flexibel und modular konfigurier- und erweiterbar sind und nach Bedarf einen Betrieb On-premises und in der Cloud ermöglichen. Zudem vereinfacht sich zunehmend die Anpassung der Software an die Geschäftsprozesse.
Dies schlägt sich zum Beispiel in der einfacheren Vernetzung technischer und kaufmännischer Prozesse nieder, die heute nicht mehr am Tor der Produktionshalle enden sollte, sondern eine Kopplung des Shopfloors mit dem ERP erfordert. Schon seit längerem lassen sich Betriebsdaten aus der Fertigung erfassen, auswerten und Folgeprozessen zuführen. Relativ neu hingegen sind die Möglichkeiten, die Maschinen direkt aus dem auftragsführenden System, der ERP-Software, anzusteuern. Fehlende Standards oder ein älterer Maschinenpark sind inzwischen kein Hindernis mehr. Immer mehr Anlagen und Maschinen werden sich bidirektional direkt mit dem ERP-System austauschen.
Hausaufgaben machen bei der Datenqualität
Die Qualität der Daten sowie die Vernetzung von Daten und Wissen gewinnen bei diesen Prozessen an Bedeutung. Denn das Fundament für einen optimalen Einsatz eines ERP-Systems sind zuverlässige und aktuelle Daten. Immer mehr Unternehmen erkennen deren hohen Wert. Als Grundlage von Geschäftsprozessen sind sie Teil der sogenannten Data Economy. Experten verstehen darunter den finanziellen und wirtschaftlichen Wert, der durch das Internet der Dinge sowie durch die Speicherung, Abfrage und Analyse großer Mengen hochdetaillierter Geschäfts- und Unternehmensdaten entsteht. Der von Digital Reality in Auftrag gegebene „Data Economy Report 2018“ [2] beziffert das Wertschöpfungspotenzial in Deutschland allein auf rund 200 Milliarden Euro. Jedoch würden nur 55 Prozent davon umgesetzt, so der Bericht weiter.
Eine der wesentlichen Hürden für Unternehmen, dieses Potenzial ihrer Informationen umfassender zu nutzen, dürfte in der mangelhaften Qualität liegen. Die Vollständigkeit, Richtigkeit und Eindeutigkeit von Daten werden durch eine zunehmende Automatisierung jedoch immer wichtiger. Halbherzige Bereinigungsprojekte sind da zum Scheitern verurteilt. Ein in das ERP-System integriertes Data Quality Management dagegen steigert die Qualität. Dazu kann ein modernes ERP-System, das tief mit den Geschäftsprozessen verzahnt ist, die datengetriebene Wertschöpfung weiter vorantreiben und eine smarte Produktion effizient unterstützen.
Schulterschluss mit Produktionsdaten
Mit vorhandener Unternehmenssoftware wie einem ERP-System lässt sich oft schon zusätzliches Potenzial realisieren, denn die gespeicherten Daten können vielfältig genutzt werden. Rund um die Kernprozesse der Produktion zum Beispiel fallen unendlich viele Informationen an, so etwa unzählige Rückmeldungen zum Starten oder Beenden einzelner Arbeitsschritte. Werden diese Statusinformationen anstelle auf Papier digital oder sogar mobil erfasst, lassen sich nachgelagerte Arbeitsschritte aus dem ERP heraus schneller anstoßen. Informationen über die Dauer dieser Aktivitäten helfen zudem, Produktionsabläufe weiter zu optimieren.
Ergänzend zu dieser auftragsbezogenen Betriebsdatenerfassung (BDE) verarbeiten immer mehr ERP-Systeme auch Maschinendaten aus der Produktion. Fehlende Standards für eine Anbindung sind hierbei kein Argument: Zum Beispiel lassen sich in einem Pilotprojekt über einen Minirechner auch ältere Anlagen über ein ERP-System ansprechen und steuern. Rückmeldungen der Maschinen helfen wiederum, Produktionsressourcen bedarfsgerecht zu warten, Probleme frühzeitig zu erkennen und damit Ausfällen vorzubeugen.
So sind Statusmeldungen von Maschinen und Anlagen die Basis für eine vorausschauende Wartung. Sie helfen damit, die eigene Produktion fit und am Laufen zu halten. Vernetzte Anlagen und Produkte legen außerdem den Grundstein für neue Geschäftsmodelle. Sie ermöglichen Unternehmen neue, zusätzliche Services anzubieten. Der aktuellen Studie von PAC zufolge, haben sich 78 Prozent der Befragten zum Ziel gesetzt, solche Dienstleistungen in ihr Portfolio aufzunehmen. Für knapp ein Drittel ist es sogar ein zentrales Ziel.
Nachhaltige Datenpflege
Ein zusätzlicher Aspekt dieser Prozesse bezieht sich auf das Thema „Kosten“. Um Produkte, Prozesse oder Leistungen fundiert bewerten zu können, müssen Controller die inzwischen zahlreich vorhandenen Daten aus verschiedensten Blickwinkeln beleuchten. Zeitgemäße ERP-Systeme bieten hierfür beispielsweise eine mehrdimensionale Ergebnisrechnung, gepaart mit eingängigen Visualisierungen und interaktiven Auswertungsmöglichkeiten.
Diese und viele weitere Optionen lassen sich allerdings nur voll ausschöpfen, wenn die Datenqualität stimmt. Einmalige Hauruck-Aktionen zur Datenbereinigung sind dabei nur kurzfristig hilfreich. Nachhaltig ist nur ein laufender Data-Quality-Prozess, der wesentliche Stamm- und Bewegungsdaten auf Vollständigkeit und Plausibilität kontinuierlich prüft. Moderne ERP-Systeme bieten hierzu bereits entsprechende Werkzeuge, um Prüf- und Korrekturprozesse weitestgehend zu automatisieren. Damit, und dank einer tiefen Integration in die Geschäftsprozesse eines Unternehmens, kann ein ERP-System als Motor der datengetriebenen Wertschöpfung agieren.
Fazit
Im Zentrum heutiger Digitalisierungsinitiativen stehen ERP-Systeme: So verwundert es nicht, dass viele Unternehmen diese modernisieren wollen – und müssen. Dabei verfolgen Mittelständler für die nächsten 24 Monate ganz unterschiedliche Strategien von Ergänzung des bestehenden Systems über eine Teil-Ablöse bis hin zur Verschlankung ihrer Geschäftsanwendungen. Festzustellen ist: Die Digitalisierung und damit die Weiterentwicklung der ERP-Systeme in deutschen Unternehmen vollzieht sich nicht als disruptiver Umbruch, sondern eher Zug um Zug. Ein großer Teil der Mittelständler hat sich bereits auf den Weg gemacht.
Die proALPHA Gruppe ist in der D-A-CH-Region der drittgrößte Anbieter für ERP für mittelständische Unternehmen in Fertigung und Handel. Seit über 25 Jahren bietet proALPHA eine leistungsstarke ERP-Lösung, Consulting, Service sowie Schulungs- und Wartungsleistungen aus einer Hand. Davon profitieren über 2.000 mittelständische Kunden verschiedenster Branchen und in 50 Ländern.
Referenzen
[1] https://www.proalpha.com/de/lp/erp-studie-digitalisierung-im-mittelstand
[2] https://www.digitalrealty.com/data-economy